Der Wein und der Wind
Darsteller: Pio Marmaï, Ana Girardot, François Civil, Jean-Marc Roulot
Regie: Cédric Klapisch
Dauer: 114 Minuten
FSK: freigegeben ohne Altersbeschränkung
Website: www.derweinundderwind.de
Facebook: facebook.com/Arthaus
Eine ganze Weile schon werden wir aus Frankreich hauptsächlich mit Komödien von fragwürdiger Qualität überhäuft, die im Fahrwasser von “Ziemlich beste Freunde” (2011) das neue französische Komödien-Wunder ähnlich dem Phänomen in Deutschland Anfang der Neunziger befeuern sollen. Vorbei scheint die Zeit, als man sich beim Kino aus unserem westlichen Nachbarland darauf verlassen konnte, keine Massenware präsentiert zu bekommen, sondern sich die Regisseure stets genügend Zeit nahmen, ihre Geschichten unter Einhaltung gewisser Mindeststandards einfühlsam zu erzählen. Doch jetzt erscheint mit “Der Wein und der Wind” mal wieder ein Silberstreif am Horizont, der wirklich großen Anlass zur Hoffnung gibt, die französische Filmtradition noch nicht vollständig zu Grabe zu tragen zu müssen.
Cédric Klapisch, der uns mit seiner “L’Auberge Espagnole”-Trilogie schon so schön ins großstädtische Studentenleben Barcelonas eintauchen ließ, nimmt uns jetzt mit aufs Land ins Burgund, das Herz des Weinanbaus. Dort ist Jean (Pio Marmaï) zurück von seinem Selbstfindungstrip, der ihn vor vielen Jahren vom elterlichen Weingut inklusive tiefstem Zwist mit seinem Vater in die weite Welt führte. Jetzt ist sein Vater schwer erkrankt, und endlich sieht er sich gezwungen, sich den Familienproblemen von damals zu stellen. Aber das ist einfacher gesagt als getan, denn was wir als Erstes miterleben, ist die Konfrontation mit seinen Geschwistern Juliette (Ana Girardot) und Jérémie (François Civil), die, einst mit ihm ein Herz und eine Seele, nun alles Recht haben von ihm und seiner Flucht enttäuscht zu sein.
Genauso eindrücklich wie hier alte Wunden wieder aufgerissen werden, findet man sich mitten im Geschehen wieder, ja ist praktisch Familienmitglied, wenn die alten Streitigkeiten wieder auf den Tisch kommen und sich Zukunftsängste rund um den Betrieb dazugesellen. Und schon ist sie wieder da, die Qualität des französischen Films, entführt uns Klapisch mit Landschaftsaufnahmen, die wenig verklärend einfach das Burgund zeigen, wie es ist, in die Welt des Weinanbaus. Die ist selbstverständlich nicht immer eitel Sonnenschein – Parallelen zu den Auseinandersetzungen der Geschwister um die Existenz des Weinguts sind sicherlich beabsichtigt -, bleibt am Ende des Tages trotz so mancher Kaltfront aber wunderschön.
Dass man das so empfinden darf, ist einfach ein Privileg, und liegt sicher auch an den drei Hauptdarstellern, die ihren Figuren so eine enorme Tiefe geben, dass man sie sich trotz aller Ecken und Kanten als Geschwister wünscht. Klapisch lässt ihnen dabei jeden Freiraum und entwickelt die Handlung fast nebenbei. Dadurch gelingt es ihm spielerisch, eine tiefgründige Familiengeschichte zu erzählen, die nahezu alle Facetten des Lebens abdeckt, einen vor allem aber tief im Herzen berührt. Es lebe das französische Kino!