One Life
Darsteller: Anthony Hopkins, Lena Olin, Johnny Flynn, Romola Garai
Regie: James Hawes
Dauer: 109 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Facebook: facebook.com/SquareOneEntertainmentGmbH
Kinostart: 28. März 2024
Man kennt das. Eigentlich will man nur ein bisschen Ordnung schaffen, und plötzlich befindet man sich unvermittelt knietief in der eigenen Vergangenheit, die einen dann mindestens den restlichen Tag nicht mehr loslässt. Diesen Ansatz wählt hier der britische Fernsehserien-Regisseur James Hawes, um uns in seinem Kinodebüt „One Life“ die wahre Geschichte des englischen Bänkers und Börsenmaklers Nicholas Winton zu erzählen, der bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs Hunderten von jüdischen Kindern das Leben rettete.
Der inzwischen fast 80-jährige Winton (Anthony Hopkins) nämlich räumt 1988 auf Drängen seiner Frau Grete (Lena Olin) ganz harmlos mal wieder sein überquellendes Arbeitszimmer auf, als er dabei auf seine alte Aktentasche mit Fotos und Unterlagen stößt, die in ihm augenblicklich eine gedankliche Zeitreise auslöst. Ein auf den ersten Blick zwar etwas konstruiert wirkender, dafür aber umso effektiverer Einstieg von Hawes in sein Winton-Biopic, in dem er uns genau genommen lediglich zwei kurze Ausschnitte aus dem bedeutsamen Leben seines Landsmanns präsentiert.
Die trennen ganze fünfzig Jahre, und so befinden wir uns sofort nach dem 80er-Jahre-Intro vom Fund der Aktentasche ausgelöst im Jahr 1938. Eigentlich will sich da der erfolgreiche Bänker Nicky Winton (jetzt: Johnny Flynn) von London aus in den wohlverdienten Weihnachtsurlaub verabschieden, stattdessen jedoch verschlägt es ihn auf Einladung eines Freundes ins winterliche Prag, wo ihm das geballte Elend der nach der Besetzung des Sudetenlands vor den Deutschen geflohenen Kinder entgegenschlägt. Teils in überfüllten Lagern unter erbärmlichen Bedingungen hausend, teils auf der Straße hungernd, zögern die letztendlich wohl nur ihren bevorstehenden Abtransport ins Vernichtungslager hinaus, als der selbst um seine jüdischen Wurzeln wissende Nicky beschließt, dem nicht tatenlos zusehen zu wollen.
Regisseur Hawes geht äußerst konventionell vor, wenn er uns die desaströsen Prager Verhältnisse im schmuddeligen Graubraun seiner Rückblenden unterstützt durch einen überaus pathetischen Soundtrack schildert. Die Motivation seines Philanthropen Nicky allerdings, dessen mitleidige Blicke durch die runde Nickelbrille nur allzu nachvollziehbar sind, begründet er damit hinreichend. Eine Ansprechpartnerin für Nicky ist dann in Doreen (Romola Garai) vom Britischen Komitee für Flüchtlinge auch schnell gefunden, aber die bürokratischen Hürden für eine Flucht der Kinder nach England erweisen sich als ungeahnt hoch.
Um den erfolgreichen Ausgang von Wintons Mission wissend hält sich die Spannung natürlich in engen Grenzen und speist sich daher ausschließlich daraus, wie es ihm und seinen Mitstreitern gelingt, alle noch so hohen Anforderungen der britischen Behörden für eine Aufnahme möglichst vieler Flüchtlingskinder zu erfüllen. Das aber inszeniert Hawes packend, zeigt uns eindrucksvoll, mit welcher Akribie sie von Prag aus die Vermittlung jedes einzelnen Kindes organisieren und dabei in England von Nickys Mutter Babette (Helena Bonham Carter) mit vollem Einsatz unterstützt werden. Selbstverständlich fehlen auch die emotionalen Momente beispielhaft herausgegriffener Einzelschicksale nicht und berühren immer wieder zutiefst, wenn die Kinder endlich in einem der Züge landen oder bei Ankunft in England auf ihre Gasteltern treffen.
Fast noch emotionaler aber wird es in der ebenfalls Tatsachen entsprechenden zweiten Zeitebene fünfzig Jahre später, in die Hawes als Rahmenhandlung für die eigentlichen Vorkommnisse in Prag regelmäßig zurückkehrt, und in der Winton jetzt nach einer geeigneten Verwendung für seine historischen Unterlagen sucht, ohne sich selbst hervorheben zu wollen. Über Umwege landen die bei einer BBC-Fernsehproduktion, die damit prompt eine gefühlige Wiedersehensshow produziert.
Es ist hier wieder einmal dem großartigen Anthony Hopkins geschuldet, dass der wunderbare, selbstlose Charakter des Nicholas Winton so herausgearbeitet wird, dem gegenüber man einfach nur Respekt und Dankbarkeit empfinden kann. Wie viel dankbarer müssen ihm da noch die geretteten 669 (!!!) Menschen und ihre Nachkommen sein, mit denen Winton in der TV-Show konfrontiert wird? Ein höchst emotionaler Schlussmoment eines berührenden Films, der einen bemerkenswerten Menschen gar nicht genug würdigen kann, da darf dann auch ein wenig auf die Tränendrüse gedrückt werden.
Trailer:
Bewertung: 7 von 10 Punkten