Home Film “Me, We” – dramatische Gesellschaftsstudie über viermal unterschiedlichen Umgang mit Migration

“Me, We” – dramatische Gesellschaftsstudie über viermal unterschiedlichen Umgang mit Migration

Autor: Mick

"Me, We" Filmplakat (© FOUR GUYS Film Distribution)

Me, We

Darsteller: Verena Altenberger, Lukas Miko, Barbara Romaner, Alexander Srtschin
Regie: David Clay Diaz
Dauer: 115 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.mewe-film.de
Facebook: facebook.com/fourguysfilmdistribution


Schon oft war die Flüchtlingskrise, die sich im Jahr 2015 in Europa verschärfte, auch Thema von Kinofilmen. Allesamt betrachteten sie sie aber überwiegend aus der Perspektive der Geflüchteten, die ja oftmals furchtbare Schicksale erlitten. Für sein österreichisches Drama „Me, We“ wählt jetzt der selbst aus Paraguay stammende David Clay Diaz einen anderen Blickwinkel und schaut sich den Umgang der europäischen Gesellschaft mit der vermehrten Immigration am Beispiel von vier Österreichern an. Die sind so verschieden, wie sie nur sein können, wollen aber mit ihren unterschiedlichen Ansätzen irgendwie alle zur Entschärfung einer Situation beitragen, die reichlich Konfliktpotenzial besitzt und die sie selbst nur in ihrem eigenen Mikrokosmos beeinflussen können.

Alles fängt mit dem halbstarken Marcel (Alexander Srtschin) an, der ständig Auseinandersetzungen mit Flüchtlingen sucht, aus denen er und seine gleichgesinnten Kumpels oft nur mit gewaltigem Gesichtsverlust hervorgehen. Kein Wunder also, dass sich bei ihm eine latente Unzufriedenheit einstellt, der er mit einer seiner Meinung nach grandiosen, gemeinnützigen Idee begegnet: Er gründet mit seiner fremdenfeindlichen Moped-Gang einen kostenlosen Geleitschutz für junge Frauen, der sie vor Übergriffen von Migranten bewahren soll.

Ganz anders nimmt Marie (Verena Altenberger) die Krise in Angriff, der sie letztendlich genauso ohnmächtig gegenübersteht. Sie nämlich widersetzt sich dieser Ohnmacht, indem sie sich sich voller Tatendrang nach Griechenland aufmacht, wo sie für eine NGO in einem Camp selbstlos Bootsflüchtlinge betreuen will. Doch ihr Aktivismus erhält gleich einen herben Dämpfer, als sie das Lager mehr oder weniger verwaist vorfindet. Daraufhin verfällt sie in relativ ungesteuerten, naiven Aktionismus und startet, durch die Blockade von Behördenseite zur Untätigkeit verdammt, mit einem Motorboot eigenmächtig einen halsbrecherischen Rettungsversuch.

"Me, We" Szenenbild (© coop99 Filmproduktion GmbH)

(© coop99 Filmproduktion GmbH)

Gerald (Lukas Miko) dagegen widmet sich als Leiter eines Asylbewerberheims ganz der Betreuung junger Geflüchteter, bei der er jeden Tag bemüht ist, den vom Schicksal Gezeichneten mit größtmöglicher Menschlichkeit zu begegnen. Dass das nur unter Einhaltung gewisser Regeln funktioniert, stößt nicht immer auf Gegenliebe, und als der provokative Heimbewohner Aba immer wieder auf Konfrontationskurs geht, überschreitet selbst der ausgeglichene Gerald schnell die Grenze zur Überforderung. Seine Hilflosigkeit und die strengen Vorgaben der Politik verleiten ihn dann zu einer Handlung, die selbst unter dem Druck der drohenden Schließung seines Heims moralisch nicht vertretbar ist.

Auch die TV-Redakteurin Petra (Barbara Romaner) begegnet der Problematik ganz pragmatisch und hat mit Mohammed (Mehdi Meskar) einen minderjährigen Syrer bei sich zuhause aufgenommen. Dass Integrationshilfe nicht unbedingt bedeutet, dass man dabei auch das Ablegen des kompletten kulturellen Hintergrunds einfordern kann, muss sie erst schmerzvoll lernen. Tatsächlich jedoch stellt sich ihr Engagement als nicht ganz uneigennützig heraus und führt schon bald zu einem bitteren, öffentlich ausgetragenen Streit.

Die zusammenhanglosen Handlungsstränge verwebt Diaz hier zu einem anregenden Drama, das einen regelrecht zu einer Auseinandersetzung mit dem Thema Migration zwingt, zu dem er seine Protagonisten hier eindeutig Stellung beziehen lässt. Immer wieder wechselt er geschickt zwischen den einzelnen Episoden und stellt sie damit in ihrem Verlauf gezielt gegenüber. Dabei kommt er seinen plastischen Figuren mit all ihrem Fehlverhalten so nah, ohne ihr Handeln zu verurteilen, sondern vielmehr Denkanstöße zu dessen Gründen zu liefern. Letztendlich aber stehen wir alle mehr oder weniger überfordert vor einer komplexen Problematik, die wir nur gemeinsam angehen können, oder wie es einst Muhammad Ali mit seinem kürzesten Gedicht der Welt ausdrückte: „Me, We!“.

Trailer:

Bewertung: 6 von 10 Punkten

 

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