Home Film “Strange World” – Disneys neuer Animationsfilm gefällt, kommt aber etwas behäbig in Schwung

“Strange World” – Disneys neuer Animationsfilm gefällt, kommt aber etwas behäbig in Schwung

Autor: Tobi

"Strange World" Filmplakat (© Disney)

Strange World

Animation
Regie: Don Hall, Qui Nguyen
Dauer: 90 Minuten
FSK: freigegeben ohne Altersbeschränkung
Website: www.disney.de/filme/strange-world
Facebook: facebook.com/disneydeutschland


Mit “Strange World” legt Disney auch 2022 pünktlich zur Weihnachtszeit wieder einen neuen Animationsfilm vor, den 61. seiner Meisterwerke-Reihe. Nach dem Erfolg des von Musik geprägten “Encanto” (lies unsere Filmkritik hier) im letzten Jahr bescheren die Macher um das Regie-Duo Don Hall und Qui Nguyen diesmal einen Streifen, der auf oft so typische Mitsing-Lieder im Film verzichtet.

Erstmals eröffnet vom Disney-Logo zum 100-jährigen Bestehen der Walt Disney Company lernen wir die Clades kennen. Während Vater Jaeger als unverwüstlicher, mutiger und immer nach Neuem strebender Abenteurer bekannt ist, wird sein Sohn Searcher zwar von Kindestagen an von ihm mitgeschleift, hat mit einigen Ängsten und Respekt vor Gefahren ausgestattet aber bei weitem nicht so viel Spaß an all den Unternehmungen.

Auch die neueste wird wieder einmal waghalsig, als sich die Clades zusammen mit einem kleinen Forscherteam auf Expedition begeben, jenseits der gewaltigen Berge zu gelangen, die ihr Land Avalonia umschließen. Hoch auf den Gipfeln kommt es dann zu einer folgenschweren Meinungsverschiedenheit. Der stets an der Natur interessierte Searcher entdeckt eine Elektrizität erzeugende Pflanze und möchte diese nach Hause bringen, da er ahnt, was für immense Vorteile sie für sein Land und die Menschen dort bringen könnte. Jaeger aber möchte weiter über die Berge, und da auch sein Team sich erstmals hinter Searcher stellt, stampft der Vater wutentbrannt alleine weiter – und kehrt nicht zurück.

25 Jahre später hat sich Avalonia dank Searchers Entdeckung massiv verändert. Inmitten einer Gesellschaft, die von elektrisch betriebenen Autos und Fluggeräten, ökologischer Ausrichtung und Friedfertigkeit geprägt ist, betreibt Searcher mit Frau Meridian seine eigene Farm, wo er Pando anbaut – so wurde die von ihm entdeckte, verlässlich Energie liefernde Pflanze betitelt. Dass sein Sohn Ethan mit 16 Jahren an der Landwirtschaft wenig Freude hat und sich mehr für Unternehmungen mit seinen Freunden und insbesondere einem angehimmelten Klassenkameraden interessiert, ignoriert Searcher ebenso geflissentlich wie seinen Wunsch, er möge vor den anderen nicht peinlich sein, also am besten gar nicht auftauchen.

Doch nicht nur der Haussegen hängt schief, plötzlich scheinen zunehmend Pando-Stränge an Kraft zu verlieren. Damit die merkwürdige Seuche das lieb gewonnene Leben in Avalonia nicht gefährdet, bittet die Landesoberste Callisto Searcher als Spross eines der größten Abenteurers, ins Erdinnere zu reisen, wo der Ursprung des Übels vermutet wird. Was das Team dort findet, übersteigt jede Vorstellungskraft – eine farbenfroh leuchtende Welt, in der es verschiedene unbekannte Lebensformen zu geben scheint. Und nicht nur der viel lieber als Abenteurer als Farmer agierende Ethan ist samt Familienhund als blinder Passagier mit dabei, bald treffen sie auch auf den verschollenen Jaeger.

"Strange World" Szenenbild (© Disney)

(© Disney)

Der Schriftzug “Strange World” auf dem Plakat erinnert nicht umsonst an die “Indiana Jones”-Filme, auch hier geht es um ein großes Abenteuer. Ebenso inspiriert von den auf billiges Papier gedruckten, sogenannten Pulp-Magazinen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit ihren reißerischen Geschichten wie von Science-Fiction oder großen Erlebnis-Werken wie Jules Vernes “Die Reise zum Mittelpunkt der Erde” arbeitete Baymax-Regisseur Don Hall nach “Raya und der letzte Drache” schon zum zweiten Mal mit Qui Nguyen zusammen, der als Co-Regisseur fungierte und auch das Drehbuch schrieb.

Heraus gekommen ist ein facettenreicher Streifen, der mit toller Animation und wunderbarer Detailverliebtheit optisch zu beeindrucken weiß, aber doch einige Zeit braucht, um so richtig in Fahrt zu kommen. Zunächst einmal geht es um die Charaktere und ihre Unterschiede, und Disney setzt vom Start weg auffallend auf Diversität in der Zusammensetzung des Forscherteams und auch der Gesellschaft. Erstmals in einem Animationsfilm wird auch Homosexualität eingeflochten, wobei die Tatsache, dass Ethan sich in einen anderen Jungen verknallt hat, angenehm unaufdringlich in die Erzählung einfließt und auch für niemanden etwas Ungewöhnlichers darstellt – so soll die Normalität sein, bis wir irgendwann nicht mehr erwähnen müssen, dass es hier überhaupt Neuerungen gibt … Disney macht sich hier vorbildlich.

Mit der Reise ins Innere der Erde wird es nicht nur bunter, sondern auch interessanter. Okay, das Wiedersehen mit Jaeger überrascht nicht, zahlt aber gut auf die Thematisierung der nicht immer einfachen Vater-Sohn-Beziehungen ein und sorgt für noch mehr Möglichkeiten, witzige Momente zu platzieren, die auch diesmal wieder nicht zu kurz kommen – auch durch den nonverbal kommunizierenden, neuen Weggefährten Splat. Und was die Truppe dann inmitten der fremden, aber so faszinierenden Welt erlebt, sorgt für einige Action und ein amtliches Aha-Erlebnis, das so intelligent wie gut gemacht ist und über das wir hier nichts verraten wollen.

Im von uns gesichteten englischen Original ist “Strange World” stimmlich mit Jake Gyllenhaal, Dennis Quaid, Lucy Liu und Gabrielle Union prominent besetzt. In der deutschen Synchronisation wird es zwar nicht so namhaft zugehen, bei Disney kann man sich aber ja eigentlich immer darauf verlassen, dass hier gut gearbeitet wurde, anstatt limitiert befähigte YouTuber für Namedropping vor das Mikro zu setzen.

Um einen Musical-Film handelt es sich diesmal wie oben angesprochen nicht. Statt dessen donnert einem auffallend gewaltig ein orchestraler Score von Henry Jackman um die Ohren, der zwar alles andere als schlecht, aber doch etwas zu prominent und allgegenwärtig anmutet. Insgesamt liegt ein solider, guter Disney-Film vor, bei dem wieder die gesamte Familie Spaß haben kann.

Trailer:

Bewertung: 7 von 10 Punkten

 

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