Home Film “Kinds of Kindness” – in Yorgos Lanthimos’ filmischen Triptychon brilliert Jesse Plemons

“Kinds of Kindness” – in Yorgos Lanthimos’ filmischen Triptychon brilliert Jesse Plemons

Autor: Tobi

"Kinds of Kindness" Filmplakat (© Disney)

Kinds of Kindness

Darsteller: Jesse Plemons, Emma Stone, Willem Dafoe, Margaret Qualley
Regie: Yorgos Lanthimos
Dauer: 165 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: www.searchlightpictures.com/kinds-of-kindness
Facebook: facebook.com/20thCenturyStudiosDE
Kinostart: 4. Juli 2024


Nachdem der griechische Regisseur Yorgos Lanthimos letztes Jahr mit dem vierfach Oscar®-prämierten “Poor Things” (lies unsere Filmkritik hier) ein bildgewaltiges, ebenso skurriles wie unterhaltsames Meisterwerk vorlegte, für das er wie schon beim 2018er-Historienfilm “The Favourite – Intrigen und Irrsinn” mit dem australischen Drehbuchautor Tony McNamara zusammenarbeitete, setzt er nun die Kollaboration mit seinem Landsmann Efthimis Filippou fort. Diese führte in der Vergangenheit zu mit mehr Hang zu Dystopie und Abgründigkeit durchaus weniger massentauglichen, aber auch sehr beliebten Streifen wie den Dramen “Dogtooth” (2009) und “Alpen” (2011), der absurden, schwarzhumorigen Liebesgeschichte “The Lobster” und dem Psycho-Thriller “The Killing of a Sacred Deer” (2017). Zu all diesen Filmen verfassten Lanthimos und Filippou zusammen das jeweilige Drehbuch, so wie auch jetzt zu “Kinds of Kindness”.

In nicht weniger als 165 Minuten bescheren die beiden uns drei unterschiedliche Geschichten, in denen jeweils wie schon bei “Poor Things” Emma Stone und Willem Dafoe mitwirken, außerdem Jesse Plemons, Margaret Qualley und Hong Chau sowie etwas mehr am Rande Joe Alwyn und Mamoudou Athie. Sie alle spielen drei verschiedene Rollen, denn die nicht verschachtelt, sondern separiert nacheinander erzählten Episoden haben fast nichts miteinander zu tun, und doch geht es stets um toxische Abhängigkeiten. Einzig die Randfigur R.M.F. (Yorgos Stefanakos) ist in allen drei Stories vertreten, sogar in den Kapiteltiteln des filmischen Triptychons.

Im eröffnenden “The Death of R.M.F.” lernen wir Robert (Plemons) kennen, der ein gutes Leben zu führen scheint – beruflich erfolgreich, privat glücklich in einem prachtvollen Haus mit Ehefrau Sarah (Chau) lebend. Bald aber wird klar, dass es ihm nur so gut geht, weil er von seinem Boss Raymond (Dafoe) sein gesamtes Handeln bestimmen lässt und einfach alles für ihn tut. Alles? Nein, als Raymond von ihm fordert, an einem festgelegten Ort und Zeitpunkt ein hier dann anzutreffendes Auto zu rammen und den Insassen (R.M.F.) möglichst schwerwiegend zu verletzen, da scheitert der gutherzige Robert beim ersten Versuch und weigert sich, einen zweiten zu unternehmen – und prompt lässt Raymond ihn nach allen Regeln der Despoten-Kunst fallen, zerstört sein Glück. Robert ist überfordert von der Notwendigkeit, nun wieder eigene Entscheidungen zu treffen, und geschockt davon, wie schnell sein gutes Leben zerbröselt – also bittet er Raymond um Verzeihung, der aber hart bleibt, hat er in Rita (Stone) doch schon Ersatz gefunden.

Die mittlere Geschichte “R.M.F. is Flying” beschert uns Plemons als Polizist Daniel, dessen Frau Liz (Stone) als Meeresbiologin seit einem Einsatz im Ozean verschollen ist. Als er erfährt, dass sie nun doch von einem Hubschrauberpiloten namens R.M.F. gerettet wurde, freut er sich natürlich über ihre Rückkehr, muss aber dann feststellen, dass sich Liz völlig anders verhält als zuvor. Da ihre Füße nicht mal mehr in die eigenen Schuhe passen, ist für Daniel klar, dass dies nicht Liz sein könne, also beginnt er, sich ihr gegenüber alles andere als liebevoll zu verhalten.

Abschließend nimmt uns “R.M.F. Eats a Sandwich” mit in eine obskure Wassersekte, in der Emily (Stone) und Andrew (Plemons) für Sektenführer Omi (Dafoe) nach einer Frau suchen, die Tote wieder zum Leben erwecken kann. Parallel hierzu trifft sich Emily heimlich regelmäßig mit ihrem gefühlstechnisch längst abgenabelten Mann Joseph (Alwyn) und ihrer Tochter, und bei einem Restaurantbesuch dann begegnet sie Rebecca (Qualley), von der sie schon als Heilsbringerin geträumt hat, die aber erklärt, es könne sich hierbei nur um ihre Zwillingsschwester Ruth handeln.

"Kinds of Kindness" Szenenbild (© Disney)

(© Disney)

So richtig reizvoll klingt das Geschilderte vielleicht nicht, “Kinds of Kindness” weiß aber durchaus zu unterhalten mit jeder Menge an schwarzem Humor, skurrilen Charakteren und diversen Twists, auf die wir hier natürlich nicht groß eingehen wollen, ebenso wie auf tiefere Aspekte der Handlungen. In jedem Fall aber gelingt es Yorgos Lanthimos, die 165 Minuten so zu füllen, dass sie einem nicht so lang vorkommen – wobei ein bisschen Einkürzen schon insgesamt gut getan hätte.

War in “Poor Things” Emma Stone noch der als “Beste Hauptdarstellerin” Oscar®-ausgezeichnete Star, so ist es hier Jesse Plemons, der groß aufspielt und in den so verschiedenen Rollen seine Wandlungsfähigkeit grandios beweisen kann – nicht umsonst wurde er bei den 77. Internationalen Filmfestspielen von Cannes für seine Leistung als “Bester Darsteller” geehrt. Mit Willem Dafoe, Margaret Qualley und Hong Chau sind die weiteren Rollen namhaft besetzt und auch diese spielen gut, was genauso für Joe Alwyn und Mamoudou Athie gilt.

Denkt man zunächst noch, die drei Geschichten von “Kinds of Kindness” würden vielleicht noch eine stärkere Verknüpfung offenbaren, so ist es tatsächlich nur besagter, kein Wort sagender und nur marginal erwähnter R.M.F. (in der letzten Episode zunächst tot) als Figur. Inhaltlich wird aber schon eine Bande geknüpft, wenn es um Abhängigkeit geht, um Kontrolle und Misstrauen. Und nebenbei gibt es noch diverse Details, die Freude bereiten, seien es die handgeschriebenen, genauen Vorgaben zu Roberts Leben bis hin zum Zeitpunkt des ehelichen Geschlechtsverkehrs, sei es der von Raymond geschenkte, einst von John McEnroe zertrümmerte Tennisschläger als Symbol enger Verbundenheit, sei es eine unerwartete Gruppensex-Szene oder eine tanzende Emma Stone. “Kinds of Kindness” ist kein Meisterwerk, aber auch keine Enttäuschung, schon dank seiner tollen, stark spielenden DarstellerInnen.

Trailer:

Bewertung: 7 von 10 Punkten

 

Related Articles