Travis
“L.A. Times”
(CD, BMG Rights Management, 2024)
Wir machen mal etwas Seltenes und beginnen mit dem Fazit: Travis machen auf ihrem zehnten Studioalbum “L.A. Times” alles richtig und wissen mit erneut wunderschönen, zudem sehr abwechslungsreichen Stücken mal wieder zu begeistern. Wenn man den Schotten überhaupt einen Kritikpunkt zuwerfen kann, dann vielleicht den, dass sie uns mit den zehn Songs der Scheibe nicht einmal 33 Minuten gönnen – diese aber hört man sich schockverliebt immer wieder an.
Nachdem uns Travis auf ihrem neunten Studioalbum “10 Songs” 2020 zehn wundervolle Stücke bescherten, die mit ihren Texten und Melodien oftmals wieder unter die Haut gingen (lies unsere Rezension hier), widmeten sie sich mit einer 20th Anniversary Edition ihres dritten Longplayers “The Invisible Band” aus 2001, der damals den weltweiten Durchbruch bedeutete, erst einmal der Historie, neu gemastert in einer Deluxe Edition mit Bonustracks.
(© Steve Gullick)
Nun aber gibt es wieder neue Stücke von Fran Healy (Gesang, Gitarre), Andy Dunlop (Gitarre), Dougie Payne (Bass) und Neil Primrose (Schlagzeug), die seit 1994 und somit lange vor ihrem Debüt “Good Feeling” (1997) in gleicher Besetzung auftreten – hier ändert sich vielleicht mal die Frisur und Haarfarbe des Frontmanns, sonst aber wenig – was vor allem toll ist, da kaum eine Band über eine so konstant hochqualitative Diskographie verfügt.
Ich schwärme? Ja, das muss auch mal erlaubt sein, wenn einen auch das zehnte, von Tony Hoffer (Air, Beck, Phoenix) klanglich bestens produzierte Album wieder umhaut. Dass es vielfältig zugeht, das zeigten ja schon die Vorab-Singles. Mit der mit Piano, Bläsern und Chor beschwingt daher kommenden, eingängigen Mitsing-Hymne “Gaslight” gab es im März einen ersten starken Vorboten, der einen mitzureißen weiß.
Mitte Mai bescherten Travis mit dem weit getragener angerichtenen, gut abgroovenden und ebenfalls hymnischen “Raze The Bar” einen zweiten Appettitmacher. Der von der Schließung der bei Travis und anderen Kreativen beliebten “Black & White” Bar in New York handelnde Song erzählt von einem fiktiven letzten Abend in der Bar in Greenwich Village, an dem noch einmal zusammen die Gläser gehoben werden, auf gute Erinnerungen und eine positive Zukunft. Auch Chris Martin von Coldplay und Brandon Flowers von The Killers sind hier als Gäste mit von der Partie und steuern zusätzlichen Gesang bei.
Eröffnet wird die Scheibe vom gemütlichen, schönen “Bus”, das als dritter Vorbote diente. Erst in der hohen Kopfstimme, dann mit normalem Gesang singt Healy vom Bus, den auf dem Weg zu besseren, guten Zeiten dann doch mehr Menschen nehmen möchten als zunächst gedacht.
Natürlich gibt es auch wieder zarte Perlen wie “Live It All Again”, wo die Kopfstimme zu spärlicher Instrumentierung eine ganz besondere Stimmung erzeugt, oder das etwas druckvoller wirkende “Naked In New York City”, beide ohne jegliches Schlagwerk auskommend.
Mit “Alive” findet man einen weiteren Ohrwurm, im Midtempo ganz wunderbar das Leben feiernd und auch zur Hymne taugend. “Home” kommt ebenfalls im Midtempo, aber leicht verzerrt und knarzig daher, nicht ohne Groove, bevor “I Hope That You Spontaneously Combust” sich bewusst trocken und schwarzhumorig mit US-Südstaaten-Flair ins Ohr schleppt, als wären Travis hier zu den Eels mutiert.
Gegen Ende lassen Travis dann den Folk hochleben und reißen uns mit dem flotten “The River” mit, bevor der Titeltrack “L.A. Times” dann nochmal etwas ganz anderes bietet, erzählerisch mit Sprechgesang aufgebaut, dazu aber träumerischen Passagen weiblichen Gesangs, die einen einzulullen wissen – und dass auch noch Elektro-Waben und knarzige Gitarren dazu kommen, verstärkt die Vielfalt noch. Und nun das Fazit noch einmal, wo es hingehört: Travis ist ein weiteres ganz hervorragendes Album gelungen, das man immer wieder genießen möchte.
Hier sind Travis im August und September live bei uns zu erleben:
31.08.2024 CH-Bern, Bierhübeli
03.09.2024 Köln, Live Music Hall
04.09.2024 Berlin, Huxleys Neue Welt
05.09.2024 Hamburg, Docks
www.travisonline.com
facebook.com/travistheband
Bewertung: 10 von 10 Punkten
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