Home Film “Rabia – Der verlorene Traum” – bestürzendes Drama über das Schicksal europäischer IS-Frauen

“Rabia – Der verlorene Traum” – bestürzendes Drama über das Schicksal europäischer IS-Frauen

Autor: Mick

"Rabia - Der verlorene Traum" Filmplakat (© Alpenrepublik)

Rabia – Der verlorene Traum

Darsteller: Megan Northam, Natacha Krief, Lubna Azabal, Lena Lauzemis
Regie: Mareike Engelhardt
Dauer: 94 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.alpenrepublik.eu/rabia.html
Facebook: facebook.com/profile.php?id=61568529752099
Instagram: instagram.com/alpenrepublikpresents
Kinostart: 23. Januar 2025


Erst mit dem Umsturz des syrischen Regimes und der ungewissen Zukunft des Landes ist der lange Zeit in Vergessenheit geratene Islamische Staat wieder verstärkt ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Ungeachtet der zeitweiligen Missachtung jedoch beschäftigte sich die deutsche Regisseurin Mareike Engelhardt seit 2016 jahrelang intensiv mit dem Schicksal europäischer Frauen, die sich einst ganz in den Dienst des IS gestellt hatten und anschließend desillusioniert aus Syrien nach Europa zurückgekehrt waren. Engelhardts Interviews mit ihnen resultierten im Drehbuch für ihr Spielfilmdebüt „Rabia – Der verlorene Traum“, welches sie uns jetzt ungemein passend zur veränderten geopolitischen Lage präsentiert.

Im Mittelpunkt ihres zwar fiktiven aber auf ihren ausgiebigen Recherchen beruhenden Dramas steht die 19-jährige Französin Jessica (Megan Northam), die von ihrem Leben als Altenpflegerin gründlich die Schnauze voll hat und zusammen mit ihrer besten Freundin Laïla (Natacha Krief) den spontanen Ausbruch plant. Die hat über das Internet einen gutaussehenden IS-Kämpfer kennengelernt und kann es nun kaum erwarten, ihn in Syrien zu heiraten. Ein Abenteuer, das mit religiöser Ideologie wenn überhaupt, dann nur weit entfernt zu tun hat, dem aber auch Jessica einiges abgewinnen kann, so groß ist ihre Sehnsucht, den frustrierenden Alltag in Frankreich so schnell wie möglich hinter sich zu lassen.

Völlig wertungsfrei führt uns Engelhardt hier in ihren Film ein, wenn sie uns die freudige Aufregung ihrer jungen Mädchen hautnah spüren lässt, die sich auf die baldige Ausreise vorbereiten wie auf eine anstehende Klassenfahrt. Da wird die geschickte Einkaufsliste penibel abgearbeitet und in der romantischen Hoffnung auf sexuelle Erfüllung mit dem exotischen, attraktiven Soldaten auch noch schnell eine Intimrasur durchgeführt. Und hätte man nicht schon so manch böse, gleich geartete Geschichte über die Frauen der Terrormiliz gehört, fast könnte man ihre naive Vorfreude teilen, als endlich die Flugtickets nach Syrien eintreffen.

"Rabia - Der verlorene Traum" Szenenbild (©2024 FilmsGrandHuit)

Laïla (Natacha Krief) und Jessica (Megan Northam) in der Madafa
(©2024 FilmsGrandHuit)

Ja, selbst bei der Ankunft im Frauenhaus im nordsyrischen Rakka lässt die Regisseurin durchaus noch Jugendherbergsatmosphäre aufkommen, wenn die Reisegruppe Gleichgesinnter von jungen Helferinnen streng organisiert auf die nach Herkunft getrennten Bettenlager verteilt werden. Einzig das Konfiszieren jeglicher persönlichen Gegenstände inklusive Kleidung, Handys und Pässen kündet da schon von der vollständigen Auslieferung an ein System, das hier von der mit harter Hand regierenden Heimleiterin Madame (Lubna Azabal) repräsentiert wird. Und die führt die Mädchen gleich ihrer Bestimmung zu, irgendwo im Land einem Kämpfer als ergebene Frau zu dienen.

Das allerdings ist für die beiden nicht mehr die smarte Internetbekanntschaft, die inzwischen im Kampf gefallen ist, sondern ein beliebiger Ersatz, der sie auswählt und sich noch vor Ort von ihren Qualitäten als Sexsklavin überzeugen kann. So findet Laïla schnell einen Mann, mit der selbstbewussteren Jessica – als treue Muslimin nunmehr unter Rabia firmierend – aber ist das nicht zu machen, der deswegen im Heim einem Gefängnis gleich unter der rigiden Herrschaft von Madame ein unerwartetes Martyrium bevorsteht. An dessen Ende ist sie bis zur Aufgabe ihrer Selbstbestimmung gebrochen und biedert sich bei der Heimleiterin letztendlich sogar als Denunziantin und Erfüllungsgehilfin an.

Mareike Engelhardt setzt die erschütternden Verhältnisse in der schummrigen Enge des Frauenhauses unheimlich authentisch in Szene, die einen ziemlich mitnehmen, auch weil sie ein System entlarven, dem hauptsächlich Frauen immer neue unterdrückte Frauen zuführen. Wirklich überraschen kann sie uns damit nicht, die nackten Zahlen 42.000 international angeworbener Personen und 25.000 dort geborener Kinder jedoch stimmen dann doch nachdenklich. Die ganz große Stärke ihres Films aber ist das Herausarbeiten der Motivation junger Frauen, sich dem IS anzuschließen. Die macht sie mit der einfühlsamen Darstellung einer gefährlichen Mischung aus Unzufriedenheit und Naivität absolut nachvollziehbar und kontrastiert sie bald aufklärerisch mit den drastischen Folgen in den Heimen des IS. Auch wenn die wegen der vorgesehenen Frauenrolle nachhaltig empören, hätte man sich doch einen genaueren Blick auf den nur angedeuteten Rekrutierungsprozess gewünscht. So nämlich sind Engelhardts Mädels zwar bemitleidenswerte leichte Opfer der Terrororganisation, ein letzter Eindruck des verklärten Selbstverschuldens aber bleibt.

Trailer:

Bewertung: 7 von 10 Punkten

 

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