Queer
Darsteller: Daniel Craig, Drew Starkey, Lesley Manville, Jason Schwartzman
Regie: Luca Guadagnino
Dauer: 137 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: mubi.com/de/de/films/queer
Facebook: facebook.com/mubi
Instagram: instagram.com/mubideutschland
Kinostart: 2. Januar 2025
Der englische Begriff “queer” bedeutet eigentlich etwas wie “seltsam” oder “sonderbar”, wird lange aber schon benutzt, um Homosexuelle und andere Personen mit von der traditionellen Norm abweichender geschlechtlicher Identität oder sexueller Orientierung zu beschreiben – anfangs abwertend genutzt, inzwischen aber längst nicht mehr und sogar mit dem sich nicht mehr schlecht anfühlenden Selbstbewusstsein, dass anders sein nur die Norm selbst infrage stellt.
Mit “Queer” bietet Regisseur Luca Guadagnino nun die Verfilmung des halbautobiografischen, gleichnamigen Romans des amerikanischen Schriftstellers William S. Burroughs (“Naked Lunch”), und da Guadagnino in seinen bisherigen Filmen sowohl Homosexualität schon mit in den Fokus stellte wie bei seinem sinnlichen Drama “Call Me by Your Name” (2017) als auch sonderbare Neigungen wie bei “Bones and All” (2022) als Fusion aus Romanze, Coming-of-Age, Roadtrip und Kannibalen-Horror, verrät uns der Titel alleine noch lange nicht, wo die Reise hingeht.
Diese beginnt um 1950 in Mexiko-City, wo der nach einer Drogenrazzia in New Orleans ins Nachbarland geflohene, Opium-süchtige Amerikaner William Lee (Daniel Craig) seine Zeit größtenteils damit verbringt, sich mittels Alkohol und anderer Drogen in den nächsten Rausch zu befördern. Mit Geld ausreichend ausgestattet schlendert er als Lebemann im hellen Leinenanzug durch die Gegend, besucht diverse Bars und vergnügt sich in der Schwulenszene, wobei es für ihn völlig egal ist, ob er denn für Sex nun bezahlen muss oder ihn gratis bekommt.
Als er dann in einer Bar den um einiges jüngeren Eugene Allerton (Drew Starkey) erblickt, bekommt er diesen nicht mehr aus dem Kopf. Dass selbiger eine Freundin zu haben scheint, hält ihn auch nicht ab, sich an ihn heran zu tasten, und der weit gefestigter auftretende Ex-Soldat lässt sich dann tatsächlich auf eine Liebschaft ein – allerdings nicht ohne Entlohnung. Der schwer verknallte Lee ist entzückt und verstört zugleich, denn er durchblickt nicht, was Allerton wirklich fühlt – und so bietet er ihm Geld an, um ihn ohne jegliche sexuelle Verpflichtungen in den südamerikanischen Amazonas-Dschungel zu begleiten, um dort mittels des Yage genannten, halluzinogen wirkenden Extrakts einer besonderen, raren Pflanze zum eigenen Ich vorzustoßen.
Mit “Queer” bietet Luca Guadagnino, dessen letzter Streifen “Challengers – Rivalen” im Frühling 2024 als Mixtur aus Sportfilm und eindringlichem Beziehungsdrama zu gefallen wusste und hierbei auch eine homoerotische Würze beinhaltete, einen Streifen, bei dem es zwar auch um Homosexualität geht, diese ist aber nicht das zentrale Thema – hier steht “queer” also nicht nur für selbige. Vielmehr sehen wir ein Drama um einen zwar wohlhabenden, aber ziemlich heruntergekommenen Lebemann, der sich verliebt und überhaupt nicht einschätzen kann, ob seine Gefühle wirklich erwidert werden oder nicht.
Der dreigeteilte Film nach einem Drehbuch des noch jungen Justin Kuritzkes, der mit seinem Erstwerk für Guadagninos “Challengers” direkt für Aufsehen sorgte, beginnt noch als Beobachtung im Mexiko der 50er-Jahre, welches sich gut anschauen lässt, auch wenn es hier und dort vielleicht etwas zu kulissenhaft wirkt. Trotzdem fängt einen die Stimmung rasch ein, wobei interessanterweise neben gutem Score von Trent Reznor und Atticus Ross auch Lieder verwendet werden, die erst Jahrzehnte später erscheinen sollten, von Sinéad O’Connor, Prince und New Order. Später dann verliert einen der Streifen allerdings etwas, wenn es in den Dschungel geht, wo zwar Lesley Manville als Medizinfrau-artige Langzeit-Bewohnerin Dr. Cotter für interessante Momente sorgt, es aber mit eingestreuter Surrealität in Visionen doch etwas langatmig zugeht.
Daniel Craig spielt den verschwitzt heruntergekommenen William Lee – wie auch der Protagonist in Burroughs’ “Naked Lunch” schon hieß – gut, und auch Drew Starkey agiert sehr ordentlich, eine richtig tolle Chemie zueinander kann man den beiden aber nicht attestieren. In weiteren Rollen neben der erwähnten Lesley Manville sehen wir in der mexikanischen Szene schwuler Expats Jason Schwartzman als fülligen Abhänger Joe und Drew Droege als extravaganten John.
“Queer” gewinnt natürlich Reiz daraus, dass Burroughs hier auch eigene Erlebnisse verarbeitete. Als er in den USA beim Anbau und Vertrieb von Marihuana erwischt wurde, floh er vor der Polizei nach Mexiko-Stadt. Dass er dort 1951 seine Frau Joan erschoss, als er im Suff versuchte, die Apfelszene aus Schillers “Wilhelm Tell” nachzustellen, das findet sich im Buch und Film zwar nicht wieder, wohl aber seine nächste Station in Südamerika, wo er sich tatsächlich auf die Suche nach Yage begab – nachdem ihn Mexiko, das die Tötung als Unfall einstufte und ihn nur für 14 Tage ins Gefängnis steckte, ausgewiesen hatte. So richtig in seinen Bann zieht einen der Film aber nicht.
Trailer:
Bewertung: 6 von 10 Punkten