Imaginary
Darsteller: DeWanda Wise, Tom Payne, Taegen Burns, Pyper Braun
Regie: Jeff Wadlow
Dauer: 104 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: www.leoninedistribution.com/filme/172809/imaginary.html
Facebook: facebook.com/LEONINEStudios
Kinostart: 14. März 2024
Nachdem der US-amerikanische Regisseur Jeff Wadlow mit seinem Debüt “Cry Wolf” (2005) einen Slasher-vorlegte, versuchte er sich mit dem Actionfilm “The Fighters” (2008), der Comic-Verfilmung “Kick-Ass 2” (2013) und der Netflix-Action-Komödie “True Memoirs of an International Assassin” (2016) erst einmal in anderen Genres. Dann aber hatte er doch anscheinend wieder sehr viel mehr Lust auf Horrorfilme und konzentrierte sich rein auf diese, mit “Wahrheit oder Pflicht” (2018), “Fantasy Island” (2020) und dem auch humorvollen “The Curse of Bridge Hollow” (2022). Gute Kritiken erhielten die letztgenannten Filme alle nicht sehr viele, aber das ist für die Macher das Schöne am Grusel- und Schocker-Fach … das Publikum strömt selbst in dürftige Streifen und macht sie zu finanziellen Erfolgen, wenn ein größerer Verleih mit im Spiel ist und entsprechend in Werbung investiert, eine namhafte Produktionsfirma auf dem Plakat steht oder ein bekanntes Franchise aufgekocht wird.
Bei Wadlows neuem Film “Imaginary” werden die Genre-Fans durch einen im Halbschatten traurig düster dreinschauenden Teddy und die Nennung von Blumhouse Productions angelockt. Letztere waren einst mit den “Paranormal Activity”-Angstmachern voll durchgestartet und erarbeiteten sich auch mit der “The Purge”-Reihe, dem Überraschungserfolg “Get Out” oder dem 2018er-“Halloween” einen guten Namen. Die Schockerschmiede bot im Laufe der Jahre aber doch einen Mix aus starken Streifen, zu denen auch “Freaky”, “The Black Phone” oder “M3GAN” gehören, und erschreckend dürftigen wie “Ma”, die “Black Christmas”-Neuadaption oder eben auch Wadlows “Fantasy Island”. Neben “M3GAN” steht nun auch “Five Nights at Freddy’s” als Blumhouse-Referenz mit auf dem Plakat von “Imaginary” – ein weiteres gutes Beispiel für lauen Horror mit immensem Erfolg.
“Imaginary” macht zunächst einmal sehr viel richtig und nutzt über lange Phasen das anfängliche Markenzeichen von Blumhouse, aus verhältnismäßig geringem Budget mit gutem Gespür für Bilder und Stimmung eine düstere, Spannung erzeugende Atmosphäre aufzubauen. Wir lernen Jessica (DeWanda Wise) kennen, die mit ihrem neuen Partner Max (Tom Payne) und seinen beiden Töchtern aus aus erster Ehe, der kleinen, ruhigeren Alice (Pyper Braun) und der quirlig aufmüpfigen Teenagerin Taylor (Taegen Burns), in ihr altes Elternhaus zurück zieht, nachdem ihr Vater in ein Pflegeheim gebracht werden musste. Frühe Zeichnungen an den Wänden ihres alten Kinderzimmers erinnern Jessica an die Kindheit, in der allerdings nicht alles rosig verlief, wie wir später zusammen mit der Kinderbuch-Autorin und -Illustratorin lernen sollen, die erfolgreich ein Trauma verdrängt hat.
Während Jessica sich größte Mühe gibt, als Mutter-Ersatz zu funktionieren und zumindest von der ihr gegenüber noch offener erscheinenden Alice auch mit Zuneigung angenommen zu werden, entdeckt selbige beim Versteckenspielen im Keller in einem mysteriösen Geheimraum einen alten Stoff-Teddybär, den sie zu sich nimmt. Chauncey soll er heißen und wird umgehend weit mehr als ein Spielzeug, nämlich Alices bester Kumpel, mit dem sie ihre Zeit verbringt und auch mit ihm spricht, als wäre er lebendig. Da imaginäre Freunde bei Kindern nicht ungewöhnlich sind, macht sich Jessica zunächst keine Sorgen, dann aber entdeckt sie eine Liste von Aufgaben, die Chauncey für Alice zusammengestellt hat, von harmlosen Spielereien und Streichen bis hin zur Aufforderung, sich weh zu tun. Als wenn die Sorge hierüber nicht ausreicht, erscheint auch noch die alte Nachbarin Gloria (Betty Buckley) und konfrontiert Jessica nicht nur damit, dass sie früher ihre Babysitterin war – anscheinend gibt es hier einiges mehr, an das sie sich nicht erinnern kann.
Die Story von “Imaginary” klingt zunächst recht typisch für einen Horrorfilm, mit einem unschuldigen Kind und einem neu entdeckten Spielzeug, das Böses bringt. Wo woanders dann aber eine Puppe zur Waffe greift und fiese Schulkameraden oder nervige Nachbarn abmurkst, bleibt Chauncey passiv und schaut höchstens mal grimmig drein. Alice ist es, die durch seine Steuerung aktiv und auch immer undurchschaubarer wird. Aber was hat es mit Chauncey auf sich? Die konsultierte Kinder-Psychologin versucht, Licht ins Dunkel zu bringen, aber liegt die Lösung nicht vielleicht in Jessicas eigener Vergangenheit?
Die Art und Weise, wie “Imaginary” die Charaktere einführt und dann auch Chauncey auf den Plan tritt, weiß zu gefallen. Jeff Wadlow, der auch am Drehbuch mitgeschrieben und mit Blumhouse-Mastermind Jason Blum zusammen produziert hat, gelingt es, eine immer düster werdende Atmosphäre zu kreieren und somit Spannung zu erzeugen, mit einfachen Mitteln wie besonderen Kamera-Einstellungen, kleinen, nicht überfrachteten Jump-Scares und passenden Klängen. Dass dies lange gut funktioniert, liegt auch am starken Spiel der kleinen Pyper Braun, die der unschuldigen Alice genau den richtigen Ausdruck verleiht.
Leider aber verschenkt “Imaginary” dann sehr viel, nicht nur durch unausgearbeitet erscheinende Zusatzfiguren wie den Nachbars-Teenager Liam, sondern vor allem dadurch, dass der Streifen Richtung Ende eine ganz andere, surreale Welt eröffnet. Hier kommt man sich plötzlich vor, als würde man einen komplett anderen Film schauen, mit billig anmutendem Bösen in wenig funktionierenden Kulissen, gekrönt von dürftigen Spezialeffekten. Wie schade, dieses sicher weit aufwändigere und kostenintensivere Finale wertet einen Film nämlich deutlich ab, der lange zu gefallen wusste. Ärgerlich, und trotzdem ist “Imaginary” im großen Pool der zuletzt gesehenen Horrorfilme bei weitem nicht am unteren Ende angesiedelt, sondern reiht sich im Mittelfeld ein unter “kann man sehen, muss man aber nicht”.
Trailer:
Bewertung: 5 von 10 Punkten