Munch
Darsteller: Alfred Ekker Strande, Mattis Herman Nyquist, Ola G. Furuseth, Anne Krigsvoll
Regie: Henrik Martin Dahlsbakken
Dauer: 104 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: splendid-film.de/munch
Facebook: facebook.com/splendidfilm
Kinostart: 14. Dezember 2023
Künstler-Biografien haben im Moment wirklich Hochkonjunktur. So haben wir in den letzten Wochen eine Menge über das Leben von Caravaggio, Salvador Dalí oder auch Anselm Kiefer lernen dürfen. Jetzt ist also der norwegische Expressionist Edvard Munch an der Reihe, den Regisseur und Landsmann Henrik Martin Dahlsbakken in den Fokus seines neuen Films, ohne viel Schnickschnack einfach „Munch“ betitelt, rückt. Dabei verfolgt er hier mal einen zur altbewährten Chronologie alternativen Ansatz und beleuchtet in vier Episoden aufschlussreich prägende Phasen im Leben des Exzentrikers, zu denen er interessanterweise mit verschiedenen Autoren – in den meisten Fällen sogar gleich den jeweiligen Darstellern des Malers – an den Drehbüchern gearbeitet hat. Dementsprechend unterschiedlich fallen dann auch die in seinem Werk verschränkten Abschnitte aus, die aufgrund auch stilistisch grundverschiedener Herangehensweisen doch gewaltig miteinander fremdeln.
Den Einstieg findet Dahlsbakken in den jungen Jahren des Künstlers (Alfred Ekker Strande) der, schon da von frühen familiären Schicksalsschlägen beeinflusst, noch auf der Suche nach seinem Weg im Leben ist. An der norwegischen Küste gibt er sich im Kreise und unterstützt von der Familie ganz der Malerei hin, von der er sich über kurz oder lang sein Auskommen verspricht. Das fängt der Regisseur in sommerlich-leichten Landschaftseinstellungen ein, in denen Munch oft spärlich bis gar nicht bekleidet unbeschwert seiner großen Leidenschaft nachgeht. Doch schon da ziehen erste dunkle Wolken am Himmel auf, als er sich in die verheiratete Milly (Thea Lambrechts Vaulen) verliebt, die in ihm jedoch lediglich eine abwechslungsreiche Sommeraffäre sieht. Eine tiefe Enttäuschung, die sich gleich in seinen bisher eher realistischen Werken niederschlägt.
Wie eingangs erwähnt, geht Dahlsbakken keineswegs chronologisch vor, folgt seine Komposition der ständig wechselnden Zeitebenen kaum einer Regel und lässt einen nie wirklich zur Ruhe kommen. Hier allerdings schlägt er geschickt einen Bogen von Munchs schwerem Schlag der ersten unglücklichen Liebe zu einem späteren Aufenthalt in einer dänischen Nervenklinik, in der dieser (jetzt Ola G. Fururseth) in tiefsinnigen Gesprächen mit seinem behandelnden Arzt seine psychischen Probleme aufzuarbeiten sucht. Das Ansinnen des Regisseurs ist sofort nachvollziehbar, dem fragilen, beengten Seelenzustand des Patienten mit schmalformatigen Schwarz-Weiß-Bildern Ausdruck zu verleihen, doch wirkt das im steten Kontrast mit seinen bunten Breitbandaufnahmen eher angestrengt und stellt jedes Mal einen gewöhnungsbedürftigen Bruch dar.
Doch auf Brüche legt es der Norweger hier ja gezielt an, von denen seine Berlin-Episode des Malers wohl den gewaltigsten darstellt. Die hatte schon in der Realität mit dem skandalösen Abbruch von Munchs vielversprechender Ausstellung nach nur wenigen Tagen eines der einschneidendsten Ereignisse seines Lebens zu bieten, das ihn frustriert zum ersten Entwurf seines wohl berühmtesten Bildes „Der Schrei“ inspirierte. Hier regt es bei uns interessant zur Transferleistung an, denn Dahlsbakken lässt den Künstler (Mattis Herman Nyquist) jetzt tief in die Technoclub-Hipsterszene des aktuellen Berlin eintauchen und mit intellektuellen Weggefährten im furchtbaren Grau des typischen Berliner Schmuddelwinters hitzige, hochphilosophische Debatten führen. Und obendrein wird man auch Zeuge einer der schönsten Szenen des Films, wenn sich beim verliebten Radeln über das Tempelhofer Feld der Himmel mit den Farben eines typischen Munch-Gemäldes füllt.
Dahlsbakken legt mit seiner Biografie Edvard Munchs den Schwerpunkt definitiv auf die Annäherung an die geschundene, zerrissene Seele des exzentrischen Künstlers, die diesen schwer belastet aber gleichzeitig auch zum Quell für dessen künstlerische Kreativität wird. Phasenweise gelingt ihm das hervorragend, insgesamt aber geht er zu wenig auf dessen Werk ein und stellt uns mit seinen Zeitsprüngen vor eine zu große Herausforderung, als dass sich sein Streifen zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügen würde. Zwar lässt er sie mit der düsteren Episode über Munchs (Anne Krigsvoll, auch das ein künstlerischer Kniff) Lebensabend im von den Deutschen besetzten Oslo emotional ausklingen, für ein stimmiges Bild vom Leben des Malers aber ist sein etwas zu ambitionierter Film zu bruchstückhaft.
Trailer:
Bewertung: 5 von 10 Punkten