Der Hauptmann
Darsteller: Max Hubacher, Milan Peschel, Frederick Lau, Alexander Fehling
Regie: Robert Schwentke
Dauer: 119 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: www.derhauptmann-film.de
Facebook: facebook.com/DerHauptmann.DerFilm
Robert Schwentke (“Flightplan – Ohne jede Spur”, “R.E.D.: Älter. Härter. Besser.”), einer von Deutschlands wenigen Regie-Exporten nach Hollywood, besinnt sich mit seinem neuen Film wieder ganz auf seine Herkunft und bringt sein Antikriegsdrama wieder unabhängig von großen Filmstudios als deutsch-polnisch-französische Koproduktion auf die Leinwand. Das hat dem Werk sichtlich gutgetan, denn seine drastische Darstellung von Kriegsverbrechen befindet sich doch weit jenseits des Mainstream-Kinos. Das nimmt ihm zwar jegliche Massenkompatibilität, erhöht dafür aber die Deutlichkeit seiner Aussage ungemein.
Es sind die letzten Zuckungen des Zweiten Weltkriegs Anfang April 1945, als im allgemeinen Chaos der Wehrmachtssoldat Willi Herold (Max Hubacher) an der Westfront von seiner Truppe getrennt wird. Für einen Deserteur gehalten, wird er damit zum Freiwild für eine Gruppe betrunkener Soldaten unter der Leitung von Hauptmann Junker (Alexander Fehling), die sich aus der Jagd nach ihm einen Spaß macht. Schon diese Anfangssequenz verdeutlicht die ganze Barbarei der von Heeresbefehlen gedeckten Gewaltorgien, die sich geradezu willkürlich Bahn brachen. Kein Wunder also, dass sich Herold, kaum seinen Jägern entkommen, sogleich als Hauptmann ausgibt, als er eine komplette Uniform in einem verwaisten Fahrzeug am Wegesrand vorfindet.
Und schon ist der Automatismus militärischer Hierarchien in Gang gesetzt, schart der dreiste 19-Jährige erste ebenfalls Versprengte als Befehlsempfänger um sich und kostet so zum ersten Mal von der süßen Frucht der Macht über andere, die er im Krieg nur durch Waffeneinsatz ausüben konnte. Derart geschult und offensichtlich jeden Skrupels und Menschlichkeit beraubt, ist es ihm dann ein Leichtes, die Situation zu seinem Vorteil zu nutzen und übelste Gräueltaten anzuordnen, für deren Ausführung er sich allerdings selbst keinesfalls zu schade ist. Unter fadenscheinigem Führerbefehl führt ihn sein Weg in ein Gefangenenlager, wo er zum ersten Mal Gefahr läuft aufzufliegen, trifft er dort doch auf seinen anfänglichen Jäger Junker. Der aber erkennt ihn nicht und so nutzt er das allgemeine Kompetenzgerangel in der Leitung auch dort zu teilweise bestialischen Massenmorden.
Schwentke konfrontiert uns hier gestützt auf sein wunderbares Darstellerensemble schonungslos mit der Perversion des Krieges, in dem alle menschlichen Gesetze außer Kraft getreten sind, entwickelt detailliert anhand von Herold die psychologischen Folgen von Macht und die Verlockung ihres Missbrauchs. Dies ist durch sein entlarvendes Schwarz-Weiß und Florian Ballhaus’ (ja, der Sohn) präzise Kameraarbeit beeindruckend in Szene gesetzt und erschüttert umso mehr, wenn man weiß, dass das alles auf wahren Tatsachen beruht. Zwar dauerte der Spuk bis zu Herolds Festnahme nur einen knappen Monat und er wurde schließlich auch als Kriegsverbrecher hingerichtet, aber in dieser Zeit war die Gruppe um den “Henker vom Emsland” für mindestens 125 Morde verantwortlich. Das macht nachdenklich und spiegelt sich im sehenswerten Abspann wider, der den starken Film mit seinem Gegenwartsbezug abrundet.
Bewertung: 10 von 10 Punkten