Pink Floyd
“A Momentary Lapse Of Reason” (2019 Remix)
(CD, Pink Floyd Records, 2021)
Nachdem die legendären Pink Floyd mit ihrem 1979er-Konzeptalbum “The Wall” riesige Erfolge feiern konnten und die Scheibe damals zum meistverkauften Album aller Zeiten wurde (bis Michael Jacksons “Thriller” später diesen Platz einnahm und ihn bis heute hält), fiel die Band mehr und mehr auseinander. Keyboarder Richard Wright wurde gefeuert und Bassist Roger Waters immer eigensinniger, so dass der 1983 folgende, von ihm fast im Alleingang erdachte Longplayer “The Final Cut” dann selbigen auch einleitete, kam die Scheibe doch viel zu monoton daher. Kritiker und Fans waren wenig begeistert, Waters stieg aus der Band aus und die verbleibenden Mitglieder David Gilmour (Gitarre, Gesang) und Nick Mason (Schlagzeug) kümmerten sich erst einmal um eigene Projekte.
Die Sorge, dass dies das Ende von Pink Floyd bedeuten könnte, war durchaus berechtigt – und von Seiten Waters wurde eine Auflösung auch bereits verkündet. Nach ein paar Jahren aber rauften sich Gilmour und Mason wieder zusammen und begannen die Arbeit an ihrem 13. Studioalbum. “A Momentary Lapse Of Reason” wurde 1987 veröffentlicht, und die Briten kehrten hiermit wieder zu dem Stil zurück, mit dem sie so erfolgreich gewesen waren, auch mit ihren tollen Alben “The Dark Side Of The Moon” (1973) und “Wish You Were Here” (1975).
Pink Floyd 1987 (© Richard Young)
Im Studio von David Gilmour, dem Hausboot Astoria, wurden elf Songs eingespielt, wobei Mason mit seiner Form nicht zufrieden war und daher der erfahrene Studio-Drummer Jim Keltner viele der Schlagzeugspuren einspielte, dazu Carmine Appice die von “The Dogs Of War”. Im Laufe des Prozesses stieß auch Richard Wright wieder zur Band.
Die 51 von Bob Ezrin und David Gilmour produzierten Minuten wussten zu gefallen, setzten sie doch wieder auf sphärische, getragene Klänge mit diversen tollen Gitarren-Soli, wobei der Sound aber insgesamt etwas zu synthetisch anmutete. Mit dem Album erreichten Pink Floyd Platz 2 in den britischen und amerikanischen Charts, Rang 3 bei uns. Das kraftvoll im Midtempo liegende, klanglich opulente “Learning To Fly”, die schöne Ballade “On The Turning Away”, das dramatischer ausgerichtete “The Dogs Of War” und das flotter treibende “One Slip” wurden als Singles ausgekoppelt, aber auch die weiteren Songs wussten zu überzeugen, vor allem das tolle Atmosphäre bietende “Yet Another Movie” und das episch abschließende, fast neun Minuten lange “Sorrow”.
David Gilmour blickt auf die ursprünglichen Aufnahmen zurück: “Bob Ezrin hatte bereits ’79 mit uns an ‘The Wall’ und mit mir an einigen Soloalben gearbeitet. Ich habe viel von ihm gelernt und es ist von großem Wert, ihn an Bord zu haben. Wir legten mit der Arbeit an Song-Ideen los, die ich geschrieben hatte, und als Weihnachten vor der Tür stand, wussten wir, dass es gut lief. Eines Tages spürte ich, wie mich dieses ‘Ding’ überkam, aus dem ‘Sorrow’ werden sollte. Ich schrieb an einem einzigen Abend fünf Strophen. Sie überkamen mich einfach aus dem Nichts, in einem dieser großartigen, nicht planbaren Momente, deren wahren Wert man erst später erkennt… Ich wusste, dass wir einen guten Lauf hatten und diese Sache funktionieren würde.”
Auch wenn Pink Floyd inzwischen keine neuen Alben mehr aufnehmen, widmen sie sich doch hin und wieder ihrer eigenen Historie. Für ihr letztes, 2014 veröffentlichtes Album “The Endless River” überarbeiteten sie Aufnahmen aus den Sessions zum 1994er-Erfolgsalbum “The Division Bell”, und in ihrer “The Later Years”-Box fand man 2019 auch von “A Momentary Lapse Of Reason” eine neue Version, die weit über einfaches Remastern hinaus ging. Nun ist diese auch separat zu haben.
Hinter dem Zusatz “Remixed & Updated” verbirgt sich eine klangliche Auffrischung des Albums, die toll geworden ist. Die Veröffentlichung des “The Later Years”-Projekts bot die Gelegenheit, das Material neu auszurichten. Basierend auf den verwendeten 1987er-Original-Mastertapes machte sich Andy Jackson mit David Gilmour und assistiert von Damon Iddins daran, die Aufnahmen neu abzumischen und zu aktualisieren.
Indem sie zu einigen der ursprünglichen Keyboard-Takes von Richard Wright zurückgingen und die Schlagzeugspuren mit Nick Mason neu aufnahmen, konnten die Produzenten David Gilmour und Bob Ezrin ein besseres kreatives Gleichgewicht zwischen den drei Pink-Floyd-Mitgliedern herstellen.
Gilmour erklärt: “Einige Jahre nach den Aufnahmen des Albums reifte in uns der Entschluss, dass wir es aktualisieren sollten, um es zeitloser zu machen. Etwa indem wir die traditionellen Instrumente stärker in den Vordergrund stellen, die wir mochten und die wir zu spielen gewohnt waren. Wir dachten uns, dass das Album davon profitieren würde. Außerdem suchten und fanden wir einige bisher ungenutzte Keyboard-Parts von Rick, die uns dabei halfen, dem Album einen neuen Vibe, ein neues Feeling zu geben.”
