Lena
“Only Love, L”
(CD, Universal Music, 2019)
Als Lena Meyer-Landrut 2010 als völlig unbekanntes Mädel aus Hannover an der Castingshow “Unser Star für Oslo” teilnahm, da ahnte sie nicht im Geringsten, was alles folgen sollte. Sie gewann mit “Satellite” nicht nur die Show, sondern – wie wir alle wissen – dann auch als erste deutsche Teilnehmerin seit Nicole 1982 den Eurovision Song Contest. Der Jubel war groß, Lena war über Nacht zum großen Star geworden, mit “My Cassette Player” erschien ein Debütalbum, welches auf Platz 1 der Charts schoss und fünffach mit Gold ausgezeichnet wurde, und im Jahr 2011 trat sie mit “Taken By A Stranger” sogar erneut beim ESC an, erreichte dort Platz 10.
Aus Lena Meyer-Landrut war Lena geworden, denn unter ihrem Vornamen veröffentlicht sie auch seit dem ersten Album ihre Musik. Irgendwie wurde die Künstlerin aber auch vereinnahmt, war unser aller Lena und in den Folgejahren dann auch omnipräsent. Neben ihrer musikalischen Karriere mit den Alben “Good News” (2011) und “Stardust” (2012) samt weiterer Hits nahm sich Lena in den TV-Casting-Shows “Dein Song” und “The Voice Kids” jungen Talenten an, war in Werbung nicht nur als Markenbotschafterin eines französischen Kosmetikkonzerns präsent, lieh Figuren in Hörspielen und Animationsfilmen ihre Stimme.
2015 erschien ihr Album “Crystal Sky”, und auch wenn Platz 2 der Charts erreicht werden konnte und die auch im Kinofilm “Fack ju Göhte 2” genutzte Single “Wild & Free” mit Platz 8 sowie “Traffic Lights” mit Platz 14 der Charts erfolgreich waren, war irgendwann bei Lena die Luft raus. Genervt und auch verletzt von falschen Zeitungsartikeln und Hater-Kommentaren in den sozialen Medien nahm sich Lena Anfang 2018 eine Auszeit, obwohl jeder nach Veröffentlichung der Single “If I Wasn’t Your Daughter” im Juni 2017 damit gerechnet hatte, dass ein neues Album folgen würde, das dann aber ebenso verschoben wurde wie eine angekündigte Tournee.
Ende November 2018 meldete sich Lena mit “Thank You” zurück, einem Track, der richtungsweisend für das nun vorliegende Album sein sollte, auf dem er natürlich auch zu finden ist. Im R&B-Popsong rechnet Lena auf sehr eingängige und fröhliche Art und Weise mit ihren Hatern ab und bedankt sich für die Erniedrigungen, die sie im Endeffekt stärker gemacht hätten, da sie sich nun nicht mehr von fiesen Kommentaren verletzen lasse.
Die 49 Minuten ihres fünften Albums “Only Love, L” stehen dann auch inhaltlich klar im Zeichen eines Neuanfangs mit frisch gefundener Stärke. Der Opener “Dear L” ist als ermutigender Brief an sich selbst angelegt, wie sie ihn als aufgehender Stern damals gerne erhalten hätte: “Dear L, I hope this letter finds you well. This is a letter from yourself. Dear L, I know you are afraid of the mistakes you’re gonna make. It’s your way, L. Don’t choke on your decisions. You’re allowed to have ambition. But it’s okay, L, as long as you just listen to your mom and intuition”.
“Diesen Brief hätte ich damals gerne bekommen”, erklärt die gereifte Lena. “Es geht darum, keine Angst vor Fehlern zu haben und alles so zu nehmen, wie es kommt. Alles, was im Leben passiert, hat seinen Grund. Ich rate mir selbst in dem Text, gelassener zu sein. Wenn ich gewisse Dinge nicht getan hätte, wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Natürlich gibt es Sachen, die ich retrospektiv betrachtet anders gemacht hätte. Doch vor die Wahl gestellt, würde ich wahrscheinlich alles wieder genau so machen. Es geht ja darum, aus seinen Fehlern zu lernen und sich zu weiter zu entwickeln. Dafür muss man sie aber erst einmal begehen. Es gibt für mich keine Tiefpunkte, sondern nur Wendepunkte.”
Auch musikalisch präsentiert sich Lena durchaus anders, ist die Produktion der Scheibe doch weit mehr an typisch amerikanischen, urbanen R&B-Pop angelehnt als zuvor. Wenn dies aber der eingeschlagene Weg nach Lenas Selbstfindungsprozess ist – warum nicht, denn die insgesamt 14 Songs mit 13 neuen Stücken und “If I Wasn’t Your Daughter” als Bonustrack lassen sich gut anhören und sind sauber produziert, außerdem machen die klaren Texte deutlich, dass Lena nicht mehr uns allen gehören will und sich zu wehren weiß.
