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“Schloss aus Glas” – Papa, bau mir eines!

Autor: Mick

Schloss aus Glas

Schloss aus Glas

Darsteller: Brie Larson, Woody Harrelson, Naomi Watts, Ella Anderson
Regie: Destin Daniel Cretton
Dauer: 128 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.studiocanal.de/kino/schloss_aus_glass
Facebook: facebook.com/ARTHAUS


Bestsellerverfilmungen stehen seit jeher hoch im Kurs, denn sie erweisen sich ja ein ums andere Mal auch an der Kinokasse als überaus erfolgreich. Hier nimmt sich Destin Daniel Cretton, vorher ausschließlich im Independentbereich auffällig geworden, der Autobiografie von Jeannnette Walls aus dem Jahr 2005 an, die Millionen von Lesern mit ihrer schicksalhaften Familiengeschichte rührte – “Schloss aus Glas”.

Die ist mit dem Wort Armut schon mal grob umrissen, fehlt es doch vor allem den vier Kindern an fundamentalen Dingen wie Essen und adäquater Kleidung, wenn es ihr alkoholkranker Vater Rex (Woody Harrelson) mal wieder fertiggebracht hat, die ohnehin dünn gesäten Ersparnisse zu versaufen. Allerdings ist das viel zu kurz gegriffen, weil Rex in seinen nüchternen Momenten von überdurchschnittlich klarem Verstand ist und seine Kinder als liebevoller Vater jenseits aller Normen zu selbstständig denkenden Menschen erzieht.

In dieser Rolle geht Woody Harrelson richtig auf, dem man getrost zugestehen kann, Teile seines eigenen unangepassten Charakters mit einfließen lassen zu haben, soweit man das einzuschätzen vermag. Er jedenfalls trägt den Film, macht die Zerrissenheit Jeannettes nachvollziehbar, wenn Rex voller Fantasie die Kinder selbst unterrichtet, als sie in der Schule gemobbt werden, oder ihnen mangels finanzieller Möglichkeiten Sterne beim Betrachten des nächtlichen Himmels zum Geburtstag schenkt. Doch dazu tragen natürlich fast in gleichem Maße die anderen Schauspieler bei, von denen sicherlich die drei Darstellerinnen von Jeannette im Alter von fünf (Chandler Head), neun (Ella Anderson) und erwachsen (Brie Larson) hervorzuheben sind, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird. Besonders Ella Anderson, die Jeannette in der Zeit verkörpert, in der sie die größte Entwicklung erfährt, lässt einen unmittelbar miterleben, wie sie eine eigene Sicht auf die prekäre Situation bekommt, die sie unbedingt ändern muss aber bis ins Erwachsenenalter verfolgt.

Das hat dank Rex’ vielschichtigen Charakters, der fortwährend zwischen genialem Bauingenieur und cholerischem Trunkenbold pendelt, so eine Tiefe, dass man zu Jeannette und ihren Geschwistern mit der Zeit eine regelrechte Beziehung aufbaut. Ohne die Leistung von Naomi Watts schmälern zu wollen, die die in ihrer eigenen Künstlerwelt lebende Mutter Rose Mary glaubhaft gibt, so fällt sie doch gegenüber den anderen sensationellen Darbietungen etwas ab. Was nicht weiter schlimm ist, ist man doch längst komplett ins Leben der Familie Walls eingetaucht und glaubt vielleicht auch ein bisschen dem Versprechen vom “Schloss aus Glas”, das Rex der Familie eines Tages bauen wird, auch wenn es sich schon so oft als leer herausgestellt hat.

Bewertung: 9 von 10 Punkten

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