Casper
“Alles war schön und nichts tat weh”
(CD, Eklat Tonträger, 2022)
Als Casper im September 2021 die Single “Alles war schön und nichts tat weh” veröffentlichte, bedeutete dies das Ende einer langen Wartezeit für seine Fans, handelte es sich hierbei doch um seine erste neue Solo-Musik seit dem Album “Lang lebe der Tod” im Jahr 2017.
Gut, zusammen mit Rap-Kollege Marteria erschien Mitte 2018 das Kollaborationsalbum “1982”, mit dem sie Erfolge feierten und das sie 2019 im Rahmen einer gemeinsamen Tour und Festivals zelebrierten, eine wirkliche Pause gönnte sich Casper bis zum Ausbruch der Pandemie also nicht.
(© Chris Schwarz)
Nun liegt das fünfte Studioalbum des Künstlers aus Nordrhein-Westfalen vor, ebenfalls “Alles war schön und nichts tat weh” benannt, und die zwölf Songs auf 44 Minuten werden dann auch vom Titelstück eröffnet. Dieses greift eine markante Textstelle im von Casper während des Lockdowns gelesenen Roman “Slaughterhouse-Five” auf, in dem der amerikanische Autor Kurt Vonnegut 1969 seine Erlebnisse als Kriegsgefangener während der Luftangriffe auf Dresden verarbeitete: “Everything was beautiful and nothing hurt”.
Der Opener weiß einen direkt zu packen. Von Streichern, Klavier, Flächenklängen und Hintergrundchor eingeleitet singt Casper “Ich hab’ heute wieder dran gedacht, dass ich mir zu viel’ Gedanken mach'”, und der Song wechselt zwischen besinnlichen und kraftvollen Momenten ab, berstet hierbei fast zu “Ich explodier’, renn’ zu dir, so weit wie meine Beine mich tragen auf meinem Weg und Licht in allen Farben angeht.”
Ein intensiver Start, zu dem Casper erklärt: “Der Song resümiert die letzten zehn Jahre meines Lebens inklusive der Pandemiezeit, in der ich mehr als nur einmal zu Hause die Wände hochgegangen bin. ‘Ich explodier’, das bedeutet natürlich auch, dass ich mich frei mache von all diesen Dingen. Es ging mir darum, mich aus der Schale zu pellen, dieser Song ist für mich wie eine Katharsis – und blickt insofern gleichermaßen zurück wie nach vorne.”
Dass Casper seinen Rap auch gerne mal mit rockigen Zügen durchsetzt, bestätigt sich im folgenden “Lass es Rosen für mich regnen”, das vor sich hin groovende Strophen mit Samples und blubbernden Beats mit fetten Gitarrenriffs im energetischen Refrain verbindet, mit der Indie-Band Provinz – vor allem Sänger Vincent Waizenegger – und Lena als Gästen aufgenommen.
Es soll nicht der einzige Track mit Features bleiben. Beim ruhigen, getragenen “TNT” über die Hoffnung auf Beistand in Momenten von Ängsten und Psychosen singt Tua im Refrain “Wenn du mich liebst, bleib’ jetzt bei mir und warte. Hmm, okay grad, fragt sich nur, wie lange. Kannst du das Tuch spannen, denn ich glaube, ich falle, falle, falle?”. Beim mal sanft fließend zu Akustikgitarrentönen, mal aber auch energischer angelegten “Mieses Leben / Wolken” singt Haiyti über schwere Zeiten, beim lange elektronischer angerichteten, auf Rhythmen verzichtenden “Euphoria” ist Beatsteaks-Sänger Arnim Teutoburg-Weiß als Teute mit dabei.
