Home Film “Dahomey” – durchaus inspirierende Doku über die Rückführung von Raubkunst

“Dahomey” – durchaus inspirierende Doku über die Rückführung von Raubkunst

Autor: Mick

"Dahomey" Filmplakat (© MUBI)

Dahomey

Dokumentation
Regie: Mati Diop
Dauer: 68 Minuten
FSK: freigegeben ohne Altersbeschränkung
Website: mubi.com/de/de/films/dahomey
Facebook: facebook.com/mubi
Facebook: instagram.com/mubideutschland
Kinostart: 24. Oktober 2024


Schon seit über hundert Jahren erfreuen wir Europäer uns an den Hinterlassenschaften unserer Vorfahren, von denen auch ein gewisser Teil in unseren westlichen Museen zu bewundern ist. Dass diese Kunstwerke jedoch von den damaligen Kolonialherren einst vom afrikanischen Kontinent geraubt wurden und damit unrechtmäßig bei uns ausgestellt werden, wird erst seit gar nicht allzu langer Zeit thematisiert. Genau diese dadurch initiierte Debatte um die Rückführung sogenannter „Raubkunst“ verhandelt die Französin Mati Diop in ihrem neuen Dokumentarfilm „Dahomey“. Der konnte sich im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale überraschend gegen die Konkurrenz durchsetzen und wurde zum Missfallen vieler als zweite Dokumentation in Folge mit dem Goldenen Bären für den besten Film bedacht.

Und diese Zweifel scheinen auf den ersten Blick nicht aus der Luft gegriffen, zu befremdlich wirken Diops erste Einstellungen, in denen sie uns unkommentiert in aller Gelassenheit und mit detaillierten Nahaufnahmen das technisch anspruchsvolle Verpacken von Kunstwerken zeigt. In Vorkenntnis der Thematik können wir uns natürlich denken, worauf sie mit ihren nüchtern-meditativen Bildern hinauswill, und trotzdem verlangt uns der erste Teil ihrer da noch gehörig experimentell wirkenden Doku einiges an Geduld ab. Denn die einzige Bestätigung unserer Vermutungen besteht im dumpf verzerrten Off-Kommentar vom ehemaligen Herrscher des Königreichs Dahomey, dessen Statue nunmehr als Artefakt Nummer 26 zum Transport in eine Kiste verladen wird. Den lässt Diop hier reichlich mystisch und einigermaßen erbittert zu Wort kommen und beschreibt damit sein fast 130-jähriges Martyrium fern der Heimat.

Selbstverständlich geht es um die Rückgabe von Beutekunst, die Frankreich 2021 mit der Regierung des heutigen Benin vereinbart hat, und deren Verschiffung wir hier, einem religiösen Ritual ähnlich, in mehr oder weniger erhellenden Einzelheiten beiwohnen dürfen. Doch so anstrengend sich Diops Beobachtungen auch anlassen mögen, langsam kommt dann doch Licht ins Dunkel ihrer wahllos erscheinenden Aneinanderreihung von handwerklichen Aufnahmen, wenn sich die erst kryptischen Einlassungen von König Behanzin mehr und mehr zur verständlichen Klage über seine damalige gewaltsame Entwurzelung auswachsen.

"Dahomey" Szenenbild (© MUBI)

(© MUBI)

Richtig interessant aber wird der Film der senegalesisch-stämmigen Diop, der somit die afrikanischen Befindlichkeiten nicht allzu fern sind, erst mit dem feierlichen Staatsakt, mit dem die Ankunft der 26 geraubten Schätze in Benin zelebriert wird. Das multimedial als Triumph über den Kolonialismus ausgeschlachtete Ereignis wird unter anderem begleitet von einer Podiumsdiskussion junger Kunststudierender, mit der die Regisseurin ungemein emotional die vielschichtige Debatte über tiefsitzende, jahrzehntelange Gängelung der Afrikaner durch ihre Kolonisatoren einfängt. Ihr dadurch mit geschickter Montage der Wortbeiträge gestarteter, anregender Diskurs über Scheinheiligkeit des gefeierten Regierungsdeals – letztendlich umfasst der nur die Rückführung von 26 von über 7000 (!!!) allein in Frankreich befindlichen Artefakten – und Emanzipation von der früheren Kolonialmacht gibt ihrem bis dahin vor sich hinplätschernden Film da unvermittelt eine Tiefe, die kaum zu vermuten war.

Gespannt verfolgen wir die hitzige Diskussion der jungen Menschen, die ja einer postkolonialen Generation angehören und doch durch ihre Familiengeschichten derart traumatisiert scheinen, dass sie teilweise die eigentlich versöhnliche Rückgabe der Dahomey-Kunstwerke von Frankreich als nichts anderes als eine weitere demütigende Abspeisung zur Ruhigstellung verstehen. Ein Punkt, der durchaus nachvollziehbar ist, betrachtet man die geringe Anzahl rückgeführter Objekte und den Wert, den sie abseits der Kunstfertigkeit in kultureller und sogar religiöser Hinsicht haben.

Das ist um einiges eingängiger als Diops anfänglicher Kunstgriff des spirituellen, in der Landessprache Dahomeys Fon gehaltenen, Off-Kommentars und zeigt anschaulich die ganze Grausamkeit kolonialer Räuber, die zusammen mit den Kunstwerken große Teile der indigenen Identität entführten. So wird der Berlinale-Gewinner hintenraus doch noch versöhnlich zu einer respektvollen Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus und seinen bis heute andauernden Folgen, der man dann auch ihre recht langatmige Abstraktion vom Beginn verzeiht.

Trailer:

Bewertung: 6 von 10 Punkten

 

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