Home Film “Flow” – ein tiefgründiges, fast poetisches Animationskunstwerk

“Flow” – ein tiefgründiges, fast poetisches Animationskunstwerk

Autor: Mick

"Flow" Filmplakat (© mfa+ FilmDistribution)

Flow

Animationsfilm
Regie: Gints Zilbalodis
Dauer: 85 Minuten
FSK: freigegeben ab 6 Jahren
Website: www.mfa-film.de/kino/id/flow
Facebook: facebook.com/mfa.filmdistribution
Instagram: instagram.com/mfa_film
Kinostart: 6. März 2025


Der Lette Gints Zilbalodis („Away – Vom Finden des Glücks“) hat sich seit Jahr und Tag mit seinem Werk ganz dem Trickfilm verschrieben. Seine neue, frisch Oscar®-prämierte Animation „Flow“ fasziniert vom Start weg mit einem attraktiven Look, der irgendwo zwischen naturrealistisch und schemenhaft angesiedelt ist. Sie erzählt eine auf den ersten Blick recht simpel erscheinende Tiergeschichte, die jedoch schon auf den zweiten Blick allerhand Interpretationsspielraum lässt und bald schon eine unheimliche Tiefe entwickelt. Dass der Regisseur dabei ausschließlich auf seine naturalistischen Bilder mit allenfalls vereinzelt eingestreuten Tierlauten setzt und somit komplett ohne gesprochene Worte auskommt, ist keinesfalls von Nachteil. Ganz im Gegenteil lässt er uns damit in eine Welt eintauchen, in der er in virtuoser 3D-Optik die traumartige Reise mehrerer Tiere begleitet.

Wir nehmen von Anfang an die Perspektive seiner Hauptfigur, einer schwarzen Katze, ein – heißt sie vielleicht sogar „Flow“? Hypothetisch, wir werden es nicht erfahren, denn sie streift allein durch einen wunderschönen, grünen Wald und trifft dort bald auf andere Tiere. Allesamt treten sie hier, anders als in den meisten Animationsfilmen, eben nicht vermenschlicht und sprechend auf, sondern agieren wie durch Motion-Capture-Technik eingefangen ganz natürlich. Und doch wirken sie irgendwie domestiziert, fehlt ihnen die letzte Wildheit, auch wenn es in Zilbalodis‘ Welt keine Menschen (mehr?) zu geben scheint. Von deren Existenz allerdings zeugt zumindest das verlassene Haus im Wald, in dem die Katze wie selbstverständlich ganz ohne Scheu herumstromert.

Ein erster Ansatzpunkt für unsere Spekulationen, zu denen uns der Film noch reichlich Gelegenheit geben wird. Mit der Ruhe des friedlichen Herumstreunens jedenfalls ist es für die Katze bald vorbei, wird sie erst von einem aggressiven Rudel Hunde durch den Wald gehetzt nur um kurze Zeit später von einem merkwürdigen, imposanten Grollen aus dem Hund-und-Katz-Spiel gerissen zu werden. Wie aus dem Nichts schwappt da eine gigantische Flutwelle durch den eben noch idyllisch daliegenden Forst, vor der sich in einer gefährlichen Fluchtbewegung alle Waldbewohner irgendwie zu retten versuchen.

"Flow" Szenenbild (© 2024 Dream Well Studio, Sacrebleu Productions, Take Five)

(© 2024 Dream Well Studio, Sacrebleu Productions, Take Five)

So sucht auch die Katze den höchsten erreichbaren Punkt und sieht bei weiter steigendem Pegel schon ihre Hoffnung schwinden, als ein Segelboot vorbeitreibt und Rettung verheißt. Von da an ist in Zilbalodis‘ Film irgendwie alles im „Flow“, das Boot schwimmt ruhig auf dem plötzlich gar nicht mehr bedrohlich wirkenden Wasser ziellos vor sich hin, und unsere Katze kann sich nach der anfänglichen Aufregung endlich sicher fühlen. Sicher? Nicht unbedingt, schließlich ist sie nicht allein an Bord, sondern bildet schnell eine schicksalhafte Reisegesellschaft mit einem trägen Wasserschwein, einem diebischen Lemuren, einem gutmütigen Labrador und einem majestätischen Sekretär, der sie gerade eben noch gegen die Angriffe seiner Artgenossen verteidigt hat.

Nicht nur das lässt deutlich menschliche Verhaltensmuster erkennen, denn geschickt baut der Regisseur immer wieder konfliktreiche Situationen in die Bootsfahrt ein, in denen er bei allem fein eingefangenen, tierisch instinktiven Handeln auch regelmäßig menschlich-soziale Züge dezent auf seine Figuren appliziert. Dabei geht es ihm nicht nur um das durch natürliche Gegebenheiten erzeugte Machtgerangel an Bord, dem sich die so unterschiedlichen Tiere auch auf dem Boot nicht entziehen können. Viel mehr transportiert sein Film die Botschaft, dass eine Kooperation manchmal alternativlos ist, will man ein gemeinsames Ziel erreichen. Dahinter kommt schließlich auch seine nautische Schicksalsgemeinschaft, je länger sie zusammen auf dem Segelschiff ausharren muss, und meistert so gemeinsam die fatale Lage.

Das alles fügt Zilbalodis zu einem nicht nur visuell ungeheuer beeindruckenden Gesamtbild, das trotz der recht unspektakulären Reise der Tiere vor allem allerlei auch politische Deutungsmöglichkeiten bietet und so mit seiner Metaphorik bestens unterhält. Gerade in den leisen Momenten seiner fast poetischen Animation stellt man sich da unweigerlich die entscheidenden Fragen. Ist das die menschgemachte Preapokalypse, der sie selbst schon erlegen sind? Oder sind die Menschen längst irgendwo in Sicherheit und lassen die Tiere ihre Probleme im wahrsten Wortsinn ausbaden? Und obwohl wir in der Realität bedenklich auf eben diese Verhältnisse zusteuern, entlässt uns der tiefgründige Streifen am Ende mit dem positiven Gefühl, dass der Wille zur Gemeinschaft zur Not Berge versetzen kann.

Trailer:

Bewertung: 9 von 10 Punkten

 

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