Home Film “The Substance” – eine drastische, in stylischen Bildern verabreichte Abrechnung mit aufgezwängtem Schönheitswahn

“The Substance” – eine drastische, in stylischen Bildern verabreichte Abrechnung mit aufgezwängtem Schönheitswahn

Autor: Tobi

"The Substance" Filmplakat (© MUBI)

The Substance

Darsteller: Demi Moore, Margaret Qualley, Dennis Quaid, Hugo Diego Garcia
Regie: Coralie Fargeat
Dauer: 140 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: mubi.com/de/de/films/the-substance
Facebook: facebook.com/mubi
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Kinostart: 19. September 2024


Mit der US-Produktion “The Substance” legt die Französin Coralie Fargeat einen bemerkenswerten zweiten Spielfilm vor, bei dem sie nicht nur Regie führte, sondern auch das Drehbuch verfasste, zum Produktionsteam gehörte und beim Schnitt mitwirkte. Mit ihrem Langfilmdebüt “Revenge” hatte sie 2017 einen vielbeachteten, brutalen Exploitation-Triller um Rache nach Vergewaltigung vorgelegt. Nun widmet sie sich dem Body-Horror-Genre mit “The Substance”, mit dem sie bei den 77. Filmfestspielen von Cannes den Preise für “Bestes Drehbuch” gewann.

Im Fokus des Geschehens stehen zwei Frauen, die eigentlich eine sind. Das ist erklärungsbedürftig, also der Reihe nach. Die berühmte Hollywood-Schauspielerin Elisabeth Sparkle (Demi Moore), der sogar ein Stern auf dem berühmten Walk Of Fame gewidmet wurde, ist vielleicht in Filmen gerade nicht mehr so angesagt, aber immer noch fit, woran kein Zweifel besteht, ist sie doch der Star einer täglichen, beliebten Aerobic-TV-Sendung. Pünktlich zu ihrem 50. Geburtstag verkündet ihr dann aber der selbstverliebte, schmierige Produzent Harvey (Dennis Quaid), dass nun die Zeit gekommen sei, ein neues Gesicht – und vor allem einen jüngeren, knackigeren Körper – für die Sendung zu suchen, und er feuert sie.

Konsterniert und gefrustet macht sich Elisabeth auf den Heimweg, wo sie vom sofortigen Abriss ihres Werbeplakats am Wegesrand irritiert in einen üblen Autounfall gerät. Diesen übersteht sie unverletzt, und ein junger Arzt im Krankenhaus überrascht sie zudem noch mit der Andeutung, sie hätte einen perfekt passenden Rücken, drückt ihr zudem noch einen USB-Stick in die Hand. Auf diesem befindet sich eine Werbung für “The Substance”, ein Serum, mit dem man durch Zellvermehrung eine jüngere, hübschere Version seiner selbst erschaffen könne, mit der man dann dauerhaft die Zeit teilen würde, immer wochenweise abwechselnd. Nach anfänglicher Ablehnung ruft Elisabeth an, bestellt und kann bald ihr Starterpaket abholen.

Nach der Injektion des “Activator”-Serums platzt ihr Rücken auf und eine knackig hübsche, vom Körper her etwa 20-jährige Frau (Margaret Qualley) schlüpft heraus. Sie näht wie gefordert die leblos am Boden liegende “alte” Elisabeth zu, legt ihr intravenös den Zugang zur Überlebensflüssigkeit für die kommende Woche und beginnt ihr Dasein, bei dem sie sich täglich eine Elisabeth entnommene “Stabilizer”-Injektion spritzen muss.

Als Sue fliegen ihr nicht nur die Blicke der Männer zu, sie geht auch zum TV-Casting für den freigewordenen Aerobic-Job und wird vom begeisterten Harvey eingestellt, der natürlich nicht ahnt, wen er vor sich hat. Nur muss Sue es irgendwie hinbekommen, dass sie jede zweite Woche nicht verfügbar ist – oder kann man die vorgegebene Zeit vielleicht doch mal überschreiten? Besser nicht, wie sich zeigen soll, denn der Verlust der “perfekten Balance” hat üble Folgen…

"The Substance" Szenenbild (© MUBI)

(© MUBI)

“The Substance” ist ein krasser, aber auch krass guter Film. Mit der gut konzipierten Handlung bietet Coralie Fargeat eine drastische Abrechnung mit dem leider auch heute noch durch die Gesellschaft aufgezwängten Schönheitswahn, durch den Frauen immer wieder an sich zweifeln und versuchen, schöner und attraktiver auszusehen, um sich dann nicht aussortiert fühlen zu müssen.

Dennis Quaid verkörpert als fieser, ekelhafter und absolut unempathischer Produzenten-Mogul – wohl nicht zufällig Harvey genannt – diese Seite des Show- und Filmgeschäfts, welche aber nicht nur die Männerwelt bestimmt, schließlich wird auch Sue selbst übergriffig. Dass ausgerechnet Demi Moore, die sich selbst schon diversen Schönheitsoperationen unterzog, die Elisabeth spielt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie, passt aber ganz hervorragend, denn so wird umso klarer gemacht, dass selbst kleine Eingriffe irgendwann nicht mehr ausreichen, wenn man – oder eher Frau – halt gewisse Altersgrenzen überschreitet. Dabei sieht sie nicht nur noch klasse aus, Demi Moore spielt die Rolle auch herausragend. An ihrer Seite glänzt Margaret Qualley als Sue, die ihre frische Erscheinung und ihre Wirkung auf alle sowie den entstehenden Ruhm voll genießt, hierbei die Regeln bewusst zu dehnen versucht.

Optisch kommt der Streifen dank toller, kontrastreicher und abwechslungsreich eingefangener Bilder von Kameramann Benjamin Kracun und einfallsreichem Schnitt von Coralie Fargeat, Jérôme Eltabet und Valentin Féron stylisch und sehr ansprechend daher, unterlegt von offensiven, manchmal dröhnenden Klängen von Raffertie – das passt alles bestens zum Gezeigten. Das Finale des mit 140 Minuten vielleicht etwas zu langen Streifens ist sicher in seiner alles andere als zimperlichen Extremität nicht jedermanns Sache, insgesamt aber injiziert uns Coralie Fargeat mit “The Substance” eine äußerst unterhaltsame, bildgewaltige, nachhallende Portion Film.

Trailer:

Bewertung: 9 von 10 Punkten

 

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