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Theater und Anfahrt
Kritik zur Vorstellung am 29. Dezember 2002
Nachdem bekannt wurde, dass der einstige Hamburg-Dauerbrenner und zwischenzeitlich in Stuttgart ansässige Musical-Oldie “Cats” in Berlin von der Stage Holding als Nachfolger des “Glöckner von Notre Dame” im Theater an Potsdamer Platz gespielt werden würde, fragten sich nicht wenige, wie ein Stück die Musical-Freunde anziehen soll, das viele von ihnen doch längst gesehen haben dürften. Michael Kunze überarbeitete die deutschen Texte noch einmal – sehr positiv, sie sind nun frischer und näher am englischen Original. Mit “Elektra” wurde eine neue Katzenrolle, die es bislang nur im Video gab, hinzu gefügt – allerdings bleibt sie mehr im Hintergrund. An der Choreografie wurde auch gebastelt, und zu Beginn schwebt eine Katze kurz am Trapez, passend zum Text – eine kleine Generalüberholung also. Diese hat dem Stück aber durchaus gut getan.
Das Theater am Potsdamer Platz ist seit der Premiere im Oktober ausverkauft, das Konzept ist also aufgegangen. Betritt man das moderne Gebäude, so gelangt man ins schöne, einladende Foyer – zum Platz dann über eine der vielen Eintrittsetagen. Die Zuschauerränge im hohen Saal sind recht steil angeordnet, was bedeutet, dass man von überall gut sieht. Einige wenige Momente am Vorderrand der Bühne oder unten im Saal kann man vom Rang aus nicht einsehen, ansonsten aber ist es auch kein Manko, dort zu sitzen. Die Akustik ist nämlich im Vergleich zum Glöckner weit besser, man versteht jedes Wort und die Lautstärke stimmt.
Was CDs mit Aufnahmen der Songs und nicht zuletzt auch die extra choreografierte Videoveröffentlichung mit Starbesetzung nicht nach Hause bringen können, ist der Zauber von “Cats”, der einen immer noch in seinen Bann zieht. Man fühlt sich mittendrin, auch wenn man die im Vergleich zu anderen Musicals äußerst abwechslungsdürftige Müll-Kulisse natürlich mehr vor sich hat und nur Lichterketten an der Saaldecke einen ummanteln, allerdings geschickt eingesetzt. Das Bühnenbild ist zwar recht statisch, da es nur einen Schauplatz gibt, den Hinterhof mit Müll. Dieser ist aber sehr detailverliebt, utensilienreich und auch witzig (mit Ost-Zigarettenpackung und DDR-Geldschein) gemacht – der größte Cats-Müllhaufen übrigens, den es je gab, da der Saal dies zulässt. Die Katzen-Kostüme sind nach wie vor toll, und das Lichtspiel trägt ebenfalls viel zum Gelingen bei. Die Handlung ist eigentlich nichts Besonderes – eine Reihe von Katzen wird vorgestellt, von denen jede also ihren kurzen Auftritt hat und letztendlich eine zum Abschluss des jährlichen “Jellicle-Balls” ein neues Leben erhalten wird. Spektakulär klingt dies nicht, ist es aber inszeniert.
“Cats” unterscheidet sich von modernen Musicals auch darin, dass nicht nur viel gesungen, sondern auch sehr viel getanzt wird. Unter den Darstellern gibt es zumindest zwei Katzen, die tänzerisch zu Begeistern wissen – Benjamin Tyrrell als fetziger Zauberkater “Mr. Mistoffelees” (den er auch bereits in Hamburg und London verkörperte) und Roswitha Stadlmann als elegante, weiße Katze “Victoria”. Von den anderen Katzen überzeugen vor allem John Partridge mit seiner frechen Interpretation des Starkaters “Rum Tum Tugger”, Cornelia Drese als alternde “Grizabella” und Michael Knese als “Bustopher Jones”, Theaterkater “Gus” oder “Growltiger”, in dessen Rolle er mit “Griddlebone” Patricia Gressley eine tolle Opernparodie darbietet.
Gibt die Handlung auch vom Papier nicht viel her, die Inszenierung ist äußerst abwechslungsreich mit viel Tanz, einer tollen Steptanz-Einlage und viel Gesang. Die altbekannte Musik untermalt das Katzenspiel bestens, drei Hauptthemen sind in den Kompositionen immer wieder zu entdecken – live unter der Leitung des Dirigenten Robert Paul sicher gespielt. Das Stück “Erinnerung” ist nach wie vor ein gesangliches, vor allem aber emotionales Highlight – hier wurde im zweiten Akt wohl aufgrund der Bekanntheit auch nichts am Text geändert. Alles in allem eine sehr gelungene Inszenierung von Cats, die man in Berlin zu sehen bekommt, die frischer wirkt als die vorige in Stuttgart und die immer noch viel Spaß macht.