Nick Mason schwärmt von der Neubearbeitung, die ihm die Gelegenheit gab, das Schlagzeug nun doch selbst beizusteuern: “Anfangs schien es etwas seltsam, sich nach über 35 Jahren noch einmal daran zu machen, ein Album neu zusammenzusetzen. Doch das öffentliche Verlangen danach, dasselbe Werk aus anderen Blickwinkeln zu betrachten, ist im Laufe der Zeit geradezu unermesslich angestiegen. Und auch an mir ging diese Faszination nicht vorüber. Wie würde es sein, ein früheres Werk aus einer Zeit neu aufzurollen, in der die digitalen Technologien noch die schöne neue Welt waren? Es ist zweifellos eine gute Sache, wenn man neue Elemente in der Musik entdeckt oder – was noch häufiger vorkommt – Elemente freilegt, die seinerzeit von der ganzen neuen Technologie an den Rand gedrängt wurden… Für mich ist es ein wenig so, als würde man mit dem Album eine kleine Zeitreise zurück machen und bei der Gelegenheit einen etwas offeneren Sound kreieren – beispielsweise, indem wir uns einige der Dinge zunutze machten, die wir als Erfahrungswerte aus unseren zwei gewaltigen Touren zum Alben mitgenommen hatten. Ich habe es genossen, die Schlagzeugspuren mit unbegrenzter Studiozeit neu aufzunehmen. ‘Momentary Lapse’ wurde damals unter erheblichem Stress und Zeitdruck aufgenommen, und tatsächlich wurde ein Teil der finalen Mixes zeitgleich mit den Proben für die bevorstehende Tournee erledigt. Es war auch schön, einige von Ricks Arbeiten nach vorn bringen zu können. Auch hier hat die positive Flutwelle von Technologie womöglich zu viele digitale Möglichkeiten geboten, mit denen das Bandfeeling übertüncht wurde. Hoffentlich ist das einer der Vorteile dieses neuen Mixes!”
Das Ergebnis überzeugt und man verliebt sich wieder neu in den Longplayer, der vorher immer etwas hinter den drei großen Klassikern der Briten zurück gestanden hat. Die Neubearbeitung klingt stimmiger und weniger synthetisch, was die Songs definitiv aufwertet, ebenso wie Masons neu eingespieltes Schlagzeug.
Das Album erscheint mit neuem Cover, das ein alternatives Bettenfoto von Robert Dowling aus dem Original-Cover-Shooting zeigt, das unter der Regie des 2013 verstorbenen Storm Thorgerson stattfand. In Anlehnung an die ikonische Originalhülle wurde das 2021er-Album-Artwork von Aubrey Powell/Hipgnosis und Peter Curzon/StormStudios entworfen und gestaltet.
Aubrey Powell erklärt: “Ich wollte dem ikonischen Bild mit den fünfhundert Betten einen neuen Anstrich verpassen, das mein Partner bei Hipgnosis, Storm Thorgerson, entworfen hatte. Als ich in den Archiven stöberte, entdeckte ich eine Version, in der das Meer sich dem Set nähert – kurz darauf brach Storm das Shooting ab, aus Sorge, alle Betten zu verlieren. Ich wollte außerdem aus dem Ultraleichtflugzeug mehr herausholen. Es gab keine Nahaufnahmen des Flugzeugs, also machte ich mich auf die Suche nach einem, das ähnlich, aber weiß war, und ließ Peter Curzon den Rumpf mit der richtigen Farbe – rot – retuschieren. Anschließend setzte ich das Ultraleichtflugzeug weiter vorn ins Bild. David Gilmour und Nick Mason gaben ihr Einverständnis, und voilà, hier ist ein Klassiker im neuen Gewand.”
Das Album wird auf Vinyl (2 x 180g-LP) und CD mit 24-seitigem Booklet veröffentlicht, oder digital mit Stereo- und 5.1-Mixen. Außerdem gibt es eine DVD und Blu-ray mit einigem Bonusmaterial, und auch CD+DVD- und CD+Blu-ray-Sets. Darüber hinaus wird es erstmals in 360 Reality Audio (siehe unten) präsentiert, und zusätzlich erscheint “A Momentary Lapse Of Reason” auch in Dolby Audio und UHD, was auch bei anderen Pink Floyd-Veröffentlichungen so fortgeführt wird. Eine spezielle Version des Videos “Learning To Fly” ist mit Sony 360RA Immersive Audio ausgestattet. Sieht man das Video auf YouTube mit Kopfhörern an, erlebt man simulierten 360RA-Sound.
Über 360 Reality Audio:
360 Reality Audio ist ein neues immersives Musikerlebnis, das die objektbasierte 360 Spatial Sound-Technologie von Sony nutzt. Einzelne Klänge wie Gesang, Chor, Klavier, Gitarre, Bass und sogar Geräusche des Live-Publikums können in einem sphärischen 360°-Klangfeld platziert werden, was Künstlern und Kreativen eine neue Möglichkeit bietet, ihrer Kreativität Ausdruck zu verleihen. Die Zuhörer können in ein Klangfeld eintauchen, das genau den Vorstellungen der Künstler und Produzenten entspricht. Musikinhalte, die in diesem neuen Format für 360 Reality Audio erstellt wurden, können über kompatible Musik-Streamingdienste wiedergegeben werden.
www.pinkfloyd.com
facebook.com/pinkfloyd
Bewertung: 9 von 10 Punkten
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