Das schönste Mädchen der Welt
Darsteller: Aaron Hilmer, Luna Wedler, Damian Hardung, Jonas Ems
Regie: Aron Lehmann
Dauer: 103 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.dasschoenstemaedchenderwelt.de
Facebook: facebook.com/tobisfilmclub
Daran, dass sich an “Das schönste Mädchen der Welt” die Geister scheiden werden, brauchen wir nicht zu zweifeln. Einen Teenie-Film mit jeder Menge Battle-Rap zu versehen, lässt das Niveau beim ersten Hinsehen – oder besser Hinhören – natürlich mächtig sinken, aber das gehört bei dieser Spielart des Sprechgesangs nun einmal dazu und spiegelt nur die Realität wieder. Im Englischen klingt das immer noch alles so lustig, aber sobald dann in einem deutschen Film Wörter wie “Fotze” fallen oder – was zum Battle-Rap dazu gehört – Mütter beleidigt werden, dann fühlt sich dies schon noch amtlich ungewohnt an.
Regisseur Aron Lehmann (“Highway To Hellas”, “Die letzte Sau”) und Verleiher Tobis gehen das Risiko ein, hier von Moralaposteln und temporär dazu berufenen Zeigefinger-Hebern mächtig – um im Jargon zu bleiben – gedisst zu werden. Wenn überhaupt, sollte man allerdings über die Jugendfreigabe ab 12 Jahren diskutieren, denn meine Kinder, die sich noch über Battle-Rap-Light a la “Mädchen gegen Jungs” aus “Bibi & Tina” freuen, möchte ich nicht mit 12 Jahren hier im Kino sehen – ab 16 wäre weit angemessener gewesen. Ansonsten nämlich ist – und das ließ der Trailer gar nicht vermuten – ein sehr ansprechender Film gelungen.
Im Zentrum der Handlung steht – “Fack ju Göhte” lässt grüßen – eine Schulklasse pubertierender Teenies. Als die hübsche Roxy (Luna Wedler) als neue Schülerin dazu stößt, dauert es natürlich nicht lange, bis sie das Interesse verschiedener Jungs weckt. Der auf Grund seiner großen Nase ständig gehänselte Cyril (Aaron Hilmer) rechnet sich selbst keine Chancen aus bei der 17-Jährigen, auch wenn sie im Bus auf der direkt anstehenden Klassenfahrt nach Berlin neben ihm sitzt und sich beide anfreunden. Aufreißer Benno (Jonas Ems) hingegen ist sicher, die mit verruchtem Ruf gelandete Neue bald flach legen zu können und geht spontan eine Wette hierauf ein.
Roxy hingegen entwickelt am meisten Vorliebe für den attraktiven, aber völlig verklemmten Außenseiter Rick (Damian Hardung). Dies ist allerdings auch einer Verwechslung geschuldet, denn nachdem sie einen maskierten Battle-Rapper in Berlin bejubelt hat, sieht sie Rick etwas später im Hostel mit dessen Maske und hält ihn für den wortgewandten HipHopper. Die Maske allerdings gehört in Wirklichkeit Cyril, der aber aus einer Mischung an mangelndem Selbstbewusstsein und der Hoffnung, dass eine aufkommende Liebe zu Rick dem Fiesling Benno seine Wette vereiteln könnte, sich nicht gegenüber Roxy outet. Im Gegenteil, Cyril beginnt, für Rick Texte zu schreiben und zusammen senden sie in Ricks Namen nicht nur romantische SMS, sondern auch verliebte Songs per Chat an Roxy, die hierauf sehr positiv reagiert, aber die realen Aufeinandertreffen mit Rick nicht nachvollziehen kann.
Auch wenn “Das schönste Mädchen der Welt” überall als Komödie beworben wird, wird dies dem Film nicht ganz gerecht, steckt doch auch eine gehörige Portion Romanze bis zu Identitäts-Drama im Streifen, und auch die Wichtigkeit der Musik sollte nicht vergessen werden. Das ist gut so, denn als reine Kömödie wäre der Streifen vermutlich eher peinlich gewesen. Gut, auf die Szenen mit Cyrils total lockerer, dabei aber eher ins Dümmliche abgleitender Mutter, gespielt von der mit unrealisitsch aussehender Großnase versehenen Anke Engelke, hätte man verzichten können, und auch die Rolle der resoluten Lehrerin (Heike Makatsch) ist nicht überragend einfallsreich.
Ansonsten aber ist der Film wirklich gut gelungen. Mit der Schweizerin Luna Wedler und Aaron Hilmer sind die Hauptrollen mit zwei hoffnungsvollen Nachwuchsschauspielern bestens besetzt, und wenn man dann noch mit einrechnet, wie gelungen Hilmer hier als Rapper agiert, dann ist das umso beachtlicher. Natürlich wurde ihm hier auch ein akustisch wie inhaltlich roter Teppich ausgerollt, sind die Texte doch genauso stark wie die Songs, die Musikproduzent Konstantin “Djorkaeff” Scherer und Songwriter Robin Haefs zusammen erarbeitet haben und die in den romantischen Tracks abseits des Battle-Rap im Stile von angesagten Acts wie Cro daher kommen.
Auch das sonstige Ensemble spielt ansprechend, inklusive der YouTuber Jonas Ems als verschlagener Charmeur-Fiesling oder Julia Beautx als Obertussi Titti, die mit Dummheits-Schwester Lissi (Sinje Irslinger) natürlich schön ins Stereotypen-Bild einer heutigen Klassengemeinschaft passt, das am Rande durchaus ausgereizt, aber nicht überstrapaziert wird.
Mit entscheidend dafür, das ein gelungener Film vorliegt, war sicherlich die Einbindung der Autorin Judy Horney in den Entstehungsprozess, die das Drehbuch noch einmal so überarbeitet hat, dass die Dialoge der heutigen Jugendsprache entsprechen, was bestens funktioniert hat.
Was nicht vergessen werden sollte ist die Tatsache, dass die Geschichte von “Das schönste Mädchen der Welt” auch noch an einen Klassiker angelehnt ist, nämlich das Ende des 19. Jahrhunderts geschriebene Versdrama “Cyrano de Bergerac” von Edmond Rostand. Den meisten Kids wird das zwar nichts sagen und sie werden auch ohne dieses Vorwissen Spaß am Film haben, aber man muss festhalten, dass die äußerst moderne und ungewöhnliche Umsetzung des Stoffs bestens geklappt hat.
Trailer:
Bewertung: 8 von 10 Punkten