Auch wenn die jecken Tage des Karnevals in Köln bereits Mitte der Woche abgeschlossen wurden, hatte man am 29. Februar 2020 den Eindruck, dass die Domstädter bestens gewillt waren, das bunte Treiben für einen Abend zu reaktivieren. Wie seit Jahren bei Deichkind-Konzerten gewohnt hatten sich nicht wenige der Answesenden in der fast ausverkauften, 20.000 Besucher fassenden Lanxess Arena mit trashig schriller Kleidung, bunt leuchtenden Utensilien oder Tetraedern auf dem Kopf heraus geputzt, um mit den Nordlichtern eine amtliche Live-Party zu feiern. Und ja, auch die seit Aschermittwoch geltende Fastenzeit schien für den Schalttag noch einmal ausgesetzt, um Kölsch-getränkt zu zelebrieren.
Deichkind machten hierbei schon vor ihrem eigentlichen Gig alles richtig und verzicheten auf eine Vorband, projizierten statt dessen lieber eine bestens ausgewählte Reihe an Videoclips auf den großen Bühnenvorhang und spielten die dazugehörige Musik laut ab. Die Stimmung wurde so mehr und mehr angeheizt, mit geliebten HipHop-Klassikern wie KRS-Ones “Sound Of Da Police” oder Naughty by Natures “Hip Hop Hooray”, mit rockigen Smashern wie dem Rage Against The Machines “Killing In The Name” oder technoiden Druckmachern wie Salvatore Ganaccis “Horse” samt irrwitzigem Video und sicher nicht jedem bekannten Underground-Elektro-Perlen wie Grossstadtgeflüsters “F***t euch Allee” oder Die Antwoords “I Fink You Freeky”.
Als hätten Deichkind noch auf den Schlusspfiff im Bundesliga-Spiel Köln gegen Schalke gewartet, das mit seinem 3:0 die Stimmung der FC-Fans zusätzlich befeuerte, startete ihr Gig um 20.17 Uhr – allerdings nicht direkt mit ihnen selbst. Vielmehr erklangen einleitende Worte des legendären Regisseurs Werner Herzog und dann wurde ein zehnminütiges, nicht nur künstlerisch durchaus kontrovers von den Fans diskutiertes Intro-Video gezeigt, bei dem Schauspieler Lars Eidinger, der ja bereits in jedem Videoclip zum aktuellen Album “Wer sagt denn das?” mitwirkte, zu klassischen Tönen nackt an einem Seil nach oben gezogen, in einen blauen Farbtopf eingetunkt und dann als menschlicher Pinsel auf einer riesigen Leinwand verwendet wird.
Als sich der Vorhang öffnete und Deichkind dann die Bühne betraten, war die Leinwand im Hintergrund an das Ergebnis angelehnt, und so auch die Klamotten der Jungs. Im Verlauf des Abends sollte dies zumeist so bleiben, bei wechselnden Outfits und Hintergründen, wobei manchmal aber auch schillernde Glitzermäntel getragen wurden, natürlich auch wieder die leuchtenden Tetraeder-Köpfe zum Einsatz kamen oder mal riesige Köpfe über die Bühne liefen. Auch sich drehenden oder über die Bühne fahrende Podeste und gewittrige Lichter wollen wir nicht verschweigen.
Im Mittelpunkt stand also mal wieder eine zwischen Trash und ausgeklügelten Installationen balancierende Show, neben der Musik. Diese kam, abgesehen von den Stimmen, wie gewohnt vom Band, was auch völlig okay ist beim Deichkind-Konzept und bei ihrer Mischung aus Elektro und HipHop besten Sound ermöglicht. Mit “Keine Party” wurde das Konzert eröffnet, und auch wenn einem hier “Wir wollen keine Party, was fällt euch eigentlich ein? Ey Leute, sagt mal geht’s noch? Das kann doch wohl nicht sein!” entgegen schallte, war klar, dass genau das Gegenteil gemeint ist – und so kam es dann auch zu einer fetten Live-Party, wie man sie von den Hamburgern seit vielen Jahren gewohnt ist.
Die Stimmung im Saal war vom Start weg ausgelassen und zu jedem Stück wurde getanzt und mitgesungen. Hierbei lag der Fokus der ersten Konzerthälfte klar auf dem aktuellen Longplayer (lies unsere Rezension hier), von dem nicht weniger als neun der ersten elf Songs kamen, inkl. der weiteren Singles “Richtig gutes Zeug”, “Dinge” und “Wer sagt denn das?”. Zu den Fanfavoriten aus älteren Tagen gingen die Jungs dann im Mittelteil über, als erst der flotte Smasher “Illegale Fans” gebracht wurde, dann das pumpende “Bück dich hoch” (mit kleiner Einarbeitung von Billie Eilishs “Bad Guy”-Klängen) und “Leider geil” in einem Stilmix.
Im weiteren Verlauf ging es – optisch wie musikalisch – bunt zu, und auch gefeierte Klassiker wie “Bon Voyage”, “Arbeit nervt” oder “Hört ihr die Signale” (mit einer Passage aus Frankie Goes To Hollywoods “The Power Of Love” im Mittelteil) fehlten nicht. Zum aktuellen “Bude voll People” standen Kryptik Joe und Porky dann nicht nur wie zumeist mit fünf ergänzenden Mannen wie Roger Rekless auf der Bühne, hier kamen dann dem Titel entsprechend noch jede Menge gleich verkleideter Menschen dazu und erzeugten eine Bühne voll People.
Zu “Roll das Fass rein” hielt man an der ein paar Jahre alten Tradition fest und rollte ein riesiges Fass durch den Innenraum der Arena, in dem Deichkind den Song performten, während oben eine große “Kein Bier für Nazis”-Flagge geschwenkt wurde – neben Anarcho-Spaß als zentrales Motiv bleibt bei den Jungs ja immer auch Raum für eine Message. Am Ende feierten alle noch “1000 Jahre Bier” und gingen mit den Hamburgern nur allzu gerne ans “Limit”, bevor als letzte Zugabe “Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah)” natürlich nicht fehlen durfte. Hierzu wurde die Bühne mit Hüpfburg, Ballons und einem aufblasbaren Kackhaufen-Emoji dann noch zum knallbunten Kindergeburtstag, während ein bemanntes Planschbecken über die Köpfe des Publikums gereicht wurde. Nach mehr als zwei Stunden bester Party mit Deichkind wurden das Kölner Publikum um 22.40 Uhr voll zufrieden in die Nacht entlassen.
Die restlichen Daten der Tournee:
Tickets – wenn noch vorhanden – gibt es z.B. hier bei Eventim (Partnerlink).
Hallentour 2020
03.03.20 Bremen, ÖVB-Arena
04.03.20 Dortmund, Westfalenhalle
05.03.20 Leipzig, Arena
06.03.20 Berlin, Max-Schmeling-Halle
07.03.20 Hamburg, Barclaycard-Arena
Open Airs 2020 (neben einigen Festivals)
25.07.20 Dresden, Filmnächte am Elbufer
22.08.20 Berlin, Parkbühne Wuhlheide
11.09.20 Essen, Seaside Beach Baldeney
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Links:
Website von Deichkind
Website der Lanxess Arena Köln