Indochine
“Babel Babel”
(2CD, Sony Music, 2024)
In Deutschland haben wir es ja – mit Ausnahmen – lange geschafft, die Band Indochine zu übersehen, die in ihrer französischen Heimat fast jeder kennt, schließlich gibt es sie ja auch schon 43 Jahre. Von der Gründungsformation aus 1981 gehört zwar nur noch Sänger und Gitarrist Nicola Sirkis zur jetzigen Formation, Bassist Marc Eliard aber immerhin seit 1992, Gitarrist Boris Jardel seit 1998. Im schon nicht mehr so neuen Jahrtausend kamen dann noch 2001 Olivier “oLi dE SaT” Gérard (Gitarre, Keyboards) und zuletzt 2015 Drummer Ludwig Dahlberg hinzu.
2020 läuteten Indochine das 40-jährige Jubiläum mit der “Singles Collection 2001-2021” (lies unsere Rezension hier) ein, blickten also auf die damals jüngsten zwei Dekaden ihrer erfolgreichen Karriere, inkl. dem Midtempo-Popsong “J’ai demandé à la lune” aus 2002 als bekanntestem Hit (Platz 1 in Frankreich). Ende des gleichen Jahres folgte dann noch die “Singles Collection 1981–2001”, ein Album mit neuer Musik aber, das damals für 2022 angekündigt wurde, verzögerte sich bis jetzt, kommt dafür amtlich umfangreich daher.
Auf den 88 Minuten der beiden CDs des 14. Studioalbums “Babel Babel” findet man sieben Jahre nach “13” stolze 17 Songs. Wenn man nur den treibenden und eingängigen Opener “Showtime” mit Gastgesang von Marion Brunetto und das folgende, getragenere “L’amour fou” anhören würde, dann könnte man mal wieder denken, Indochine wären eine Synthiepop-Combo. Beim progressiveren “Ma vie est a toi” dann aber schon hört man die Wurzeln der Band im Wave-Rock alter Zeiten heraus, und fortan bieten sie eine muntere Mischung der Stile.
Aber muss man Indochine denn überhaupt noch vorstellen? Der Sommer 2024 war doch eigentlich perfekt, um das Quintett nicht mehr zu überhören, wurde ihr toller, auch hier enthaltener Ohrwurm “Le chant des cygnes” doch vom ZDF immer wieder für Ausschnitte von den Olympischen Sommerspielen in Paris genutzt. Okay, die Hymne handelt von der Aussicht, während des Bürgerkriegs eventuell beim Gesang der Schwäne zu sterben, was jetzt nicht sonderlich erbaulich anmutet, aber der Song setzt sich definitiv im Gehörgang fest und ist das Highlight der neuen Scheibe.
Mit Stücken wie dem melodischen, gut tanzbaren “Victoria” oder der Synthiepopnummer “No Name” gibt es weitere elektronisch dominierte Songs, während bei “Tokyo Boy”, “Girlfriend” feat. Marion Brunetto oder “Les nouveaux soleils” der Wave mir rockigen Elementen den Ton angibt. Bei “La belle et la bete” wird hinten raus auf Bläser gesetzt, und die CD 1 abschließende Ballade “Le garçon qui reve” kommt bombastisch wirkend mit Streichern daher.
Die Songs lassen sich fast alle gut durchhören, lediglich der achtminütige Titelsong “Babel Babel” mutet stellenweise leicht avantgardistisch und schräg an, gut passend zum vom renommierten amerikanischen Fotografen David LaChapelle gestalteten Albumcover, das eine humanistische Botschaft als Reaktion auf die politische und verbale Gewalt einer ihre Orientierung einbüßenden Gesellschaft symbolisieren soll.
Insgesamt geht es also abwechslungsreich zu, und das ist gut so. “En route vers le futur” beginnt mit einer Lagerfeuer-artigen Mitsing-Passage, “Annabelle Lee” wird nach ruhigem Anfang mit Pianoklängen energetischer, und mit “Seul au paradis” schließt eine zweite Ballade die Scheibe ab, wie schon bei der ersten CD mit Streichern gewürzt.
Ein weiterer guter Longplayer von Indochine, der ihnen in der französischen Heimat die nächste, insgesamt vierte Nummer 1 in den Albumcharts bescherte – und drei für Livemitschnitte wie zuletzt “Central Tour 2022” kommen noch hinzu … für selbige haben sie in sechs großen Stadien gespielt, mit einem Rekordbesuch von 99.000 Zuschauern im Pariser Stade de France. Wie gesagt, in Frankreich sind sie Stars, und ihre Songs lassen sich auch gut anhören, wenn man die Texte nicht verstehen sollte.
indo.fr
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Bewertung: 7 von 10 Punkten
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