Der perfekte Chef
Darsteller: Javier Bardem, Manolo Solo, Óscar de la Fuente, Almudena Amor
Regie: Fernando León de Aranoa
Dauer: 120 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.alamodefilm.de/kino/detail/der-perfekte-chef.html
Facebook: facebook.com/derperfektechef.film
Es wird geduzt im Betrieb Blanco. Und wenn Praktikantinnen bei ihrer Verabschiedung dem Firmenchef aufgelöst ihre Liebe gestehen und kaum loslassen können, kann das nur für seine herzliche Personalführung sprechen. Oder aber da liegt etwas gewaltig im Argen. Regisseur Fernando León de Aranoa („Montags in der Sonne“, „Princesas“), seit jeher für seine sozialkritischen, genauen Blicke bekannt, lässt uns erstmal beide Optionen, präsentiert uns den von seinem Leib- und Magenakteur Javier Bardem großartig gespielten Boss Julio Blanco hemdsärmelig und in erster Linie um das Wohlergehen seiner Belegschaft besorgt.
Doch schon schnell kriegt das Bild des Vorzeigechefs, der das mittelständische Unternehmen für Industriewaagen in zweiter Generation betont familiär leitet, erste kleine Risse. Denn die fürsorgliche Solidarität mit seinen Schäfchen reicht eben auch bei ihm nur so weit, wie es die nackten Firmenzahlen zulassen. Da wird aus Rationalisierungsgründen dann auch der langjährige, verdiente Mitarbeiter und Familienvater José (Óscar de la Fuente) kurzerhand vor die Tür gesetzt, ob er Julio nun freundschaftlich verbunden ist und seine Kinder als Druckmittel mitbringt oder nicht. Und als die neuen Praktikantinnen auflaufen, hat sich Julio schon am ersten Tag seine hübsche Favoritin ausgeguckt, die dann auch bald das Ziel seiner recht eindeutigen Annäherungsversuche wird. Dumm nur, dass die junge Liliana (schön durchtrieben: Almudena Amor) dies zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen weiß und obendrein die inzwischen erwachsene Tochter eines engen Freundes der Familie ist.
Genau das ist es, was León de Aranoas Satire so spannend macht, entlarvt er die oberflächliche Güte seines harmoniebedürftigen Protagonisten doch fast immer schon in der nächsten Einstellung als selbstherrliches Verhalten, welches dem dann zeitnah regelmäßig auf die Füße fällt. Das ist nur verdient und entbehrt nicht einer gewissen Komik, selbst wenn die präzise beobachteten Konsequenzen für die Beteiligten meist tragisch sind. Doch wenn José vor dem Firmentor ein lautstarkes Protestcamp gegen Firmenwillkür errichtet, das Julios großes Ziel, den Preis für das bestgeführte Unternehmen zu gewinnen, gefährdet, kann man sich nur allzu gut vorstellen, wie sehr das Julio bei jeder Durchfahrt auf die Nerven geht, und sich ein Lächeln nicht verkneifen.
Dabei ist Javier Bardems Vorstellung als patriarchaler Firmenchef wirklich sensationell, wechselt leichtfüßig zwischen charmant vorgetragener Fürsorge und rücksichtslosem Regime allein zum Wohle des Betriebs, beziehungsweise vor allem um die Lücke an der Wand mit Julios errungenen Preisen zu füllen. Dass der selbsternannte Familienvater Julio seinen Mitarbeitern immer wieder überhaupt nicht auf gleicher Ebene sondern vielmehr betont herablassend begegnet, befeuert daher nur unsere Schadenfreude, bringt ihm sein skrupelloses und phasenweise menschenverachtendes Verhalten mal wieder ernsten Ärger ein.
León de Aranoa beweist hier wieder einmal ein feines Gespür für seine Gesellschaftskritik, mit der er ganz gezielt die Arbeitsbedingungen in bewusst modern ausgerichteten, flachhierarchischen Unternehmen ins Visier nimmt und die er gekonnt in seinen subtilen, schwarzen Humor hüllt. Da lässt er Julio im Sinne der Firma schon mal Grenzen überschreiten und in das kriselnde Eheleben seines indisponierten Produktionsleiters eingreifen. Und zeigt uns unmissverständlich, wie der seine eben doch exponierte Position ausnutzt, um sich gleichermaßen sexuelle Befriedigung oder, viel schlimmer noch, die Beseitigung seiner hausgemachten Probleme durch ihm untergebene Mitarbeiter zu verschaffen.
Bardem dabei zuzuschauen, wie er seinen Julio, dem man anfangs gar nicht richtig böse sein kann, mit laufender Spielzeit zunehmend buchstäblich über Leichen gehen lässt, ist einfach ein Genuss. Der passt perfekt in León de Aranoas kurzweilige, bittere Satire, die sowohl interessante Charakterstudie als auch trotz manchen Augenzwinkerns ernste Anklage gegen immer noch vorherrschende Machtverhältnisse ist.
Trailer:
Bewertung: 8 von 10 Punkten