Riefenstahl
Dokumentation
Regie: Andres Veiel
Dauer: 115 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.riefenstahl-film.de
Facebook: facebook.com/majestic.filmverleih
Instagram: instagram.com/majestic.film
Kinostart: 31. Oktober 2024
Die umstrittene Filmemacherin und NS-Propagandafilmerin Leni Riefenstahl, erst 2003 101-jährig verstorben, sorgt auch noch nach ihrem Tod seit Jahrzehnten für kontroverse Diskussionen. Für viele feministische Vorreiterin, war sie doch für die meisten zumindest Kollaborateurin, wenn nicht sogar explizite Sympathisantin des menschenverachtenden Nazi-Regimes. Dokumentarfilmer Andres Veiel („Black Box BRD“) gelang es jetzt gemeinsam mit seiner Produzentin, der bekannten Journalistin Sandra Maischberger, Zugriff auf das umfangreiche – 700 Kisten voller Dokumente, Bilder und Mitschnitte der offensichtlich besessenen Sammlerin stehen zum Teil noch immer ungesichtet bereit – Privatarchiv der Regisseurin zu erlangen, das sich seit 2018 im Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin befindet. Nach jahrelanger akribischer Recherche startet er jetzt mit seiner schlicht mit „Riefenstahl“ betitelten Dokumentation einen neuen Versuch, sich der Persönlichkeit der Filmikone zu nähern.
Und das macht er geschickt, montiert die Archivaufnahmen zumeist unkommentiert und lässt, wenn nicht Riefenstahl selbst aus dem Off, dann einfach die Bilder für sich selbst sprechen. Das tun sie bei ihm dermaßen laut und deutlich, dass sie kaum einen Zweifel lassen an seiner Einstellung gegenüber dem Menschen Leni Riefenstahl, auch wenn er die abschließende Deutung journalistisch korrekt jederzeit uns selbst überlässt. Ähnlich wie Michael Moore, dem US-amerikanischen Bush-Kritiker, kann man ihm dabei allenfalls beeinflussende Auswahl der Beiträge vorwerfen, die dann aber meist Aussagekraft genug besitzen um nachhaltig für größte Empörung zu sorgen.
Riefenstahl selbst jedenfalls leugnete zeitlebens jegliche Sympathie für den Nationalsozialismus und sah sich selbst einzig als unpolitische Auftragsarbeiterin, die immer nur unabhängig ihrer großen Leidenschaft, dem Filmemachen, nachgehen wollte. Das jedoch steht im krassen Gegensatz zu ihrer eigenen Aussage, mit der Veiel seinen Film vielsagend aufmacht, und in der sie anschaulich ihre eigene elektrisierende Faszination von Adolf Hitler beschreibt, und so erste Vermutungen über ihre Einstellung nicht nur zum Führer selbst sondern zum NS-Regime allgemein zulässt, während man im Vordergrund angewidert einer von Hitlers demagogischen Reden zuschaut.
Es soll nicht das letzte Mal sein, dass Veiel Widersprüche zwischen Riefenstahls hauptsächlich in Talkshows und Interviews vorgebrachten Unschuldsbekundungen und ihrem eigenen Archivmaterial aufdeckt, die er immer wieder entlarvend ineinander schneidet. Schon das muss das Rechercheteam eine fast unendliche Zeit der Sichtung gekostet haben und nötigt angesichts des beeindruckenden Resultats wirklich höchsten Respekt ab. Unabhängig davon, inwieweit Leni Riefenstahl über die Abscheulichkeiten des Naziterrors bescheid wusste, macht es uns der Film damit zunehmend schwer Argumente zu ihrer Verteidigung zu finden, zu sehr entblößt er ihren Charakter als selbstgefällig, durchtrieben, rücksichtslos und verlogen.
Dabei lässt Veiel ihre fachliche Kompetenz keineswegs unerwähnt, zeigt uns genauso von ihr selbst kommentierte Ausschnitte ihrer Propagandafilme von den Reichsparteitagen 1933-35 respektive den Olympischen Spielen 1936, die sowohl revolutionäre Kameraeinstellungen als auch ein intuitives Gespür für Bildästhetik erkennen lassen. Diese schönen Bilder allerdings lassen sich auch emotional nie vom politischen Kontext des Dritten Reichs trennen, dessen Bedeutung für ihre Arbeit von der zweifelsohne herausragenden Künstlerin und emanzipierten Gestalterin so vehement bestritten wurde. Alle künstlerischen Leistungen jedoch relativieren sich schnell, betrachtet man wie Veiel die Umstände ihres Zustandekommens, die geprägt waren vom Hofieren durch NS-Größen bis hin zu Adolf Hitler und ihrer nur andeutungsweise nachzuweisenden aber immer wieder durchscheinenden, weit über Opportunismus hinausgehenden, tief verwurzelten Nazi-Ideologie.
In Anbetracht der Karriere Riefenstahls und den kaum zu bemessenden Folgen ihres propagandistischen Wirkens macht das angesichts der von Veiel fein herausgearbeiteten Scheinheiligkeit und dreisten Lügen teilweise fassungslos und lässt uns vor dem furchtbaren Menschen Leni Riefenstahl angeekelt den Kopf schütteln. Wenn eine Dokumentation das allein durch die ebenso fesselnde wie erhellende Montage von Originalaufnahmen auszulösen vermag, dann ist das allemal ein Qualitätsmerkmal.
Trailer:
Bewertung: 8 von 10 Punkten