Touch Me Not
Darsteller: Laura Benson, Tómas Lemarquis, Christian Bayerlein, Hanna Hofmann
Regie: Adina Pintilie
Dauer: 128 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: www.touchmenot.de
Facebook: facebook.com/touchmenot.de
Kontroverse Diskussionen hat der Film schon ausgelöst, als er im Winter mit dem Goldenen Bären der Berlinale bedacht worden war. Dabei erklärt sich einiges schon dadurch, dass Jury-Präsident Tom Tykwer bereits im Vorfeld einen gewissen Trend zum Konformismus kritisiert und gleichzeitig mehr Mut zur Verwirklichung alternativer Projekte eingefordert hatte. Als solches kann man “Touch Me Not” der Rumänin Adina Pintilie nun wahrlich bezeichnen, der jetzt auch offiziell seinen Weg in die deutschen Kinos und durch seinen errungenen Lorbeer sicherlich auch ein Vielfaches an Beachtung findet.
Pintilie verfolgt mit der Kamera Laura (Laura Benson), Tómas (Tómas Lemarquis) und Christian (Christian Bayerlein), allesamt Teilnehmer ihres Forschungsprojekts zum Thema Intimität und im Umgang mit Sexualität alles andere als unvorbelastet. Während sich die asexuelle Laura ihrer Angst vor Berührungen in regelmäßigen häuslichen Treffen mit verschiedenen Personen stellt, begegnen sich Tómas, dessen kompletter Haarverlust im Teeniealter zu einer Gefühlsblockade führte, und der schwer körperbehinderte Christian im Rahmen einer Berührungstherapie im Krankenhaus. Das ist zum Anfang durchaus verstörend, ist man solch einen direkten, distanzlosen Umgang mit Nacktheit und Berührungen, die Pintilie in fast klinischen Nahaufnahmen einfängt, im Kino nicht gewohnt. Woran aber stößt man sich, wenn doch schnell klar wird, dass es Pintilie hier mit ihren Tabubrüchen weniger um Pornografie als um das Erregen von Aufmerksamkeit für eine viel tiefer liegende, psychologische Problematik geht? Ist der reine Anblick von Intimität, zumal auf explizite Darstellung von Sex gezielt verzichtet wird, nicht etwas ganz Natürliches?
Dass man sich diese Fragen stellt, aber spricht schon mal für die Herangehensweise der Rumänin, hat sie dadurch das Interesse an ihren Charakteren und deren Problemen doch erst geweckt. Was steckt dahinter, wenn sich Laura während ihrer Treffen mit der Transfrau Hanna in immer zwangloser werdenden Gesprächen versucht zu öffnen oder mit ihrem Therapeuten Belästigungsszenarien durchspielt? Was bringt Tómas beim Austausch von Zärtlichkeiten mit Christian plötzlich zu seinem gewaltigen Gefühlsausbruch? All das Fragestellungen, für die Pintilie gleichzeitig Lösungsansätze bietet, welche die tiefe Verankerung der Störungen in der Psyche der Probanden herausheben. Am klarsten und natürlichsten wirkt da noch der schwerbehinderte Christian, dessen Selbstbewusstsein trotz seiner körperlichen Einschränkungen ungebrochen scheint.
So ist einem das Schicksal der Hauptdarsteller dann auch alles andere als gleichgültig, selbst wenn bis zuletzt nicht ganz klar wird, inwieweit hier Schauspielerei Einfluss in das eigentlich dokumentarisch angelegte, die psychologische Studie nachzeichnende Werk gefunden hat. Zumindest gelingt es ihnen, trotz aller zwischenzeitlich auftretenden Längen Interesse dafür zu wecken, wo die verschwimmenden Grenzen zwischen Normalität und Psychose beim Ausleben von Sexualität verlaufen, und wodurch die Störungen überhaupt erst hervorgerufen wurden. Am Ende aber ist der Film vor allem ein Aufruf zur Toleranz, der sich radikaler Mittel bedient und die anfänglich peinliche Berührung beim Betrachten erfolgreich bekämpft. Ob er deswegen gleich den Goldenen Bären verdient hat, ist wie so vieles Ermessenssache.
Trailer:
Bewertung: 5 von 10 Punkten