The Menu
Darsteller: Ralph Fiennes, Nicholas Hoult, Anya Taylor-Joy, John Leguizamo
Regie: Mark Mylod
Dauer: 106 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: www.searchlightpictures.com/the-menu
Facebook: facebook.com/20thCenturyStudiosDE
Gerade erst konnte man sich gar nicht satt sehen, wie sich Ruben Östlund in seinem feinen „Triangle of Sadness“ an der dekadenten Oberschicht abarbeitete und deren Privilegien schließlich genüsslich in ihre Einzelteile zerlegte. Jetzt steuert der britische Serienspezialist Mark Mylod („Succession“, „Shameless: Nicht ganz nüchtern“), der das Filmprojekt erst durch Terminschwierigkeiten geerbt hat, ganz ähnliche Gefilde an und nimmt in „The Menu“ vergleichbar bissig die Sterne-Küche und vor allem die ihr huldigenden, selbsternannten Gourmets ins kritische Visier.
Dazu versammelt er eine wirklich illustre Gesellschaft eingebildeter Privilegierter an einem Bootsanleger, von denen sich allerhöchstens der enthusiastische Foodnerd Tyler (Nicholas Hoult) und seine Begleitung Margot (Anya Taylor-Joy) ein kleines bisschen Bodenhaftung bewahrt haben. Alle anderen jedoch berauschen sich ganz besonders an der durch die horrenden Preise erzeugten Exklusivität der Veranstaltung, bei der es per Boot zu einem edlen, vom renommierten Chefkoch Slowik (Ralph Fiennes) eigens für sie komponierten Menü in einem Restaurant auf einer abgelegenen Insel geht. Dass sie dabei nach malerischer Fährpassage, auf der man schon mal das eine oder andere vielsagende Gespräch mitverfolgen kann, im Speisesaal hinter einer schweren Stahltür weggeschlossen werden, mag sie verwundern, dient aber wohl in erster Linie dazu, uns schon mit der fein konzipierten Exposition zu verunsichern.
Das Interesse jedenfalls ist schon da geweckt, wo wir den exzentrischen Slowik noch nicht einmal zu Gesicht bekommen haben und wirkliche Sympathieträger bei der Einführung der Figuren beim besten Willen nicht auszumachen sind. Ob nun der abgehalfterte, aber dafür umso überheblicher auftretende Hollywood-Schauspieler (John Leguizamo), die neureichen Tech-Brüder oder die elitäre Gastronomiekritikerin Lillian (Janet McTeer), sie alle scheinen statt der exklusiven Küche eher sich selbst und ihren mehr oder weniger verdienten Wohlstand zu feiern, der ihnen den Zugang zu dem einzigartigen Koch-Event ermöglicht hat. Einzig Tylers Date Margot scheint hier völlig fehl am Platze und will so gar nicht in das Muster des versammelten, elitären Zirkels passen.
Von dieser bestens durchdachten Komposition der Anwesenden geht schon an sich eine gehörige Eigendynamik aus, die einen zusammen mit der erzeugten mysteriösen Stimmung um die außergewöhnliche Veranstaltung jede Andeutung analysieren lässt, die Aufschluss darüber geben könnte, in welche Richtung es in Mylods Film gehen könnte. Richtig in Fahrt kommt der aber erst mit dem Auftritt des grandiosen Ralph Fiennes, der seinem Chefkoch Slowik eine dermaßen unerbittliche Autorität verleiht, dass man fast jedes Mal zusammenzucken möchte, wenn er seine aus der offenen Küche servierten Gänge mit einem lauten Klatschen ankündigt, das jedes Gespräch unvermittelt verstummen lässt.
Und das ist auch besser so, denn Slowik duldet bei seinen Anmoderationen der äußerst spärlichen Gaumenfreuden – hier lassen die Drehbuchautoren Seth Reiss und Will Tracy ihrer Fantasie mit ihren satirischen Kreationen herrlich freien Lauf – keine Unterbrechung und schon gar keine Widerworte während deren Genusses, selbst wenn sie nicht immer ganz den Erwartungen seiner Gäste entsprechen, schließlich soll hier ja „geschmeckt und nicht gegessen“ werden. Die sieht er ohnehin als unwürdig an, wird mit jedem Gang persönlicher und lässt ihren Verstößen gegen seine Regeln immer ernstere Konsequenzen folgen, die die Atmosphäre minütlich gereizter werden lassen.
Wir Beobachter können das immer skurriler werdende Treiben nur belustigt verfolgen, wenn Mylods Satire, in der er gekonnt die ausgebeutete Dienstleistungsbranche deren privilegierten Nutznießern gegenüberstellt, immer mehr zum bissigen Horrorspektakel wird, in dem der durchgeknallte, zunächst noch bewunderte Koch Slowik seine ganz persönlichen Rachefantasien auslebt. Dabei kann man gar nicht genug davon bekommen, wie Mylod während des abgehobenen Menüs mit ästhetisch konstruierten Bildern fein nuanciert die Stimmung kippen und seine durchweg akribisch gezeichneten Figuren plötzlich um ihr Leben fürchten lässt. Das fesselt bis zuletzt, und auch wenn einen der etwas banale Schluss mit einigen Fragezeichen zurücklässt, so bereitet die schwarzhumorige Haute-Cuisine-Satire doch ein unheimliches Vergnügen.
Trailer:
Bewertung: 9 von 10 Punkten