Home Film “September 5” – packende Betrachtung des Münchener Olympia-Anschlags von 1972

“September 5” – packende Betrachtung des Münchener Olympia-Anschlags von 1972

Autor: Mick

"September 5 - The Day Terror Went Live" Filmplakat (© Constantin Film Verleih GmbH)

September 5

Darsteller: Peter Sarsgaard, Ben Chaplin, John Magaro, Leonie Benesch
Regie: Tim Fehlbaum
Dauer: 95 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: constantin.film/kino/september-5
Facebook: facebook.com/constantinfilm
Instagram: instagram.com/constantinfilm
Kinostart: 9. Januar 2025


Angesichts immer neuer Schreckensmeldungen aus Nahost hat die Thematik israelischer Siedlungspolitik und palästinensischen Terrors leider keinen Deut an Aktualität verloren. Einen traurigen Höhepunkt dieser Auseinandersetzungen stellt mit Sicherheit der hinterhältige Mordanschlag auf israelische Sportler bei den Olympischen Spielen 1972 in München dar, der uns allen bestimmt noch in böser Erinnerung ist. Den betrachtet der Schweizer Tim Fehlbaum („Hell“, „Tides“) in seinem neuen Drama „September 5“ jetzt mal originell aus dem Blickwinkel der berichtenden Presse und ermöglicht uns damit ganz andere Einblicke in die damaligen erschütternden Geschehnisse.

Anders als vorherige Thriller zum Thema nimmt er uns hier dementsprechend vom Start weg mit in die Problematik der aktuellen Berichterstattung von den Olympischen Spielen, die der US-Sender ABC zum ersten Mal in der Geschichte in längeren Livestrecken in die ganze Welt überträgt. Da geht es um Moderationsschichten, Redaktionssitzungen und den Poker um die wichtigen Zeitfenster der zur Verfügung stehenden TV-Satelliten, die die gezielt als fröhliche Spiele geplanten Wettkämpfe direkt in die Wohnzimmer der Menschen bringen. Vor allem aber liegt dem Regisseur am Vermitteln der gelösten Atmosphäre in München, die er auch in stimmungsvollen Originalbildern vom heiteren Ereignis ebenfalls abseits der Sportstätten bestens transportiert.

Die allerdings lässt er jäh ins Gegenteil kippen, als das Sportteam der ABC um den jungen Produzenten Geoff (John Magaro) am frühen Morgen des 5. September eindeutig Schüsse im Olympischen Dorf vernimmt. Eigentlich angetreten, um sich im stressigen Trubel der Sport-Liveübertragungen zu beweisen, sehen sich Geoff und sein Chef Roone Arledge (Peter Sarsgaard) nun plötzlich ganz anderen Herausforderungen gegenüber, die die Reichweite harmloser Sportberichterstattung bei Weitem übersteigen. Ihre schlimmsten Befürchtungen nämlich sollen sich schnell bewahrheiten, als sich erste Meldungen von Todesopfern und einer Geiselnahme im Quartier der israelischen Athleten bestätigen, und sich die Sportjournalisten in der Pflicht sehen, die Welt über die Ereignisse von höchster politischer Brisanz auf dem Laufenden zu halten.

"September 5 - The Day Terror Went Live" Szenenbild (© Constantin Film Verleih GmbH / Jürgen Olczyk)

Im Kontrollraum: Jacques Lesgardes (Zinedine Soualem), Geoff Mason (John Magaro), Marianne Gebhard (Leonie Benesch) und Carter (Marcus Rutherford)
(© Constantin Film Verleih GmbH / Jürgen Olczyk)

Ungemein realistisch präsentiert uns Fehlbaum hier in stimmiger 70er-Jahre-Ausstattung die wahren Erlebnisse des ABC-Teams, schildert uns anfangs gezielt die Schwierigkeiten der erstmaligen Originalübertragungen, die sich im weiteren, dramatischen Verlauf der 21-stündigen Geiselnahme noch als so fatal herausstellen sollen. Denn während sich deutsche Politik und Einsatzkräfte auf eine schnelle Beendigung der Situation vorbereiten, liefert die kurzerhand organisierte Liveberichterstattung vom Tatort nicht nur der geschockten Öffentlichkeit sondern gleichzeitig auch den palästinensischen Terroristen wichtige Informationen über die Befreiungsaktion.

Wir befinden uns geradezu inmitten des Fernsehteams, wenn uns der Regisseur unheimlich packend die zähen Stunden des Geiseldramas miterleben lässt und uns die bekannten Bilder der maskierten Terroristen ins Bewusstsein zurückholt. Zentrales Thema seines Thrillers jedoch ist der Perspektivwechsel zu den Vorgängen innerhalb der ABC-Mannschaft, die sich urplötzlich sowohl in einem medienpolitischen, senderinternen Kompetenzgerangel als auch in tiefen Gewissenskonflikten zwischen Sensationslust und seriöser journalistischer Berichterstattung über die tragischen Momente wiederfindet.

Nichts verkörpert das so gut wie die junge deutsche Assistentin Marianne (Leonie Benesch), die während der Echtzeit-Berichte über die sich überschlagenden Ereignisse schnell zur unerlässlichen Dolmetscherin und Reporterin im für die Amerikaner fremden Umfeld umfunktioniert wird. Und keine Szene spiegelt das so gut wie die schwierige Entscheidung über den Wortlaut der unbestätigten Meldung der erfolgreich beendeten Geiselnahme, die uns unmittelbar involviert in die jounalistische Arbeit und die damit verbundene Verantwortung für verlässliche Information der Öffentlichkeit.

Mit einem unfassbar authentisch agierenden Ensemble macht uns Fehlbaum so zum Zeugen der damaligen erschütternden Vorkommnisse, die wir nochmal aus dem neuen Blickwinkel der Fernsehjournalisten nacherleben. Sein fesselnder Thriller beleuchtet dabei nicht nur zusätzlich das verhängnisvolle Fehlverhalten der Behörden, sondern ist einfach eine unheimlich emotionale, vielschichtige Aufarbeitung des einschneidenden Terroranschlags, die nachhaltig für Bedrücken sorgt.

Trailer:

Bewertung: 9 von 10 Punkten

 

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