Past Lives – In einem anderen Leben
Darsteller: Greta Lee, Teo Yoo, John Magaro, Ji Hye Yoon
Regie: Celine Song
Dauer: 106 Minuten
FSK: freigegeben ohne Altersbeschränkung
Website: www.arthaus.de/kino/past_lives-in_einem_anderen_leben
Facebook: facebook.com/ARTHAUS
Gleich die Eingangssequenz stellt uns aus dem Off die Fragen, die uns den ganzen Film über beschäftigen sollen: Aus der Ferne beobachten wir eine Frau, die sich an der Bar von zwei Männern flankiert angeregt mit dem einen unterhält, während der andere aufmerksam aber fast teilnahmslos daneben sitzt. In welcher Beziehung stehen sie zueinander? Ist es ein Paar in Begleitung? Zu wem gehört dann die Frau? Die in jungen Jahren von Südkorea nach Kanada emigrierte Regisseurin und Drehbuchautorin Celine Song gibt darauf keine einfachen Antworten, stützt sich dabei mit ihrem Debütfilm „Past Lives – In einem anderen Leben“ auf ihre eigenen Erfahrungen und baut diese zu einer wunderbaren Liebesgeschichte aus.
Alles beginnt in unbeschwerten Kindertagen, als die beiden Zwölfjährigen Nora (Moon Seung-ah) und Hae Sung (Leem Seung-min) mehr sind als nur Klassenkameraden. Auch wenn sich die genauso schüchterne wie ehrgeizige Nora regelmäßig von Hae Sung zu Tränen hinreißen lässt, sind die beiden unzertrennlichen Freunde fast schon seelenverwandt. Umso schmerzlicher ist der Abschied, als Nora mit ihrer Familie nach Kanada auswandert und mit ihrem koreanischen Namen auch gleich ihre Jugendliebe Hae Sung zurücklassen muss. In Kanada bleibt von der innigen Beziehung bald nicht viel mehr als schöne Erinnerungen an einen so weit entfernt scheinenden Lebensabschnitt.
Zwölf Jahre später ist die Zeit in Korea nichts weiter als wundervolle, verblasste Vergangenheit und Nora (jetzt: Greta Lee) inzwischen auf dem besten Weg, als Autorin in New York Fuß zu fassen, als sie in den unendlichen Weiten der Sozialen Medien auf Hae Sung stößt. Der (jetzt: Teo Yoo) sucht derweil als Maschinenbaustudent in China sein Glück und ist immens erfreut über den erneuten Kontakt zu Nora. Es wird geskypt und schon ist sie wieder da, die Vertrautheit und intensive Verbindung von damals, die jetzt über jedes Gefühl der Nostalgie hinausgeht. Doch trotz des gegenseitig bestätigten, koreanisch-buddhistischen In-Yun, einer weit über das Irdische hinausreichenden Bestimmung füreinander, stecken sie beide fest in ihrem jeweiligen Lebensweg und haben sich bald schon wieder aus den Augen verloren.
Celine Song hat uns eigentlich schon da gewonnen, lässt uns mit ihrer ruhigen, äußerst feinfühligen Inszenierung nicht nur eine ungemeine Nähe zu ihren wunderbar gezeichneten Figuren spüren, sondern bringt uns gleichzeitig zum Reflektieren eigener Lebensentscheidungen, mit denen wir in der Vergangenheit immer wieder Weichen stellen mussten. Genauso wie Nora, die im Rahmen ihres Literaturstipendiums in eine Künstler-WG an die Küste zieht und dort den smarten Arthur (John Magaro) kennenlernt. Irgendwas sträubt sich dabei in uns gegen ihre Entscheidung für ihn, ist sie doch unbewusst auch eine gegen Hae Sung und ihre Bestimmung füreinander, die Song vorher doch so schön herausgearbeitet hat, und der jedes gängige Drehbuch den Weg bereitet hätte.
„Gängig“ aber ist bei Song auch nichts, als Hae Sung weitere zwölf Jahre später zu Besuch in New York ist und auf die inzwischen längst glücklich mit Arthur verheiratete Nora trifft. Als liebesfilmerprobter Konsument in Erwartung einer dramatischen Zuspitzung der Ereignisse überrascht einen die Regisseurin jedoch erneut mit ihrer genauso unspektakulären wie unaufgeregten Beleuchtung der Dreiecksbeziehung, die dadurch unser Interesse aber nicht im Geringsten einbüßt. Es ist vor allem der respektvolle Umgang aller miteinander, die beeindruckt, wenn sie ihre drei Figuren trotz aller Emotionalität unglaublich reif mit der Situation umgehen lässt, in die sie die neuerlich gefühlte tiefe Verbundenheit von Nora und Hae Sung bringt. Mit einfachen, auf das Wesentliche beschränkten Dialogen lässt sie ihren wunderbaren Schauspielern dabei auch den nötigen Platz zwischen den Zeilen und scheut sich auch nicht davor, sie einfach mal wirkungsvoll schweigen zu lassen.
Ihr mit Nostalgie aufgeladenes Liebesdrama wird so zu einer intensiven, tiefgründigen Auseinandersetzung mit den Entscheidungen des Lebens und verpassten Möglichkeiten, der man sich gemeinsam mit Nora und Hae Sung stellen muss. Das stimmt nicht nur ungeheuer melancholisch, sondern geht mit Songs empathischer Herangehensweise ungemein ans Herz. Ob nun Nora in der Bar eher zu Hae Sung oder Arthur gehört, weiß wohl nur Celine Song, wenn überhaupt.
Trailer:
Bewertung: 8 von 10 Punkten