Red Rooms – Zeugin des Bösen
Darsteller: Juliette Gariépy, Laurie Babin, Natalie Tannous, Maxwell McCabe-Lokos
Regie: Pascal Plante
Dauer: 118 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
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Kinostart: 7. November 2024
Es bleibt lange unklar, wo der Kanadier Pascal Plante mit uns hinwill in seinem neuen Film „Red Rooms – Zeugin des Bösen“, der so gar nicht in eine der gängigen Genreschubladen passen will. Das ist auf jeden Fall ganz erfrischend, wenn sich ein Werk einmal nicht auf den ersten Blick kategorisieren lässt und uns ganz einfach mitnimmt auf seine kaum vorhersehbare Reise. Später teilweise Psychogramm, teilweise Thriller mit dramatischen Anflügen, startet Regisseur Plante jedoch zunächst mit einem klassischen Gerichtsfilmplot, als er uns detailliert einführt in seine ungemütliche Thematik.
Es geht um widerwärtige Verbrechen, die Ludovic Chevalier (Maxwell McCabe-Lokos) zur Last gelegt werden. Der steht in Montreal vor Gericht, weil er drei junge Mädchen vor laufender Kamera auf bestialische Weise misshandelt und getötet haben soll. Und als wäre das nicht schon genug der Perversion, wurden die Aufnahmen auch gleich im anonymen Darknet zu Verfügung gestellt und damit in den titelgebenden Foren, den sogenannten „Red Rooms“, horrende Summen erlöst.
Geschickt lässt uns Plante hier in die Materie eintauchen, indem er uns eingangs nüchtern die Plädoyers sowohl der Staatsanwaltschaft als auch der Verteidigung serviert und uns dabei auch scheußliche Einzelheiten nicht erspart. Das verfehlt angesichts der Grausamkeit der Morde und vor allem der Anwesenheit der Eltern der Opfer seine Wirkung nicht, ja schockt uns durch unsere Vorstellungskraft fast mehr, als es jedes noch so brutale Bild könnte. Und doch ist es einigermaßen verstörend, dass der zweite Fokus auf die junge, unnahbare Kelly-Anne (Juliette Gariépie) gerichtet ist, die wirklich keine Sekunde der Verhandlung verpassen will.
Was treibt sie an, wenn sie schon Stunden vor Gerichtsöffnung auf der Straße nächtigt, um ja den besten Platz hinten im Zuschauerraum zu bekommen? Und damit ist sie noch nicht einmal allein, denn Clementine (Laurie Babin) tut es ihr gleich, sitzt jeden Tag neben ihr und gibt sich gegenüber den wartenden Sensationsreportern vor dem Saal schon bald als Groupie und glühende Verehrerin des ihrer Meinung nach unschuldigen Angeklagten zu erkennen. Dass sie dabei die erdrückende Beweislage ausblendet und vielmehr ihre Gefühle für Chevalier sprechen lässt, passt da bestens ins Bild, wo wir doch schon beim äußerst geheimnisvollen Computernerd Kelly-Anne nicht wissen, woran wir sind.
Etwas Licht ins Dunkel bringt Plante erst, als Kelly-Anne und Clementine zusammenfinden, die wohlhabende Einzelgängerin der obdachlosen Nervensäge Clementine aus Mitleid in ihrem sterilen Luxusapartment mit Blick über die Stadt Asyl gewährt, auch wenn die im Vergleich zu ihr eher einfach gestrickt ist. Doch auch da werden wir nicht richtig schlau aus der kühlen Analytikerin, die nicht nur regelmäßig ihre Gegner im Online-Poker abzockt, sondern der verliebten Clementine auch bald die verhandelten, schockierenden Snuff-Videos vorführt. Deren Entsetzen spiegelt das von uns nur gehörte Grauen sofort, radiert ihre Unschuldsvermutung komplett aus und schlägt sie daraufhin verängstigt in die Flucht.
Was aber bezweckt Plante mit der Beziehung der beiden Frauen, die für seinen Plot so unerheblich ist? Will er einfach Clementines verklärte Romantik einer Kelly-Anne gegenüberstellen, deren Probleme sehr viel tiefer verwurzelt scheinen? Zu ihren Motiven jedenfalls können wir höchstens Vermutungen anstellen, die der Film auch dann nicht komplett bestätigen will, wenn sie als eines der ermordeten Mädchen verkleidet im Gerichtssaal erscheint oder in einer Schlüsselszene im Darknet unter Einsatz ihres gesamten Vermögens das bisher unbekannte Video mit dem qualvollen Tod des dritten Mädchens ersteigert.
Einerseits baut der Regisseur mit seiner geheimnisvollen Atmosphäre hier durchaus fesselnd Spannung auf, die noch dazu vom mysteriösen, dunklen Reich des Darknet gespeist wird. Dass er aber mit dem immer mehr ins Zentrum seines Streifens rückenden Psychogramm von Kelly-Anne und dem unnötigen Sidekick Clementine eine dermaßen lange Anlaufzeit benötigt, fordert doch einiges an Geduld ab. Und obwohl uns Plante mit seiner interessanten Genremischung hier eigentlich angenehmen Interpretationsspielraum lässt, bleibt am Ende dann doch das eine oder andere Fragezeichen zu viel.
Trailer:
Bewertung: 6 von 10 Punkten