Der Buchspazierer
Darsteller: Christoph Maria Herbst, Yuna Bennett, Ronald Zehrfeld, Edin Hasanovic
Regie: Ngo The Chau
Dauer: 98 Minuten
FSK: freigegeben ab 6 Jahren
Website: www.studiocanal.de/title/der-buchspazierer-2024
Facebook: facebook.com/STUDIOCANAL.GERMANY
Instagram: instagram.com/studiocanal.de
Kinostart: 10. Oktober 2024
Der Begriff “Wohlfühlkino” wird ja immer wieder gerne genutzt, wenn Filme einfach nur nett sind und “nett” hier wirklich rein posititv gemeint ist, sich ein Streifen einfach gut anschauen lässt, ohne anzustrengen, in Spannung oder große Trauer zu versetzen oder auf Teufel komm raus Lacher zu erzwingen. Die Verfilmung von Carsten Henns Bestseller “Der Buchspazierer” ist solch “Wohlfühlkino”, wobei es auch hier Schicksalsschläge gibt, sogar einige.
“Es heißt, Bücher finden ihre Leser – aber manchmal brauchen sie jemanden, der ihnen den Weg weist”, eröffnet eine Erzählerin aus dem Off die Handlung und stellt uns Carl Kollhoff (Christoph Maria Herbst) vor, der jeden Werktag im Hinterzimmer eines Buchladens neue Bücher für seine Stammkundschaft auserwählt und wie Geschenke in Papier einpackt, sie dann akkurat in seinen eckigen Rucksack stellt und losmarschiert, um sie in seiner Kleinstadt auszuliefern. Belesen ist er, intelligent und auch ein wenig verschroben, offensichtlich aber emsig, beliebt und freundlich, mit gebotener Zurückhaltung, denn Einladungen zum Einkehren und Verweilen schlägt er stets aus, der also auch ein Eigenbrötler zu sein scheint.
Mit einiger Hingabe sucht Carl die Bücher aus, weiß er doch schon, was die Kundschaft am liebsten liest, und diese kann verschiedener kaum sein. Um im Metier zu bleiben hat Carl ihnen für seine Orientierung Namen aus Romanen verliehen, mit denen er sie aber natürlich nicht ansprechen würde. So wohnt der schicke Mister Darcy (Edin Hasanović) einsam in einer Villa, Effi Briest (Hanna Hilsdorf) eher unglücklich in einem Vielparteienhaus, ebenso wie der starke, massive Gewichtheber Herkules (Tristan Seith), und die ihr Haus nach einem skurrilen Fast-Unfall nicht mehr verlassende Frau Langstrumpf (Maren Kroymann) sucht immer Fehler in den Büchern und stellt Carl Definitionsfragen, deren richtige Beantwortung mit einem Himbeerbonbon belohnt wird.
Das Prozedere ist eingespielt und funktioniert bestens, bis sich zwei Dinge ändern. Zum einen gesellt sich die neunjährige, lesebegeisterte Schascha (Yuna Bennett) aus Langeweile und Interesse zu Carl und geht plötzlich immer wieder, wenn sie nicht gerade in der Schule ist, neben ihm, was sie sich auch vom leicht griesgrämig abweisenden Einzelgänger nicht verbieten lässt. Zum anderen wird der traditionelle Buchladen von der Kette “Orange Books” aufgekauft, die so einiges modernisieren will, vom Marketing bis zum Vertriebsmodell, in dem Carl dann von der neuen Chefin Frau Jattkowiak (Nikola Kastner) auch direkt eine kleinere Rolle zugewiesen bekommt.
Für Carl Kollhoff sind dies erst einmal zwei negative Dinge, an Schascha allerdings gewöhnt er sich dann doch schnell, die ihn “Buchspazierer” nennt und neuen Wind in sein eingefahrenes, einsames Leben bringt. Mit ihr isst er nicht nur täglich ein Pinguin-Eis und entdeckt Lebensfreude wieder, die mit ihren großen Augen und ihrer schlagfertigen Art niedliche Schascha ist auch bei Carls Stammkunden schnell beliebt, über die er nun weit mehr erfährt als zuvor. Dabei trägt auch sie ihr Päckchen mit sich herum, ist ihre Mutter doch verstorben, und der Vater (Ronald Zehrfeld) kommt bei allen gutgemeinten Ansätzen hiermit noch nicht gut klar. Als er dann mitbekommt, dass Schascha mit dem alten Buchspazierer herumwandert, will er das unterbinden.
Regisseur Ngo The Chau legt mit seinem Kinodebüt eine gelungene Verfilmung des im November 2020 erschienenen und erfolgreich in 29 Länder weltweit verkauften Romans vor. Charmant und warmherzig geht es zu, wenn man Carl mit seiner Liebe zur Literatur und seiner Hingabe für die so besondere, ganz und gar nicht moderne Aufgabe beobachtet, und wenn die quirlige, aufgeweckte Schascha sich ungefragt zu ihm gesellt, auch um sich vom Alleinsein zu Hause nach dem Tod der geliebten Mutter abzulenken, was der bemühte, aber unglücklich agierende Vater nicht verstehen will. Mit der Übernahme des Buchladens und den vielleicht etwas übertrieben dargestellten Modernisierungen kommt dies alles zusätzlich in Gefahr, was nicht nur für Carl schlimm wäre, sondern auch für seine KundInnen, die auch durch Schaschas Wirken alle ihre eigenen interessanten, manchmal unglücklichen Geschichten offenbaren, denen aber durchaus geholfen werden kann, auch abseits von Lesestoff.
Ngo The Chau, der neben der Regie auch die Kamera verantwortet hat, liefert auf Grundlage eines Drehbuchs von Andi Rogenhagen gutes Erzählkino, das bestens besetzt ist. Der erfahrene, stark spielende Christoph Maria Herbst hat eine tolle Chemie zur wundervoll agierenden Nachwuchsschauspielerin Yuna Bennett entwickelt, und auch für die Kundschaft und Schaschas Vater wurden genau die Richtigen vor die Kamera geholt. Man kann es nur wiederholen – “Der Buchspazierer” ist absolutes “Wohlfühlkino”, das sich sehr gut anschauen lässt.
Trailer:
Bewertung: 8 von 10 Punkten