Home Film “Killers of the Flower Moon” – Scorseses episches Westerndrama über ein dunkles Kapitel amerikanischer Geschichte

“Killers of the Flower Moon” – Scorseses episches Westerndrama über ein dunkles Kapitel amerikanischer Geschichte

Autor: Mick

"Killers of the Flower Moon" Filmplakat (© 2023 Apple Inc. All rights reserved.)

Killers of the Flower Moon

Darsteller: Leonardo DiCaprio, Robert De Niro, Lily Gladstone, Jesse Plemons
Regie: Martin Scorsese
Dauer: 206 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.killersoftheflowermoon-kinofilm.de
Facebook: facebook.com/Paramount.Pictures.Germany.Kino
Kinostart: 19. Oktober 2023


Kultregisseur Martin Scorsese („Taxi Driver“, „Wolf of Wall Street“) hat es wieder getan. Sowieso nicht dafür bekannt, sich bei seinen Abhandlungen über Gier, Verbrechen und Kompromittierung besonders kurz zu fassen, ging letztens auch sein Netflix-Mafiaepos „The Irishman“ nicht unter dreieinhalb Stunden über die Bühne. Jetzt präsentiert er uns also sein neues Westerndrama „Killers of the Flower Moon“, das in ungefähr gleicher epischer Länge ein dunkles Kapitel amerikanischer Geschichte beleuchtet, über das sonst gerne der Mantel des Schweigens gedeckt wird. Basierend auf David Granns gleichnamiger akribischer Recherchearbeit in Buchform schildert er uns darin bedrückend das Schicksal der indigenen Osage, von denen in den 1920er Jahren viele Opfer einer mysteriösen, landläufig ignorierten Mordserie wurden.

Ihren Ursprung hat die schon Ende des 19. Jahrhunderts, als die Osage, vorher von europäischen Siedlern rücksichtslos aus ihrer Heimat Missouri auf zugewiesenen Boden nach Oklahoma vertrieben, praktisch über Nacht zu den reichsten Menschen der Welt wurden, weil unter ihrem Land reichhaltige Ölvorkommen entdeckt wurden. Und wie eindrucksvoll setzt Scorsese anfangs die Basis seines erschütternden Dramas in Szene, die für den Indianerstamm Fluch und Segen zugleich sein soll: In Superzeitlupe prasselt das Schwarze Gold auf die Menschen nieder, die gar nicht wissen, wie ihnen geschieht, platscht dabei bedeutungsschwer in Nahaufnahme schmutzig auf ihre Gesichter und Leiber. Das aber begründet nicht nur unermesslichen Wohlstand und eine unerwartete Umkehr der Machtverhältnisse, sondern weckt natürlich gleichzeitig Interessen der weißen Bevölkerung, die plötzlich in der Rolle der Bittsteller auf nicht immer legalen Wegen vom Reichtum der Ureinwohner profitieren wollen.

Genauso wie der unbedarfte Weltkriegsheimkehrer Ernest Burkhart und dessen Onkel William Hale, die Scorsese hier mit seinen Leib-und-Magen-Schauspielern Leonardo DiCaprio und Robert De Niro besetzt und allein damit sein Werk zu einem absoluten Erlebnis macht. Denn so empörend die reinen Fakten der Vorkommnisse um die Osage auch sein mögen, zum Leben erweckt werden sie erst durch das beeindruckende Spiel der beiden Hauptdarsteller, das uns unmittelbar einweiht in die oftmals perfiden Pläne der Weißen, an das Vermögen der Indigenen zu kommen. Dabei hat Ernest erstmal gar nichts Böses im Sinn, als er eher wegen ihrer exotischen Schönheit als wegen ihres Geldes mit der ebenso reichen wie ausgeschlafenen Osage-Frau Mollie (fantastisch: Lily Gladstone) anbandelt. Und doch ist die Gier auch bei ihm zumindest latent immer spürbar, die unter den Weißen in Goldgräberstimmung in Fairfax fast schon zum guten Ton gehört.

"Killers of the Flower Moon" Szenenbild (© 2023 Apple Inc. All rights reserved.)

Lily Gladstone und Leonardo DiCaprio in “Killers of the Flower Moon” (© 2023 Apple Inc. All rights reserved.)

Genau diese Ambivalenz verleiht DiCaprio seinem naiv aus dem Krieg zu seinem Onkel ziehenden Ernest und macht damit seine Figur so vielschichtig, dass es eine wahre Freude ist, dem in seinem Beziehungsdreieck zwischen Mollie und Onkel William gefangenen Ernest zuzuschauen. Der steht unter dem bösen Einfluss seines Onkels William, der sich als angesehener Farmer öffentlich gern als Mildtäter und großer Freund der Osage gibt, im Hintergrund aber mit manipulativer Niedertracht die Strippen zieht. Auch Robert De Niro brilliert hier nach diversen komödiantischen Fehltritten mal wieder in seiner Paraderolle des durchtriebenen Paten und repräsentiert damit die rassistischen Siedler, die alles gegen die neureichen Ureinwohner zu unternehmen gewillt sind.

Hier heißt das in erster Linie Erlangen des Landes, das die Osage nach Stammesrecht schlauerweise nicht verkaufen dürfen, um es so im Familienbesitz zu halten. Es bleibt also nur das Einheiraten, das anschließend hinterhältigen Verbrechen Tür und Tor öffnet. So sieht sich auch Mollie – Lily Gladstones wissende Blicke sagen fast mehr als die intensivsten Dialoge – bald einem heimtückischen Mordplan ausgesetzt, während andere Stammesangehörige auch einfach kaltblütig erschossen werden. Das ist im Wissen der Realität der Ereignisse nicht nur ungeheuer empörend, sondern entwickelt mit dem eindrucksvollen Zusammenspiel der drei Hauptdarsteller:innen auch eine packende subtile Spannung.

Die allerdings reicht nicht aus, den Film über die epischen dreieinhalb Stunden zu tragen, die Regieikone Scorsese seiner Mischung aus Thriller und Historiendrama hier gönnt, um auch die Ermittlungsarbeit des neu gegründeten FBI genügend zu berücksichtigen, damit jedoch ein wenig übers Ziel hinausschießt. Und doch überzeugt sein erhellendes Werk, das einen wichtigen Blick auf das Schicksal der indigenen Osage wirft, mit enormer schauspielerischer Intensität, die einen zeitweise fast schmerzhaft mitnimmt.

Trailer:

Bewertung: 8 von 10 Punkten

 

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