Wir
Darsteller: Lupita Nyong’o, Winston Duke, Elisabeth Moss, Tim Heidecker
Regie: Jordan Peele
Dauer: 116 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: upig.de/micro/wir
Facebook: facebook.com/WirFilm.DE
“Get Out”, Aufsehen erregender Sensationserfolg des da noch weitestgehend unbekannten Jordan Peele, mischte vor zwei Jahren das Horrorgenre mächtig auf, indem er die Rassismusdebatte zusätzlich anheizte. Peele verband darin nämlich geschickt seinen innovativen Thrillerplot mit subtiler Alltagsdiskriminierung Schwarzer und räumte damit berechtigterweise auch gleich den Oscar für das beste Originaldrehbuch ab. Jetzt folgt mit “Wir” sein heiß ersehnter Neuling, bei dem man kaum erwarten konnte, welche irren Sachen sich das kreative Mastermind diesmal hat einfallen lassen.
Gleich im Prolog, der uns mit einem traumatischen Kindheitserlebnis von Adelaide (Lupita Nyong’o) während eines Strandurlaubs vertraut macht, installiert er hier auch schon wieder Ansätze einer kruden Verschwörungstheorie. Das lässt uns die grauen Zellen anschmeißen, kaum dass man es sich im Sessel bequem gemacht hat, und sorgt schon mal für erhöhte Alarmbereitschaft. Einmal auf Betriebstemperatur, werden die sogleich wieder gefordert, denn der folgende, mit gewöhnungsbedürftiger Musik unterlegte, verstörende Vorspann gibt doch einige Rätsel auf.
Und das ist gut so, geht doch Peele dann erstmal gehörig vom Gas und präsentiert uns das Ausflugswochenende der Wilsons zunächst als entspannten Familienausflug ans Meer, der aber dank der Vorgeschichte an eben jenem Strand nichts Gutes erahnen lässt. Da kann Papa Gabriel (Winston Duke) noch so sehr auf heile Welt machen, das ungute Gefühl schütteln wir zusammen mit Mama Adelaide auch beim netten Wiedersehen mit den alten Freunden nicht ab. Es ist wirklich stark, wie Peele hier rein atmosphärisch Spannung erzeugt, die eigentlich mangels entsprechender Ereignisse eher eine Art Unbehagen ist.
Doch die entsprechenden Ereignisse treten allzu bald tatsächlich ein, als am Abend plötzlich eine Familie in der Auffahrt des Feriendomizils steht, die den Wilsons nicht nur verblüffend ähnelt, sondern darüber hinaus auch noch überaus gewalttätig auftritt. Und schon geht sie los, die wilde Splatterjagd, bei der sich die Doppelgänger gerne auch haushaltsüblicher Scheren – so viel Branding muss dann doch sein – bedienen, und die unterschwellige Angst von einem Moment auf den nächsten in überaus realen Thrill umschlägt. Das ist zwar temporeich und mit einigen Schockmomenten inszeniert, unterscheidet sich jedoch kaum vom geläufigen, schon so oft gesehenen Versteckspiel gängiger Horrorproduktionen.
Gut also, dass vorher die Gehirnwindungen schon mal aktiviert worden sind, denn die Hintergründe der Gewaltorgie bleiben hier lange Zeit weitgehend nebulös und laden so zu wilden Spekulationen ein. Die halten einen doch zusätzlich auf Trab und lassen so manche Leerlaufminute vergessen. Leider aber lässt uns Peele dabei die Antwort auf die Motivationsfrage der Doppelgänger nicht selbst erarbeiten, sondern präsentiert sie durch Adelaide quasi auf dem Silbertablett.
Diese schnelle Auflösung enttäuscht zwar im ersten Moment, gibt im zweiten allerdings schon wieder einen Denkanstoß, genauer ihre gesellschaftlichen Auswirkungen zu hinterfragen und sozusagen als Transferleistung die Verbindung zum Vorspann herzustellen. So ist die Handlung des unkonventionellen Streifens wieder reichlich irritierend und macht ihn dadurch zumindest nicht langweilig, auch wenn er die Präzision von “Get Out” vermissen lässt und einen doch, gewollt oder ungewollt, infolge mancher Ungereimtheit mit einigen Fragezeichen zurücklässt.
Trailer:
Bewertung: 6 von 10 Punkten