Erwartung – Der Marco-Effekt
Darsteller: Ulrich Thomsen, Zaki Youssef, Sofie Torp, Henrik Noèl Olesen
Regie: Martin Zandvliet
Dauer: 125 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: erwartung-film.de
Facebook: facebook.com/KochFilms
Mit “Erwartung – Der Marco-Effekt” startet die Adaption des fünften Teils der erfolgreichen, inzwischen bereits neun Romane umfassenden Buchreihe des dänischen Autors Jussi Adler-Olsen um Spezialermittler Carl Mørck vom Sonderdezernat Q im Kino, nachdem die ersten vier Verfilmungen “Erbarmen” (2012), “Schändung” (2014), “Erlösung” (2016) und “Verachtung” (2018 – lies unsere Filmkritik hier) bereits auf der großen Leinwand für Spannung sorgten.
Schaut man auf das Filmplakat, ist man allerdings zunächst etwas perplex, hatte man sich doch in den ersten vier Streifen an Nikolaj Lie Kaas als chronisch miesgelaunten und leicht verschrobenen Kommissar Carl Mørck, Fares Fares als seinen engagierten, freundlichen und umsichtigen Assistenten Assad und auch Johanne Louise Schmidt als fleißig helfende Hand Rose gewöhnt. Nun wird mit Ulrich Thomsen als Mørck, Zaki Youssef als Assad und Sofie Torp als Rose eine komplett neue Besetzung ins Feld geschickt – weswegen der Film des Oscar®-nominierten Regisseurs Martin Zandvliet auch als Reboot angepriesen wird. Dies wirkt etwas ungelenk als Umschreibung dafür, dass die neue Produktionsfirma Nordisk Film, die sich gleich die Rechte für die Mørck-Krimis fünf bis zehn – so viele sollen es insgesamt dann auch nur werden – gesichert hat, mit neuen AkteurInnen ins Feld zieht … mal ganz abgesehen davon, dass die bisher produzierende Zentropa Entertainments zu einem großen Teil Nordisk Film gehört.
Im Mittelpunkt von “Erwartung – Der Marco-Effekt” steht natürlich wieder Carl Mørck, der auch mit neuem Gesicht nicht fröhlicher und nahbarer daher kommt. Nachdem er bei einem Einsatz Traumatisches erlebt hat, soll er sich eigentlich noch eine ganze Weile erholen und psychologische Hilfe in Anspruch nehmen, hiergegen wehrt er sich allerdings, redet sich Wohlbefinden ein und drängt nach zwei Wochen bereits zurück in den Dienst.
Auch wenn sein Chef Marcus Jacobsen (Henrik Noël Olesen) skeptisch ist, stimmt er zu, und so sitzt Mørck zur Verwunderung von Partner Assad und Sekretärin Rose bald schon wieder am Schreibtisch im Sonderdezernat Q der Mordkommission Kopenhagen, ohne sich hierfür zu erklären. Aber es gibt ja auch schon einen neuen Fall. Bei einer Passkontrolle hat die Polizei an der Grenze zu Dänemark im Zug einen Teenager (Lobus Olàh) aufgegriffen, der einen Teil des Reisepasses von William Stark bei sich trug. Der Ministeriums-Angestellte und Familienvater verschwand vor einigen Jahren spurlos, nachdem Missbrauchsvorwürfe gegen ihn erhoben worden waren.
Auch wenn der Roma-Junge zunächst schweigt, finden Mørck und Assad heraus, dass es sich um den 14-jährigen Marco handelt, der vermutlich etwas über Stark weiß, was für alle interessant sein könnte. Die alten Akten werden also wieder heraus geholt – soweit verfügbar, denn hier scheint einiges auf mysteriöse Art und Weise verschwunden zu sein. Bald wird klar, dass es hier vielleicht gar nicht um Missbrauch ging, sondern Starck aus dem Weg geräumt werden sollte, da er auf einen Millionenbetrug in der Verteilung von Fördergeldern für Hilfsprojekte in Kamerun gestoßen war. Doch was hat Marco damit zu tun, der offenbar nach Dänemark gekommen ist, um seinen Vater zu finden, der sich in Bandenkreisen bewegt?
Die Befürchtung, dass es einem schwer fallen könnte, sich damit anzufreunden, dass die bekannten Figuren in “Erwartung – Der Marco-Effekt” komplett neu besetzt sind, bewahrheitet sich nicht. Überraschend schnell gewöhnt man sich an die neuen Gesichter in den altbekannten Rollen, was dafür spricht, dass Ulrich Thomsen, Zaki Youssef und Sofie Torp zum einen gut ausgewählt wurden, zum anderen sehr solide spielen.
Der dänische Regisseur Martin Zandvliet macht auch filmisch einiges richtig und beschert insgesamt eine passende Atmosphäre und auch ansprechende Bilder. Das von Anders Frithiof August zusammen mit Thomas Porsager und Zandvliet verfasste Drehbuch hingegen sorgt dafür, dass die fünfte Verfilmung der Mørck-Krimis mit den vorigen vier nicht mithalten kann.
Natürlich waren wieder einige Einkürzungen notwendig, um aus dem dicken Roman einen filmischen Zweistünder zu basteln, Marcos verzweifelte Flucht aus dem Bandenumfeld organisierter Kriminalität kommt allerdings viel zu kurz und man kann so nicht jede Handlung des skrupellosen Gangsterbosses Zola (Zdenek Godla) nachvollziehen, auch nicht Marcos Vater gegenüber. Vielmehr stellen die Macher Carl Mørcks psychische Probleme in den Mittelpunkt, die allerdings viel zu sehr durch Kaugummi-Kau-Wahn visualisiert werden, anstatt seinen Charakter mit noch mehr Tiefe zu zeichnen. Seine und Assads wichtigen Verhöre von Starks Partnerin Malene Kristoffersen (Marie Sandø Jondal) und der mit ihr von seiner Unschuld überzeugten Tochter Thilde (Lizzielou Corfixen) sind auch zu kurz angerissen, ebenso wie die mit wahrlichem Tiefgang versehenen Besuche Mørcks beim kranken, im Pflegeheim durchaus mit Stärke vor sich hin leidenden Ex-Kollegen Jens Brage-Schmidt (Joen Bille), der einst im Fall Stark ermittelte.
“Erwartung – Der Marco-Effekt” ist insgesamt zwar nicht schlecht, schafft es aber nicht, die gleiche Portion an gutem Nordic-Noir-Thrill zu vermitteln wie die Vorgänger, was schade ist, da die Handlung eigentlich viel Potential besitzt, hier aber etwas zu fahrig und vorhersehbar serviert wird. Wenn einem im Endeffekt der einleitende, direkt packende Titelsong “Traitors” von Saveus, der im Abspann noch einmal erklingt, noch am meisten in Erinnerung bleibt, dann ist das kein sonderlich gutes Zeichen.
Trailer:
Bewertung: 5 von 10 Punkten