Zwischen uns das Leben
Darsteller: Guillaume Canet, Alba Rohrwacher, Sharif Andoura, Emmy Boissard Paumelle
Regie: Stéphane Brizé
Dauer: 115 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.alamodefilm.de/kino/detail/zwischen-uns-das-leben.html
Facebook: facebook.com/alamode.filme
Kinostart: 1. Mai 2024
Der Winter in Nordfrankreich kann so grausam sein. Erst recht, wenn man sich wie Mathieu an der Schwelle zu einer handfesten Depression befindet. Der Franzose Stéphane Brizé („Mademoiselle Chambon“, „Another World“) fängt in seinem neuen Film „Zwischen uns das Leben“ diese Stimmung so schön ein, mit dem er uns im windigen Dauergrau der unwirtlichen bretonischen Atlantikküste außerhalb der Tourismussaison – der treffende Originaltitel „Hors-Saison“ ist kaum ins Deutsche zu übersetzen – das Schicksal des tief in der Midlife-Crisis steckenden Schauspielers schildert.
Filmstar Mathieu (Guillaume Canet) ist eigentlich noch ganz gut im Geschäft und hat sich gerade dazu entschlossen mit seinem Mitwirken an einer Theaterproduktion neue Wege zu beschreiten, als ihn psychische Probleme mitten in den Proben zur Flucht vor der kommenden Aufgabe in Paris zwingen. Als wir ihn kennenlernen, versucht er bereits verzweifelt mit einer Thalassotherapie in einem schicken Wellnesshotel am Strand Abstand zu gewinnen zu all seinen Versagensängsten und dem bitteren Gefühl, die Kollegen im Stich gelassen zu haben. Doch weder die Ruhe des stillen, fast sterilen Resorts mit seinen Anwendungen noch die esoterischen Weisheiten des Personal Trainers versprechen richtig Erfolg. Zwischen allem Entschleunigungskomfort der komplett fernsteuerbaren Suite und den Tücken der Bedienung ihrer Espressomaschine schlägt die unerklärliche Traurigkeit und Einsamkeit immer wieder mit voller Wucht zu, da laufen auch die gut gemeinten Ratschläge seiner Freundin übers Telefon komplett ins Leere.
Nachvollziehbar sind sie schon, die depressiven Anflüge des Mittfünfzigers Mathieu, die uns Regisseur Brizé hier betont schleppend in der Abgeschiedenheit des Küstenspas präsentiert. Aber weder der äußerst charismatisch agierende Guillaume Canet noch Brizés mitunter durchaus unterhaltsam mit humoristischem Augenzwinkern gezeichnete Umstände von Mathieus Wellnessurlaub in der scheinbaren Wohlfühloase am Meer können uns so richtig abholen, lassen kaum Nähe zu seiner Hauptfigur zu. Zunehmend stellt sich angesichts der getragenen Inszenierung sogar statt Mitleid ein Gefühl der Gleichgültigkeit ein, muten doch die Schwierigkeiten des auch vom Hotelpersonal hofierten Stars allenfalls wie Luxusprobleme eines verwöhnten Promis an.
Gerade noch rechtzeitig bringt da Brizé ein wenig Dynamik in seinen melancholischen Plot, als sich Mathieus Aufenthalt im beschaulichen Küstenörtchen bis zu seiner in der Nähe wohnenden Ex-Freundin Alice (Alba Rohrwacher) herumspricht. Die zögert dann auch nicht lange mit einem Kontaktversuch, und schon befinden wir uns mit ihrem ersten schüchternen Treffen auf einer Zeitreise in ihre gemeinsame Vergangenheit. Trotz anfänglicher Zurückhaltung und angenehmer Vertrautheit werden die Gespräche bald intensiver und Alices Vorwürfe an Mathieu direkter, der sie damals unvermittelt für eine Andere verlassen hat. Und obwohl sie inzwischen längst angeblich glücklich verheiratete Mutter ist, scheint ihre Wunde noch lange nicht verheilt zu sein.
Wie wir erfahren, warf sie die Trennung völlig aus der Bahn, was vor 15 Jahren die Pianistinnenkarriere der jetzigen Klavierlehrerin jäh beendete, und wogegen Mathieus aktuelle Probleme geradezu lächerlich erscheinen. Immer mehr widmet sich der Streifen jetzt der Aufarbeitung dieses Traumas, die mit Mathieus Entschuldigung keinesfalls erledigt ist. Und immer mehr übernimmt ihn so Alba Rohrwacher mit der Beharrlichkeit ihrer zerbrechlichen Alice, die Brizé nun in den Fokus seines Dramas rückt. Verständlicherweise gibt es so viel zu bereden für die beiden, die sich nun langsam wieder annähern und ihre einstige Zuneigung zueinander wiederentdecken.
Eigentlich ist es ganz gut konzipiert, Mathieus Nachdenken über gefällte Entscheidungen und ihre Konsequenzen. Wirkliches Mitgefühl jedoch will sich beim dialoglastigen Näherkommen der beiden nicht einstellen, zu sehr bleiben wir merkwürdig auf Distanz zu den Figuren, und zu gestellt wirkt so manche Szene, in die Regisseur Brizé unpassend auch noch eine überflüssige Queer-Thematik packt. Das macht seinen gut gemeinten Beziehungsfilm trotz einer starken Alba Rohrwacher dann doch zu einer überwiegend zähen Angelegenheit.
Trailer:
Bewertung: 4 von 10 Punkten