Onoda – 10000 Nächte im Dschungel
Darsteller: Yuya Endo, Kanji Tsuda, Tetsuya Chiba, Taiga Nakano
Regie: Arthur Harari
Dauer: 167 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
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Manchmal muss man sich geradezu die Augen reiben, recherchiert man die Geschichte, die hinter einem Film steckt. Beim Kriegsdrama „Onoda – 10000 Nächte im Dschungel“ des Franzosen Arthur Harari reicht einmal Reiben fast nicht aus, so unglaublich erscheint einem das abgebildete wahre Schicksal des japanischen Soldaten Hiro Onoda, das die Handlung allein dadurch schon spektakulär macht. Dementsprechend gespannt widmet man sich den Ausführungen Hararis, der seinen Film an eine Biografie über Onoda anlehnt und uns mitnimmt in die Endphase des Zweiten Weltkriegs.
Da hat der junge Soldat Hiro Onoda (Yuya Endo) nicht die geradlinigste Biografie im ehrbewussten Militär vorzuweisen und landet mit einer Gruppe gleich gelagerter Fälle in einem Ausbildungslager für Spezialeinheiten unter dem rigiden Kommando des unnachgiebigen Majors Taniguchi (Issei Ogata). Der bringt die Aufsässigen fast einer Gehirnwäsche gleich wieder auf Linie und schwört sie so auf ihre ganz besondere Mission zur Verteidigung des Vaterlandes ein, das 1944 unter dem übermächtigen Angriff der Amerikaner schon so gut wie verloren ist.
Mit beeindruckender atmosphärischer Dichte in den engen Ausbildungsräumen des Camps präsentiert uns Regisseur Harari die Psychospielchen des erfahrenen Majors in äußerst emotionalen Rückblenden und legt damit früh den wichtigen logischen Grundstein für seinen knapp dreistündigen Film, bei dem er anfangs gleich mehrere Zeitebenen miteinander verzahnt. Deren Zusammenhang erschließt sich einem zwar nicht immer augenblicklich, gerade dadurch jedoch gibt uns Harari gezielt erste Denkanstöße, die einem den Einstieg in die Thematik wirklich leicht machen.
Und eh wir uns versehen, befinden wir uns auch schon im Regenwald der japanisch besetzten, philippinischen Insel Lubang, auf der Onoda und eine Handvoll weitere Einheiten abgesetzt werden, um das zu tun, was sie laut Ausbilder Taniguchi am besten können: am Leben zu bleiben. Ganz im Gegensatz zur ansonsten vorwiegend verfolgten Strategie der selbstmörderischen Kamikaze-Flieger, die mit ihrem Sturz in den Freitod noch maximalen Schaden anrichten sollen, fühlen sie sich hier ganz dazu verpflichtet, die Insel vom sicheren Rückzugsort im Dschungel aus mit gezielten Guerillaaktionen gegen die Invasion der Amerikaner zu verteidigen, bis das japanische Militär sie abholt. Dass das möglicherweise eine unabsehbare Zeit in Anspruch nehmen kann, ist ihnen schon vor dem Abflug in Fleisch und Blut übergegangen und so verwundert es auch kaum, dass vor allem der enthusiastische Onoda diesen Auftrag mit unbeugsamer Konsequenz verfolgt.
Das alles zeigt uns Harari hautnah in stimmungsvollen Einstellungen, die die schwüle Atmosphäre des philippinischen Regenwalds spiegeln und einem in jeder Sekunde die Beschwerlichkeiten des Spezialeinsatzes vor Augen führen. Fast kämpft man selbst in den sumpfigen Reisfeldern mit den einheimischen Bauern um die spärliche Ernte und versteht nur allzu gut, dass sich die Einheit unter dem Kommando Onodas nach und nach zunächst auf vier und letztendlich auf zwei Personen reduziert. Immer mehr mutiert das Drama dabei zum Psychogramm der verbliebenen Aufrechten, die sich über die Erfüllung ihrer Aufgabe definieren und nur daraus mit wachsender Dauer ihren Lebensmut ziehen.
Vielleicht braucht es deswegen sogar die Laufzeit von zermürbenden drei Stunden, begreift man erst in der Dauerschleife auftretender Konflikte und Zweifel, was es heißt, seinen Auftrag mit eiserner Disziplin aberwitzige 29 Jahre nach dem Ende des Krieges weiterzuverfolgen, als schon alle Kontaktmöglichkeiten ausgeschöpft sind und der inzwischen gealterte Onoda (Kanji Tsuda) trotzdem an ihrer Mission festhält. Am plastischsten wird das bei der im Radio mitverfolgten Mondlandung, die anders als alle gesendeten Kapitulationsaufforderungen nicht angezweifelt wird.
So ganz nebenbei eröffnet Arthur Harari damit eine überaus aktuelle Diskussion um Indoktrination und Fake News, die er mit Onodas Selbstverständnis und etlichen unnötigen Todesopfern in eine eindeutige Richtung lenkt. Fast befremdlich inszeniert er da die Erlösung von Onoda durch seinen damaligen Führungsoffizier Taniguchi, der den erst 1974 (!!!) in das zivile Leben eines anderen Zeitalters entlässt, das Onoda erstmal kennenlernen muss. Hararis Kriegsdrama ist damit nicht nur die aufwühlende Wiedergabe einer unfassbaren Geschichte, sondern obendrein die vielschichtige Auseinandersetzung mit psychologischer Beeinflussung, die von seinen wunderbaren Schauspielern getragen wird.
Trailer:
Bewertung: 7 von 10 Punkten