Lena erklärt: “Nach dem letzten Album habe ich mich komplett von der Außenwelt abgeschirmt und kaum mehr etwas von mir hören oder sehen lassen. Während dieser Abkapselung habe ich wahnsinnig viel aufgeschrieben. Ich habe jeden Gedanken und jedes Gefühl wie Träume behandelt und sofort schriftlich festgehalten. Alles sollte so rein und unverfälscht wie möglich eingefangen werden. Während dieser Zeit habe ich unglaublich viel über mich selbst gelernt. Diese Art von Schreibtherapie war wie eine Art Tagebuch, dessen einzelne Einträge in verschiedensten Formen in die Songs eingeflossen sind.”
Da wird sie auch mal deutlich, wie in “Boundaries” oder “Skinny Bitch”, das sich gegen Hater und mit Falschmeldungen Profit erzielende Regenbogenpresse richtet: “When life gives you lemons mix it up with vodka-soda. Skinny bitch with issues, let ’em talk, ’cause they don’t know ya. When life gives you lemons mix it up with vodka-soda, love your imperfections, fuck the haters, they don’t know ya!”
“Ich habe für mich einen Weg gefunden, wie ich mit gewissen Erfahrungen im Leben umgehe”, bekennt Lena. “Wir laufen gerne vor unseren Ängsten oder vermeintlich negativen Gefühlen davon. Doch wenn man erst einmal den Mut gefunden hat, sich ihnen zu stellen, verlieren sie schnell ihren Schrecken. Ich mache mich auf den neuen Songs sehr transparent und dadurch auf gewisse Weise natürlich auch angreifbar. Andererseits bringt diese Verletzlichkeit auch eine neue Stärke mit sich.”
“Es geht darum, alles mit einem positiven Gedanken abzuschließen” erklärt Lena die Philosophie hinter dem Plattentitel. Da passt auch die mit Latino-Groove daher kommende Single “Don’t Lie To Me” bestens, die ebenso für die neue Lena steht wie “Life Was A Beach” oder “Sex In The Morning” mit Gast Ramz.
Gemeinsam mit dem Berliner Producer-Team Beatgees (Cro, Alice Merton) und Songwritern wie Joe Walter (Alma, Jennifer Rostock) oder Pasqual Reinhardt (Felix Jaehn, Alvaro Soler) sind Tracks entstanden, die neben textlicher Klarheit auf Tanzbarkeit setzen, diesmal eher im R&B-Dance-Pop angesiedelt sind.
Bei allem neuen Selbstbewusstsein hat Lena nicht verlernt, auch selbstkritisch zu sein, wie zum Beispiel in “Stuck Inside”, in dem es um Lena Umgang mit den Medien und den Menschen geht: “Um mein persönliches Verhalten gegenüber der Öffentlichkeit, das phasenweise auch nicht immer ganz fair war. Doch niemand ist perfekt. Man kann nicht die ganze Welt verändern, aber man kann bei sich selbst anfangen und seine Denkweise ändern. Die Ruhe der letzten Zeit hat mir großes Vertrauen geschenkt, offener zu sein, was meine Gefühle und Gedanken angeht. Es ist eine tolle Sache, diese Dinge in meiner Musik verarbeiten zu können. So langsam entwickelt sich die Musik von einem Beruf, der mir unendlich viel Spaß macht, zu einem wirklichen Outlet für meine Emotionen. Genau diese Offenheit möchte ich mit meinem Publikum teilen.”
Ein durchaus gelungenes neues Album von Lena, das inhaltlich wie auch musikalisch zu gefallen weiß. Nun ist sie also wieder voll da, nicht nur als Talent-Coach in der 7. Staffel von “The Voice Kids” oder als Synchronsprecherin der Hauptfigur im starken Animationsabenteuer “Willkommen im Wunder Park” (lies unsere Filmkritik hier), sondern vor allem auch musikalisch.
Im Juni ist Lena auf “Only Love”-Tour – Tickets gibt es z.B. hier bei Eventim (Partnerlink).
12.06.19 – Leipzig, Haus Auensee
13.06.19 – Nürnberg, Löwensaal
14.06.19 – Karlsruhe, Tollhaus
16.06.19 – Bremen, Modernes
17.06.19 – Köln, Carlswerk Victoria
18.06.19 – Bielefeld, Stadthalle
20.06.19 – Hannover, Capitol
21.06.19 – Stuttgart, Im Wizemann
22.06.19 – CH-Zürich, Plaza
24.06.19 – München, Tonhalle
25.06.19 – Ravensburg, Oberschwabenklub
27.06.19 – Dresden, Alter Schlachthof
28.06.19 – A-Wien, WUK
30.06.19 – Berlin, Kesselhaus
www.lena-meyer-landrut.de
facebook.com/lenameyerlandrut
Bewertung: 7 von 10 Punkten
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