Sonne
Darsteller: Melina Benli, Law Wallner, Maya Wopienka, Kerim Dogan
Regie: Kurdwin Ayub
Dauer: 87 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.neuevisionen.de/de/filme/sonne-123
Facebook: facebook.com/neuevisionenfilmverleihgmbh
Der Umgang mit Social Media ist so eine Sache, gerade wenn man allzu sorglos damit umgeht. Und wenn dann auch noch religiöse Themen hineinspielen, kann es ganz schnell unangenehm werden. Die irakisch-kurdische Österreicherin Kurdwin Ayub kann das wohl gut nachvollziehen, in ihrem neuen Film „Sonne“ jedenfalls, der auf der diesjährigen Berlinale in der Sektion Encounters den Preis für den besten Erstlingsfilm erhielt, geht ein sorglos gepostetes Video schnell viral und sorgt damit für allerlei Wirbel.
Es geht um die Oberschülerinnen Yesmin (Melina Benli), Bella (Law Wallner) und Nati (Maya Wopienka), die, wie man es in ihrem Alter halt so macht, gerne herumalbern und daran über Social Media auch gerne die ganze Welt teilhaben lassen. Eines langweiligen Nachmittags performen die drei Mädels voller Übermut in Yesmins Zimmer ihre Version des Songs „Losing My Religion“ der US-Band R.E.M. inklusive lasziver Posen und sexy Twerking im Hijab von Yesmins streng gläubiger Mutter. Ohne Yesmins Wissen teilen Bella und Nati das Video über ihr soziales Netzwerk und treten damit eine Welle los, die keiner von ihnen auch nur im Ansatz erwartet hat. Denn nahezu über Nacht sind die drei lokale Stars in der österreichischen irakisch-kurdischen Gemeinde und erhalten sogar Angebote für Auftritte auf Familienfeiern.
Doch wie immer gibt es bei exponierter Präsenz im Netz auch eine Kehrseite der Medaille, und so kann man sich gut vorstellen, dass die Anfeindungen aus ultra-religiösen Zirkeln nicht lange auf sich warten lassen. Und genauso geteilt sind auch die Reaktionen in Yesmins Familie. Von ihrem kleinen Bruder Kerim (Kerim Dogan) – selbst kein Kind von Traurigkeit und in seinem pubertären Hormonrausch immer mit den neuesten Zerstörungsvideos bis hin zum Schlachten eines Schweins am Start – informiert, ist ihr Vater der Stolz in Person, während ihre Mutter in dem Video eine grobe Verunglimpfung ihrer Religion und Kultur sieht.
Was folgt, ist eine Auseinandersetzung mit dem ambivalenten Ruhm, die die selbst zwischen zwei Kulturen aufgewachsene Regisseurin aus der Sicht Yesmins angeht. Die befindet sich ganz altersgemäß auf Identitätssuche, trägt religiös erzogen wie selbstverständlich Kopftuch und kann zunächst beim besten Willen keinen Widerspruch zu ihren vom Vater geschäftstüchtig organisierten Auftritten im traditionellen Hijab erkennen. Anders verhält es sich da schon mit dem Verhalten ihrer ebenfalls mit fremden Wurzeln versehenen, weitaus liberaleren Freundinnen Nati und Bella, welches sie immer weniger gutheißen kann, je mehr sie durch ihre Popularität in den sozialen Fokus rücken. Denn die haben nicht nur das initiale Video ohne ihr Einverständnis gepostet, sondern sehen weder im Tragen von Kopftüchern gegen ihre eigene Gesinnung noch im Verhöhnen von Religionen irgendein Problem. So entfremdet sich Yesmin immer mehr von ihnen und verliert sich trotz gemeinsamen Feierns und Alkoholexzesses immer mehr in der Suche nach sich selbst, während ihre Schulfreundinnen vor allem den Moment genießen.
Das alles ist von Kurdwin Ayub superrealistisch eingefangen, von den Mädchen völlig glaubhaft gespielt und macht einem die Beschäftigung mit dem Milieu, in dem ihre Figuren aufwachsen, wirklich leicht. Irgendwann aber hat man sich an Yesmins Zerrissenheit satt gesehen, und die Handlung tritt irgendwie auf der Stelle. Dadurch stellt sich doch eine gewisse Langeweile ein, obwohl die Regisseurin mit ihrer innovativen Optik des Smartphone-Formats und Sprüngen zwischen Realität und Social-Media-Welt immer wieder interessante visuelle Reize setzt. Trotzdem plätschert ihre Mischung aus Coming-of-Age-Drama und Milieustudie inklusive mahnendem Internet-Zeigefinger in der zweiten Hälfte vermehrt vor sich hin und kann einen so insgesamt nicht richtig packen.
Trailer:
Bewertung: 6 von 10 Punkten