How to Have Sex
Darsteller: Mia McKenna-Bruce, Shaun Thomas, Lara Peake, Samuel Bottomley
Regie: Molly Manning Walker
Dauer: 91 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.capelight.de/how-to-have-sex
Facebook: facebook.com/capelightpictures
Kinostart: 7. Dezember 2023
Die Mittelstufe haben sie gerade mehr oder weniger erfolgreich hinter sich gebracht. Jetzt stehen die 16-järigen Schulkameradinnen Tara, Em und Skye vor einer ungewissen Zukunft und haben eigentlich nur noch eins im Sinn: ordentlich die Sau rauslassen. Wo ginge das besser als in der Partyhochburg Malia auf Kreta, wo sie im Cluburlaub den Alltag vergessen wollen und dabei noch dazu fast ausschließlich auf Gleichgesinnte treffen? Regisseurin und Drehbuchautorin Molly Manning Walker baut ihr Spielfilmdebüt „How to Have Sex“ nach eigenen Angaben auf eigenen Erlebnissen auf, die sie in jungen Jahren selbst reichlich irritierten, als sie auch im Urlaub nahezu ununterbrochen mit dem Thema Sex konfrontiert wurde.
Dementsprechend sexualisiert gerät dann auch ihre Version des Cluburlaubs, in dem ihre drei englischen Mädels im vollen Partymodus gleich nach ihrer Ankunft im in jeglicher Hinsicht heißen Süden mächtig Gas geben. Und schließlich steht – der Titel des Films kommt ja nicht von ungefähr – für Tara (Mia McKenna-Bruce), als einzige der drei noch Jungfrau, auch noch ihr erster Sex ganz oben auf der Agenda. Manning Walker verlangt uns da anfangs schon einiges ab, wenn sie uns mitten hineinwirft in die laute, exzessive Dauerparty der Horden von hormongesteuerten Jugendlichen, bei der es außer um den nächsten Vollrausch letztendlich immer nur um Sex geht. Es wird gesoffen, geflirtet, rumgemacht und gekotzt bei den drei Freundinnen, und dann geht das Ganze wieder von vorne los.
Damit nervt uns die Regisseurin doch gewaltig, kreiert aber gerade dadurch eine Atmosphäre, die all das spiegelt, für das sie ja alle angereist sind, von den Animateuren organisierte Sexspielchen inklusive. Alles kann, nichts muss – auch für unsere drei Mädchen, die schon bei der ersten Begegnung mit den frechen Jungs vom Nachbarbalkon spärlich bekleidet deutliches Interesse signalisieren. Aber gilt das auch für Tara, die sich bald als sehr viel sensibler entpuppt als sie tut, oder spürt sie bei der Ominpräsenz von Sex nur den immer größer werdenden Gruppenzwang, endlich voll dazugehören zu müssen?
Wichtige Fragen, die Manning Walker erst stellt, als uns von den schnell geschnittenen, prolligen Suffeskapaden und dem Musikgewummer längst der Schädel dröhnt. Ein Zwiespalt aber, den die wunderbare Mia McKenna-Bruce mit Unschuldsmiene ungemein authentisch transportiert. Gelegenheiten gibt es angesichts eindeutiger Angebote der Jungs genug, die ja auch nahezu allesamt nur auf der Suche nach der nächstbesten Sexpartnerin sind. Und der ungeheuer peinliche, den Druck nur noch erhöhende Moment ist für Tara beim zimmerübergreifenden Saufspiel obendrein schnell provoziert, da können sich die Freundinnen einander noch so sehr verbunden fühlen.
So scheint es für Tara auf den forschen Spaßvogel Badger (Shaun Thomas) hinauszulaufen, der sich allerdings als empathischer herausstellt, als es anfangs den Anschein hat. Ganz im Gegensatz zu seinem gutaussehenden Kumpel Paddy (Samuel Bottomley), der generell ohne Skrupel schnell zur Sache kommen will. Das tut er dann auch bei Tara am nächtlichen Strand mit, kaum verwunderlich, einer Menge Alkohol im Spiel, und wir befinden uns hart an der Grenze zur Übergriffigkeit, würde er sich nicht explizit Taras Einverständnis versichern. Und doch möchte man ihr „Tu’s nicht!“ zurufen, so falsch fühlt es sich in dieser Situation einfach an, da kann noch so viel Druck von ihr abfallen, und sie sich am nächsten Morgen noch so stolz endlich als Mitglied des Clubs fühlen. Noch dazu kann von Einvernehmlichkeit oder gar Vergnügen schon am nächsten Tag beim besten Willen keine Rede mehr sein, als sie sich nach einem zweiten Beischlaf endgültig zum reinen Objekt degradiert fühlt.
Das alles präsentiert uns die Regisseurin überaus feinfühlig, wenn sie Tara ganz nah mit der Kamera begleitet, deren wechselnden Gemütszustand dabei mit einer beeindruckend ausdrucksstarken Mia McKenna-Bruce einfängt. Da wird das Mädchen erst mit zeitlichem Abstand und mit deutlich sinkendem Alkoholpegel von Emotionen überrollt, die die Teenagerin in ein kaum zu beherrschendes Gefühlschaos stürzen und mit Freude über das Erlebte nichts mehr zu tun haben. Das eingangs gemalte, belanglose Stimmungsbild von einer hedonistischen, jugendlichen Spaßgesellschaft kriegt so gerade noch rechtzeitig die Kurve zu einem Drama mit erstaunlicher Tiefe, das immer noch vorherrschende Rollenbilder und Konventionen hinterfragt und zur sensiblen menschlichen Seele ins Verhältnis setzt. So sehr hat man sich als Mann noch nie wie eine Teenagerin gefühlt, die gerade zum ersten Mal Sex hatte.
Trailer:
Bewertung: 6 von 10 Punkten