Home Film “Das Flüstern der Felder” – DK & Hugh Welchmans starke Literaturverfilmung ist wieder ein gemaltes Film-Kunstwerk

“Das Flüstern der Felder” – DK & Hugh Welchmans starke Literaturverfilmung ist wieder ein gemaltes Film-Kunstwerk

Autor: Tobi


"Das Flüstern der Felder" Filmplakat (© PLAION Pictures)

Das Flüstern der Felder

Darsteller: Kamila Urzedowska, Robert Gulaczyk, Miroslaw Baka, Sonia Mietielica
Regie: DK & Hugh Welchman
Dauer: 114 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Facebook: facebook.com/PLAION.PICTURES
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Kinostart: 12. September 2024


2017 gelang es dem Regie-Duo DK & Hugh Welchman, mit “Loving Vincent” (lies unsere Filmkritik hier) einen Film zu bieten, den man in puncto Machart so bisher noch nicht gesehen hatte. Der Krimi um van Goghs Tod wurde spektakulär, äußerst ideenreich und gut gemacht im Stil des berühmten Malers realisiert, wobei die mehr als 65.000 Einzelbilder des Streifens von 125 Künstlern aus aller Welt als Ölgemälde reproduziert wurden – was zahlreiche Filmpreise und Nominierungen für den Oscar® und Golden Globe® einbrachte.

Diesem Prinzip blieben die beiden treu, als sie sich daran machten, den Roman “Die Bauern” (im Original “Chłopi”) des polnischen Schriftstellers Władysław Reymont umzusetzen, der hierfür 1924 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgzeichnet wurde. Reale AkteurInnen drehten größtenteils im Studio vor Greenscreen, manchmal auch an realen Orten gleichenden Sets, und dann wurde das erste Bild jeder Sequenz im Format 67 cm x 49 cm auf Leinwand gemalt. Anschließend wurde animiert und alle sich bewegenden Teile des Bildes wurden durch Pinselstriche, Farbe und Impasto passend gestaltet, bis dann das letzte Bild der Sequenz erneut komplett gemalt wurde. Für die dazwischenliegenden Bilder wurden auch digitale Pinselstriche im Stil der Vorgaben verwendet, was in Summe erneut ein filmisches Gesamtkunstwerk ergab.

Die Handlung nimmt uns mit ins ländliche Polen Ende des 19. Jahrhunderts, wo die junge Jagna (Kamila Urzedowska) in einem Dorf lebt, in dem sie ihre innewohnende, unbeschwerte Fröhlichkeit nicht ausleben kann bzw. darf. Die argwöhnisch blickenden, hinter ihrem Rücken tuschelnden Frauen sind neidisch und sehen in der äußerst attraktiven Blondine zudem eine Gefahr, könnten ihre Männer doch schwach werden. Die jüngeren Kerle vor Ort wiederum brüsten sich untereinander gerne damit, mit Jagna bereits sexuell aktiv geworden zu sein, ob dies nun stimmt oder nicht. Dabei fühlt sie sich eigentlich nur zu einem hingezogen, dem rebellischen Antek (Robert Gulaczyk), der allerdings verheiratet ist mit der ebenfalls hübschen Hanka (Sonia Mietielica), was eine Affäre aber nicht verhindert.

Bei der gerne mit hartem Wodka und anderen alkoholischen Getränken ausgelassen feiernden Dorfgemeinschaft ist die mit wundervollen Scheerenschnitten künstlerisch aktive, die Musik und Natur liebende Jagna bald als Hure verschrien, und so gefällt nicht wenigen die Idee, dass der alte, wohlhabende Witwer Maciej (Mirosław Baka) sie doch zur neuen Frau nehmen könnte. Im herrschenden Patriarchat hat die aus ärmlicherem Haus stammende Jagna kaum eine Chance, sich hiergegen zu wehren, und so kommt es zur Hochzeit. Diese will Antek aber nicht so einfach hinnehmen, schließlich ist es Maciejs Sohn – und auch in Jagna brodelt noch Widerstand.

"Das Flüstern der Felder" Szenenbild (© PLAION Pictures / Breakthrufilm)

Ein Moment jungen Glücks: Jagna (Kamila Urzedowska) und Antek (Robert Gulaczyk) treffen sich heimlich in den Feldern.
(© PLAION Pictures / Breakthrufilm)

Das Regie-Ehepaar Dorota Kobiela und Hugh Welchman weiß auch mit “Das Flüstern der Felder” wieder zu verzaubern, welcher von Polen für die Oscar®-Verleihung 2024 als bester Internationaler Film eingereicht wurde. Die polnische Filmemacherin und Künstlerin hatte ihrem britischen Mann während der Arbeit an “Loving Vincent” das dicke, in manchen Ausgaben über 1.000 Seiten lange Werk von Władysław Reymont gekauft, und als er dann dazu kam, es zu lesen, war er direkt fasziniert.

Wie die Prosa ist auch der Film in die Kapitel “Herbst”, “Winter”, “Frühling” und “Sommer” unterteilt und erzählt uns also Jagnas Geschichte im Lauf eines Jahres, die noch recht unbeschwert anzufangen scheint und dann schwer ins Dramatische umschlägt. Das ländliche Leben der Bauernfamilien und Dorfgemeinschaft ist, wenn der Alkohol die mentalen Teufel mal nicht gerade gegen Feierwütige austauscht, von Argwohn, Eifersucht, Gemeinheiten und männlichem Machtstreben geprägt. Jagna hat kaum eine Chance, den Fiesheiten zu entkommen, und getrieben von Lust gibt sie sich der ihr auch Halt gebenden Liebelei mit dem so anders auftretenden Antek dann hin, denn einen Ruf hat sie ja schon nicht mehr zu verlieren. Hierbei ahnt sie natürlich nicht, wie das Ganze eskalieren würde.

“Das Flüstern der Felder” kommt nicht nur optisch mit seinen gemalten Bildern, die so gut zur Zeit und das ländliche Setting passen, sehr ansprechend daher, sondern ist auch von toller Musik durchzogen. Der polnische Komponist und Produzent Łukasz Rostkowski, der auch als Rapper L.U.C erfolgreich ist, hat wundervolle Lieder erschaffen, die von ausgelassenem Folk über chorale Momente bis zu melancholischem Akustik-Pop perfekt zum Film passen und ihn schwer bereichern. Ende Januar 2024 erschien übrigens dann auch noch eine sehr schöne englischsprachige Version des Liedes “End of Summer”, gesungen von Katie Melua.

Die Handlung weiß zu fesseln, auch weil hier die Grenzen von Gut und Böse bewusst nicht klar gezogen werden. Man kommt also ins Diskutieren über die Mitschuld von Jagna, Antek und den anderen am Unfrieden im Dorf. Die verschiedenen Charaktere werden allesamt detailliert – passend zum Film – ausgemalt, und sie sind auch gut besetzt worden. Hierbei sticht die zauberhafte Kamila Urzedowska heraus, die bei der Berlinale zu den ausgezeichneten European Shooting Stars gehörte und eine echte Entdeckung ist. Ein lohnender Film, nicht nur für Kunstliebhaber.

Trailer:

Bewertung: 9 von 10 Punkten

 

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