Waves
Darsteller: Kelvin Harrison Jr., Taylor Russell, Sterling K. Brown, Alexa Demie
Regie: Trey Edward Shults
Dauer: 135 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: upig.de/micro/waves
Facebook: facebook.com/Waves.DE
Independent-Regisseur Trey Edward Shults ließ schon vor drei Jahren mit seinem Seuchen-Thriller „It Comes at Night“ aufhorchen, in dem er den sozialen Umgang mit einer tödlichen Epidemie packend abhandelte, und der somit übrigens bestens in die derzeitige Corona-Pandemie passt. Jetzt legt er aber mit „Waves“ ein Familiendrama nach, in dem er eine ähnlich dichte Atmosphäre erzeugt und sich dabei erneut um den Mikrokosmos Familie kümmert.
Er nimmt uns mit in die Welt des 18-jährigen Tyler (Kelvin Harris Jr.), die eigentlich besser nicht sein könnte: Schulleistungen in Ordnung, Karriere im Highschool-Ringerteam erfolgreich und auch noch eine süße, liebevolle Freundin. Wie zum Beweis entführt er uns gleich eingangs zu einer ausgelassenen Autofahrt der Heranwachsenden, auf der wir einen ersten Vorgeschmack darauf bekommen, dass er es nicht im Geringsten scheut, auch außergewöhnliche Stilmittel anzuwenden. Die knallbunten, kontrastreichen Bilder der feiernden Jugendlichen transportieren zwar in Kombination mit den gewagten, kreisenden Kamerafahrten den eingelegten Partymodus sehr lebhaft, wirken aber schon da ein wenig aufdringlich.
Schnell wird aber klar, dass in Tylers Leben doch nicht alles optimal läuft. Auch mit besten Schulnoten und Siegen beim Ringen kann er die Erwartungen seines ehrgeizigen Vaters Ronald (Sterling K. Brown) niemals erfüllen, der ihm stets eiserne Disziplin abverlangt und sich selbst gegenüber fast noch härter ist. Seit dem frühen Tod von Tylers Mutter allein für die Erziehung Tylers und seiner Schwester Emily verantwortlich, lässt er keine Gelegenheit aus, hauptsächlich Tyler seine Lebensphilosophie zu predigen: harte Arbeit und danach noch härtere Arbeit, da man sonst nichts erreichen kann. Natürlich geht er mit gutem Beispiel voran und demonstriert das auch regelmäßig in kleinen Wettkämpfen, die Tyler gegen ihn nie gewinnen kann.
Unheimlich einfühlsam lässt uns Shults die Familienverhältnisse erkunden, lässt uns zusammen mit Tyler den enormen Druck spüren, den sein Vater aufbaut und dem er nicht entkommen kann. Da ist dann auch die böse Schulterverletzung letzlich nur eine Schwäche, die er sich Ronald gegenüber keinesfalls eingestehen kann und angesichts anstehender Wettkämpfe lieber heimlich auf Daddys Schmerztabletten zurückgreift. Als daraufhin seine Schulter irreversibel geschädigt ist und eine ungewollte Schwangerschaft seiner Freundin Alexis (Alexa Demie) hinzukommt, stürzt sein ohnehin wackeliges emotionales Kartenhaus zusammen. Die Kombination seiner Medikamente mit Alkohol sind dabei beileibe kein guter Ratgeber, und es kommt zur Eskalation eines Streits, die Alexis nicht überlebt.
Diese Kulmination behandelt Shults wie eine Zäsur, ändert schlagartig das Bildformat und wird mit diesem auch bedeutend ruhiger, wenn der flüchtige Tyler ein wenig zur Seite tritt und seine jüngere Schwester Emily in den Mittelpunkt rückt, die vorher eher eine Nebenrolle spielte. Doch auch an ihr ist die Familiensituation nicht spurlos vorübergegangen, ist Stiefmutter Catherine (Renée Elise Goldberry) nur ein schlechter Ersatz und auch sie flüchtet sich immer mehr in Beziehungen außerhalb von zuhause.
Mit genau beobachtenden Bildern, gelingt es Shults zu zeigen, was falscher Druck in einem Heranwachsenden anrichten kann. Dies transportiert er hervorragend in seinen atmosphärisch dichten Einstellungen, die unweigerlich auf Tylers Ausbruch aus seiner unerträglichen Situation zulaufen. Dass er dabei aber fast alle technischen Register zieht, schießt trotz erkennbarer Motivation bisweilen ein wenig übers Ziel hinaus und lenkt dann doch etwas vom Wesentlichen ab. Trotz allem legt er mit „Waves“ jedoch ein Familiendrama vor, das einen keinesfalls kalt lässt und so manchem als Erziehungsratgeber dienen könnte.
Trailer:
Bewertung: 7 von 10 Punkten