Und morgen die ganze Welt
Darsteller: Mala Emde, Noah Saavedra, Luisa-Céline Gaffron, Tonio Schneider
Regie: Julia von Heinz
Dauer: 110 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: undmorgendieganzewelt-film.de
Facebook: facebook.com/UndMorgenDieGanzeWelt.film
„Und morgen die ganze Welt“. Klang der einem Kampflied der Hitlerjugend entnommene Titel von Julia von Heinz‘ („Ich bin dann mal weg“) neuem Drama im Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus landläufig sicherlich noch ganz nach Verheißung, so ist er jetzt rückblickend nur noch als dunkle Bedrohung zu sehen. Nicht von ungefähr hat die Regisseurin diesen Slogan gewählt, denn sie spielt damit gezielt auf ein deutlich wahrnehmbares Erstarken rechter Kräfte in unserem Lande mit einhergehender, ähnlich größenwahnsinniger Rhetorik an. Ihr Film ist dabei vor allem als große Herzensangelegenheit zu betrachten, an deren Verwirklichung sie, selbst ja mit einschlägiger Antifa-Biografie ausgestattet, nach eigener Aussage ganze 20 Jahre gearbeitet hat.
Dass sie genau weiß, wovon sie redet, merkt man praktisch von der ersten Sekunde an, auch wenn einen das um die Ohren gehauene Zitat aus dem Grundgesetz, das jedem Bürger die Verteidigung gegen revolutionäre Tendenzen ausdrücklich gestattet, erstmal ein wenig verwirrt. Schnell aber wird klar, was sie damit meint, wird doch das Unrechtsempfinden der jungen Jurastudentin Luisa (Mala Emde) gewaltig provoziert, als diese als Gegendemonstrantin einer rechtsextremen Kundgebung Opfer eines ekligen Übergriffs des Sicherheitsdienstes wird.
Als Tochter aus gutem, dörflichem Hause eigentlich eher auf der Suche nach Abnabelung und Erfahrungen in der großen Stadt, wird Luisa anfangs durch ihre Freundin Batte (Luisa-Céline Gaffron) ganz harmlos in die linke Szene eingeführt und auch bald Mitglied ihres alternativen Wohnprojekts. Was aber als großes Abenteuer inklusive spaßiger Störaktionen gegen rechte Veranstaltungen beginnt, schlägt durch erwähntes traumatisches Erlebnis auf der Demo plötzlich in bitteren Ernst um. Und schon ist man mit ihr hin- und hergerissen zwischen Faszination vom auch körperlich überaus attraktiven Mitbewohner Alfa (Noah Saavedra), der sich und seine Gruppe durch hartes Training auf den kommenden Straßenkampf vorbereitet, und eigener Radikalisierung aufgrund der unlängst erfahrenen, absolut folgenlosen Demütigung.
Ist es bei der empfundenen, gewollten oder ungewollten Ohnmacht des Staates gegenüber rechtsradikalen Strömungen nicht geradezu eine Pflicht, die freiheitliche Gesellschaft gegen diese zu verteidigen? Und ist bei aller Fassungslosigkeit angesichts der allenfalls schwachen staatlichen Reaktion Gewalt nicht das einzige Mittel, der fast Narrenfreiheit genießenden Rechten die Stirn zu bieten? Mit diesen aufgeworfenen Fragen schildert uns von Heinz ungeheuer authentisch das allmähliche Abgleiten der von Mala Emde großartig gespielten, unschuldigen Luisa in die radikale linksautonome Szene, lässt uns mit ihr absolute Empörung empfinden bei aller Tatenlosigkeit der Staatsorgane gegenüber augenscheinlich verfassungsfeindlichen Tendenzen von rechts.
Wie weit aber sind Luisa und ihre Gesinnungsgenossen bereit zu gehen, als sich ihnen nach einem Sprengstofffund plötzlich ganz andere Möglichkeiten offenbaren als ihre bisherigen, doch eher dilettantisch organisierten Aktionen gegen rechte Organisationen? Gekonnt zieht uns von Heinz damit hinein in einen Gewissenskonflikt, der zwischen Moral und Verpflichtung zum Widerstand abwägt, welcher unweigerlich einen Verzicht auf das bisherige bürgerliche Leben bedeuten würde. Und auch wenn ihrem intensiven Drama ein wenig der stringente Spannungsbogen fehlt, so legt sie hier doch einen wichtigen Streifen vor, der nicht besser in die von gesellschaftlichen Verwerfungen geprägte Zeit passen könnte.
Trailer:
Bewertung: 8 von 10 Punkten