Diego Maradona
Dokumentation
Regie: Asif Kapadia
Dauer: 130 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: dcmworld.com/portfolio/diego-maradona
Facebook: facebook.com/dcmworld
Der Meister der Recherche hat wieder zugeschlagen. Nachdem Asif Kapadia mit „Senna“ (2010) schon eine eindrückliche Dokumentation über einen weiteren südamerikanischen Volkshelden abgeliefert und danach der englischen Sängerin Amy Winehouse mit dem Oscar®-prämierten „Amy“ (2015) ein Denkmal gesetzt hat, widmet er sich in „Diego Maradona“ jetzt einem der begnadetsten Fußballspieler, den unser Planet je gesehen hat.
Und wieder ist er mit unvorstellbarer Akribie in die Archive eingetaucht, um uns das argentinische Wunderkind Diego Maradona, das so viele Fußballfans in aller Welt begeistert hat, näherzubringen. Wie schon in seinen vorherigen Dokumentarfilmen greift er dabei auch hier ausschließlich auf Originalaufnahmen und Interviews zurück und versetzt damit erneut sogar ausgewiesene Kenner der Materie ein ums andere Mal in Staunen. Schon der Vorspann mit Maradonas Heldentaten auf dem Platz ist dabei eher menschlicher Highlightfilm als Vorstellung und lässt uns ungläubig den Kopf schütteln. Wie könnte ein Einstieg in die Biografie eines Fußballers besser gelingen als so, wo Bewunderung geradezu zur Selbstverständlichkeit wird.
Doch anders als in der kürzlich erschienenen Doku über den braven deutschen Kicker Toni Kroos, die bisweilen zur einzigen Lobeshymne verkam und den komplett durchkommerzialisierten Profifußball der heutigen Zeit eher steril spiegelte, schält Kapadia den facettenreichen Charakter des Diego Maradona anschaulich heraus und schlägt dabei auch mal kritische Töne an. Der nämlich konnte auf dem Platz gereizt schon mal ausrasten und sich wieder zum Ghettokid wandeln, das sich im Slum von Buenos Aires so lange seiner Haut erwehren musste. Das zeigt uns Kapadia gleich eingangs eindrucksvoll anhand des zur Schlacht mutierenden spanischen Pokalfinals von 1984, das Maradona zum Rachefeldzug gegen einen Verteidiger nutzte, der ihn ein knappes Jahr zuvor schwer verletzt hatte.
So steht jedem bildlichen Ausdruck von Bewunderung fast immer ein Kritikpunkt gegenüber, der den wie Gott verehrten Helden wieder erdet. Nicht umsonst beschreibt sich Maradona selbst aus dem Off als aus den Persönlichkeiten „Diego“ und „Maradona“ bestehend, von denen er Maradona lieber nicht kennen lernen wollte. Die Erlösung von der landesweiten Verunglimpfung der Neapolitaner durch den von Maradona herbeigeführten Gewinn der italienischen Meisterschaft erscheint rückblickend in untrennbarem Zusammenhang mit der Camorra, ohne die der Wechsel des damals teuersten Fußballspielers aller Zeiten zum SSC Neapel wohl nicht möglich gewesen wäre. Dass er anschließend nicht nur für die arme Region Süditaliens sondern ebenso für große Teile der argentinischen Bevölkerung zum Heilsbringer mutierte, der ihr Selbstwertgefühl zu heben vermochte, stellt Kapadia bei allen Vorzügen des Ruhms nur allzu nachvollziehbar als hart erkauft heraus, lässt einen dabei unmittelbar an den Versuchungen und Verpflichtungen teilhaben, die den unbedarften „Diego“ in der vom Giuliano-Clan beherrschten Szene Neapels immer mehr zu „Maradona“ werden ließen.
Dadurch wird „Diego Maradona“ zu einem Porträt des großen Fußballers, das einen nicht nur das Gefühl der 80er- und 90er-Jahre wiedererleben lässt, sondern vor allem die Entwicklung des kleinen Jungen, dessen Leben Fußball war, zum weltberühmten Star mit allen charakterlichen Verfehlungen mitreißend nachzeichnet und dabei keine Sekunde langweilt. Mit seinen seltenen Archivaufnahmen ist Kapadias Dokumentarfilm somit obendrein Pflichtverantaltung für jeden Fußballfan.
Trailer:
Bewertung: 10 von 10 Punkten