Home MusikCD-Rezensionen Suede überzeugen auf ihrem besten Longplayer in diesem Jahrtausend

Suede überzeugen auf ihrem besten Longplayer in diesem Jahrtausend

Autor: Tobi

Suede "Autofiction"

Suede

“Autofiction”

(CD, BMG, 2022)

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Denkt man an Suede, dann zumeist doch an die Hochphase der Ende der 80er-Jahre gegründeten Band, die mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum direkt den Durchbruch schaffte und mit Singles wie “Metal Mickey” und “Animal Nitrate” zu den Urgesteinen des Britpop zählt. Auch spätere Alben und Songs wie “Stay Together” (1994), “Trash”, “Beautiful Ones” (beide 1995) oder “Electricity” (1999) sind noch gut im Ohr und bezeugen, dass Suede alles andere als eine musikalische Eintagsfliege waren – schließlich eroberten mit dem 1993er-Debüt “Suede”, “Coming Up” (1996) und “Head Music” (1999) gleich drei ihrer Longplayer die Spitze der britischen Albumcharts.

Im neuen Jahrtausend ebbte der Erfolg ab, das Album “A New Morning” war kein Erfolg mehr und die Band entschied sich, eine Pause auf unbestimmte Zeit einzulegen. 2010 kehrten Suede mit umjubelten Livekonzerten zurück. 2013 erschien dann mit “Bloodsports” auch wieder ein Longplayer und erreichte immerhin Platz 10 der UK-Charts, gefolgt von “Night Thoughts” (2016) und “The Blue Hour” (2018), die sogar die Ränge 6 und 5 belegen konnten.

Suede (© Dean Chalkley)

(© Dean Chalkley)

Wir schreiben das Jahr 2022, und mit den 46 Minuten ihres neuen Albums “Autofiction” untermauern Suede, dass ihre Karrieregeschichte noch lange nicht auserzählt ist. Die im Mai als erster Vorbote voraus geschickte Single “She Still Leads Me On”, die nun als Opener fungiert, machte als treibend rockiges Stück bereits Appetit, und dieser wird nun mit abwechslungsreichen, guten Songs gestillt.

Anfang August folgte mit “15 Again” ein weiteres schmissiges und durchaus packendes Stück, von Frontmann Brett Anderson beschrieben als “a song about falling in love with life for the first time”. Sowieso war die Herangehensweise an die neue Scheibe diesmal eine ganz andere, die nicht mehr jungen Jungs wollten klanglich nämlich zu ihren Wurzeln zurück kehren und das Gefühl wiedererlangen, wie eine Newcomer-Band zu agieren.

Brett Anderson (Gesang), Richard Oakes (Gitarre), Neil Codling (Keyboard, Gitarre), Mat Osman (Bass) und Simon Gilbert (Drums) begaben sich also in einen Proberaum im verlassenen Kings Cross und damit auf die Spuren ihrer eigenen anfänglichen Tage als unbekannte Band aus London – sie mussten selbst den Schlüssel organisieren, ihr eigenes Equipment schleppen und aufbauen, um dann mit den Proben beginnen zu können. Ziel war es, ein Album zu erschaffen, das, wie Anderson den Philosophen Thomas Hobbes aus dem 17. Jahrhundert zitierte, “fies, brutal und kurz” ist.

“Wir wollten einfach keine verkopfte Musik mehr machen”, erklärt Brett. “‘The Blue Hour’ ist absichtlich ein wenig obskur, was letztlich brillant ist, denn es gibt dir etwas, von dem du zurückkommen kannst.” Mit ihrem neunten Studioalbum wollten sie die Kraft widerspiegeln, die sie bei Live-Auftritten entwickeln – etwas, das sie ihrer Meinung nach im Laufe ihrer 30-jährigen Karriere nie geschafft hatten. “Es stellt sich eine seltsame Trägheit im Studio ein, so dass es oft nur noch um das Mikroskopische, die Technik und die Musikalität geht, und das ist etwas, was ich wirklich aus dem Weg räumen wollte”, erklärt Anderson. “Es war ein Versuch, den ganzen Dreck und den Lärm und die Naivität einer Live-Band zu erzeugen und das einzufangen.”

Das ist ihnen gut gelungen. Nicht umsonst steht mit dem progressiven, peitschend voran treibenden “Personality Disorder” ein weiteres kraftvolles Stück neben den beiden genannten am Beginn der Scheibe, und auch wenn “The Only Way I Can Love You” danach über einen wundervoll eingängigen Refrain verfügt, wird gut gerockt, ebenso wie bei “That Boy On The Stage”, das einen ebenso zu packen weiß.

Nachdem sich “Night Thoughts” und “The Blue Hour” mit den Ängsten und Sorgen des Elternwerdens auseinandersetzten, thematisiert Brett Anderson auf dem persönlichen “Autofiction” die Tatsache, sich mit dem Erreichen der 50-Jahre-Marke – was am 29. September passieren wird – weit älter zu fühlen. “Ich fühle mich nicht mehr jung, ich habe viel mehr Probleme”, gibt er zu. “Ich will mich nicht als Opfer sehen, aber die 50er fühlen sich ganz anders an als die 40er. In den 40ern fühlte ich mich immer noch jung, und ich denke, ich wollte mir einige dieser Ängste näher anschauen. Und so befassen sich Songs wie ‘Personality Disorder’ und ‘Shadow Self’ mit der dunklen Seite dessen, was es heißt, ein 50-jähriger Mensch zu sein.”

Mit dem von knarzigen Riffs geprägten “Black Ice”, dem flotten “Shadow Self” und dem starke Melodie servierenden “It’s Always The Quiet Ones” gibt es weitere energetische Songs, mit dem getragenen “Drive Myself Home” und “What Am I Without You?” aber auch zwei sehr feine Balladen, wobei Letztere auch lautere Eruptionen enthält, sehr gut aufgebaut. Mit dem noch einmal verschiedene Facetten aufbietenden “Turn Off Your Brain And Yell” wird ein überzeugendes Album abgeschlossen, welches das beste von Suede in diesem Jahrtausend ist.

Mit “Autofiction: A Short Film” gibt es übrigens auch noch einen 19-minütigen Kurzfilm als Kreativprojekt und visuelles Begleitstück zum Longplayer:

Hier sind Suede im Oktober live bei uns zu sehen:

11.10. Köln, Gloria-Theater
12.10. Hamburg, Grünspan

www.suede.co.uk
facebook.com/suede

Bewertung: 8 von 10 Punkten

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