Stark ist auch das treibende, mit fetten Beats, Gitarre und dröhnenden Elektroklängen packende “Gib mir Gefahr” mit Kraftklub-Frontmann Felix Brummer, der unter seinem wirklichen Nachnamen Kummer inzwischen selbst auch im Rap gelandet ist. Zusammen beschwören sie den nächsten Kick eines ausschweifenden Musiker-Lebens im Bewusstsein, dass das nicht immer gesund ist: “Ich will nicht auf meinen Körper hören, ich will einfach wieder am Tag danach schwören: ‘Das mach’ ich nie wieder’. Die ersten Versehrten kehrten zurück, noch mehr Self-Care und wir sterben vor Glück. Ich will wieder bis an die Grenzen gehen, ich will Lichter, die blenden, sehen, ich will Hitze und Enge, Kreise, die aufgehen inmitten der Menge.”
Casper bietet erneut tolle Texte, die immer wieder auch tiefgründig werden. Im rockigen “Billie Jo” geht es um den Schrecken des Kriegs und unüberwindbare Traumata für Soldaten wie auch Angehörige: “Da waren Blumen vor der Tür mit gefalteter Flagge, Rekruten, die salutieren, nach geschossener Salve. Die zähen Hallelujas verschweigen die Narben, sag mir, wie das weitergehen soll. Sag mir bitte, wann ist ein Haus ein Heim? Sag mir, wie man das verstehen soll, wann ist ein Haus ein Heim?”
In “Zwiebel & Mett (Die Vergessenen Pt. 3)” holt Casper zum Rundumschlag aus und haut einem vielfältige Gesellschaftskritik um die Ohren, widmet sich in “Das bisschen Regen (Die Vergessenen Pt. 4)” Hochwasseropfern und im getragenen “Wo warst du” wachsenden Beziehungsproblemen. Abschließend erzeugt er im mehr als sieben Minuten langen “Fabian” Gänsehaut, wenn er mit Frauenchor im Hintergrund über einen Freund und seinen Kampf gegen die Lebensgeist raubende Leukämie rappt, zu seicht poppigen, viel Stimmung aufbauenden Klängen.
Casper bestätigt mit “Alles war schön und nichts tat weh” seine Ausnahmestellung als intelligenter, ausdrucksstarker deutscher Rap-Künstler, der verschiedene Genres mit einfließen lässt und hiermit, aber auch durch seine starken Texte für viel Abwechslung sorgt.
Am Abend vor Veröffentlichung des Longplayers streamte er das komplette Album live aus Berlin auf seinem YouTube-Kanal, mit seinen musikalischen Feature-Gästen dargeboten:
Im Mai und Herbst ist Casper live bei uns zu sehen. Hier die Daten – Tickets gibt es z.B. hier bei Eventim (Partnerlink):
05.05.2022 München, Backstage Werk
07.05.2022 CH-Bern, Bierhübeli
08.05.2022 Tübingen, Sudhaus
09.05.2022 Mannheim, Alte Feuerwache
10.05.2022 AT-Wien, Arena
13.05.2022 LU-Luxemburg, Den Atelier
14.05.2022 Hannover, Capitol
15.05.2022 Hamburg, Uebel & Gefährlich
16.05.2022 Dortmund, FZW
18.05.2022 Leipzig, Felsenkeller
19.05.2022 Berlin, Metropol
21.05.2022 Köln, Carlswerk Victoria
22.05.2022 Münster, Skaters Palace
23.05.2022 Bremen, Kulturzentrum Schlachthof
27.11.2022 Leipzig, Haus Auensee
29.11.2022 Stuttgart, Porsche-Arena
30.11.2022 CH-Zürich, Halle 622
01.12.2022 Frankfurt am Main, Jahrhunderthalle
03.12.2022 Hamburg, Sporthalle
05.12.2022 München, Zenith
06.12.2022 AT-Wien, Gasometer
09.12.2022 Bochum, RuhrCongress
10.12.2022 Münster, Halle Münsterland
13.12.2022 Köln, Palladium
14.12.2022 Hannover, Swiss Life Hall
16.12.2022 Berlin, Max-Schmeling-Halle
casperxo.com
facebook.com/casperxo
Bewertung: 9 von 10 Punkten
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