First Aid Kit
“Who By Fire”
(CD, Columbia, 2021)
Nachdem das schwedische Folk-Duo First Aid Kit mit seinem vierten Album “Ruins” (lies unsere Rezension hier) im Jahr 2018 seinen klanglichen Schwerpunkt von Indie-Pop zu Country verlagerte und hiermit nicht nur zum dritten Mal die Spitze der heimischen Charts eroberte, sondern auch in Großbritannien auf Platz 3 klettern konnte, wurde es aus verschiedenen Gründen ruhiger um die Schwestern Klara und Johanna Söderberg.
Die Singles “Fireworks” und “It’s A Shame” waren kleine Erfolge gewesen, das Album ein großer, und die dazugehörige Tour ebenso – dann aber wurden die Sommerkonzerte 2019 abgesagt, da Klara sich von einem Burnout erholte. Bei Johanna gab es erfreulichere Gründe für eine Auszeit – im Juni 2020 wurde sie Mutter, und Klara eröffnete im gleichen Jahr einen Country-Club in Stockholm.
Dass Klara und Johanna ihre Band nicht ad acta gelegt haben, belegten sie ab und an mit veröffentlichten Coverversionen – so gingen zum Beispiel alle Erlöse aus dem Willie-Nelson-Cover “On The Road Again” an Crew Nation, um die während der Pandemie gebeutelten Live-Crews zu unterstützen. Um Coverversionen handelt es sich auch bei ihrer neuen Scheibe “Who By Fire”.
Im März 2017 hatten First Aid Kit im Stockholmer “Dramaten”-Theater als Hommage an den im Jahr vorher verstorbenen Leonard Cohen an zwei Abenden eine Bühnen-Inszenierung von seinen Songs, Gedichten und Briefen geboten. Im Oktober des Jahres wurde ein Mitschnitt im schwedischen Fernsehen ausgestrahlt, und nun gibt es die 77-minütige Liveaufnahme mit 20 Tracks einige Jahre später auch als Audio-CD.
Klara und Johanna, langjährige Fans und sehr inspiriert von Leonard Cohen, waren von seinem Tod im November 2016 zutiefst erschüttert. Zu dieser Zeit teilten First Aid Kit über ihre Kanäle mit: “… Wenn man uns jemals eine Gitarre in die Hand gibt und uns bittet zu singen, werden wir immer ‘Suzanne’ spielen. Als wir es zum ersten Mal hörten, waren wir wie gebannt. ‘Wie macht man das?’, dachten wir. ‘Wie kann man so schreiben?’ Man tut es nicht, vermuten wir, nur Leonard Cohen tut es… Inmitten dieser tiefen Traurigkeit sind wir so intensiv dankbar… [Seine Kunst] war für uns in den letzten zehn Jahren, seit wir angefangen haben, Musik zu machen, ein führendes Licht, sowohl ein Trost als auch Wegweiser, der uns zeigt, wohin wir streben sollen…”
Neben den Gedichten “Tired”, “Prayer For Messiah” und “You’d Sing Too” sowie dem sanften “Who By Fire (Reprise)” mit Text des “Letter To Marianne” und dem gemeinsamen, zwischendurch wild eskalierenden Poesie-Sprachvortrag “The Asthmatic”, der nur ganz am Ende mit etwas Musik angereichert wird, bietet der Mitschnitt viele schöne Lieder aus der Feder des großartigen Songschreibers.
Der Abend wurde mal alleine, zumeist aber zusammen mit den hochklassigen heimischen Gastkünstlern Nina Zanjani, Maia Hansson-Bergqvist, Frida Hyvönen, Maja Francis, Annika Norlin, Jesper Lindell und Loney Dear zusätzlich zu einer achtköpfigen Band und Streichern sowie zwei Schauspielern gestaltet. Besagtes “Suzanne” fehlt natürlich ebenso wenig wie das auch heute noch – nicht nur durch diverse Coverversionen – weltbekannte “Hallelujah”. Weitere Highlights sind das dramatischere “Everybody Knows”, das folkig schöne “Chelsea Hotel”, das melancholische “Show Me The Place”, das wundervolle “Famous Blue Raincoat / Anthem” und das rein vokale “Bird On The Wire” – sowie das von Loney Dear am Piano mit viel Ausdruck gesungene “Avalanche”. Bei “You Want It Darker” und dem im Finale der Show von allen zusammen aufgeführten, Gänsehaut erzeugenden “So Long, Marianne” war zudem noch ein 20-köpfiger Chor unterstützend mit auf der Bühne, was noch einmal eine ganz besondere Atmosphäre brachte. Der Mitschnitt bringt tolle Interpretationen und ist als gelungene Hommage an Leonard Cohen wunderbar anzuhören.
Zur jetzigen Veröffentlichung erklären die Söderberg-Schwestern: “Wir haben uns kürzlich nochmal das Konzert angehört. Uns wurde klar, dass es etwas absolut Nicht-Alltägliches für uns war. Es war eine große Herausforderung, eine Performance zu entwerfen, in deren Mittelpunkt zur Abwechslung nicht First Aid Kit-Songs standen. Etwas, was wir noch nie zuvor getan hatten. Trotzdem hat alles bestens funktioniert. Es war ein echtes Vergnügen, so tief in Cohens Welt einzutauchen. Er war als Dichter und gleichermaßen als Songwriter extrem produktiv; für alles, was er je veröffentlichte, legte er sehr hohe Maßstäbe an. Seine Arbeit war ihm unschätzbar wichtig. Die Band, die GastkünstlerInnen, die Atmosphäre auf der Bühne… jede/r war mit ganzer Leidenschaft bei der Sache. Es war einfach magisch. Dies ist ein Album, das man am besten in einem Durchgang ohne Unterbrechung genießen sollte. Lasst los und taucht für eine Weile komplett in Cohens Welt ab. Wir haben uns entschieden, keinen einzigen der Auftritte nachträglich zu bearbeiten. Die kleinen Fehler sind ein wichtiger Teil der Liveerfahrung. In einer Zeit, in der es leider nicht möglich ist, echte Livekonzerte zu besuchen, kann man sich beim Anhören zumindest vorstellen, man wäre direkt im Geschehen.”
Neben der digitalen und CD-Veröffentlichung inklusive eines ausfaltbaren Booklets im Poster-Stil erscheint “Who By Fire” auch als limitierte 2LP-Deluxe Edition in dunkelblauem Vinyl, mit doppelseitigem Poster. Diese limitierte Vinylfassung ist exklusiv auf der bandeigenen Website erhältlich, und die ersten 2.000 Exemplare sind von Klara und Johanna handsigniert.
Da es bislang nur “Suzanne” aus der Show als Videoclip gibt, hier noch “Chelsea Hotel”, das First Aid Kit 2017 wie im Mitschnitt zusammen mit Jesper Lindell für einen TV-Sender spielten.
www.firstaidkitband.com
www.facebook.com/firstaidkitband
Bewertung: 9 von 10 Punkten
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