Wenn der August in seine zweite Hälfte einbiegt, dann stehen stets schon einige der letzten großen Open-Air-Festivals eines Sommers an. Okay, im September finden noch vereinzelte statt, aber das HIGHFIELD FESTIVAL gehört Mitte August seit langem zu den Highlights der Saison. Nachdem es von 1998 bis 2009 am Stausee Hohenfelden nahe Erfurt ausgetragen wurde, was auch zu seiner Benennung führte, feiern Musikfans seit 2010 am Störmthaler See bei Großpösna südlich von Leipzig.
Nachdem einige Jahre bereits mit 35.000 BesucherInnen ausverkauft vermeldet werden konnte, gelang dies 2024 zwar nicht, trotzdem kamen rund 30.000 Festival- und Musik-LiebhaberInnen, um eine sommerliche Party zusammen zu feiern. Der Wettergott meinte es hierfür in jedem Fall gut und bescherte am Freitag – nach einer Warm-Up-Party im Strandbereich und an einer Sponsorenbühne nahe dem Zeltplatz am Donnerstag der erste Tag auf dem großen Gelände – viel Sonne und Temperaturen um die 30 Grad Celsius. Kein Wunder also, dass auf den Zeltplätzen ebenso gute Laune herrschte wie am schönen Festival-Beach, wo viele in Badehose und Bikinis hinschlenderten. In den gut organisierten Camping-Bereichen regierte beste Laune, und auch die vielen Stände am Wiesenweg zu den Bühnen um kleine Aktivitäten wie Karaoke oder Gewinnspiele, aber auch Aktionen für gute Zwecke und natürlich diversen Buden zur Verpflegung inkl. preislich absolut anständigem Festival-Kiosk sorgten für die passende Atmosphäre.
Auf der kleineren Bühne am Strand spielten dann Freitag ab 11 Uhr auch schon drei Bands, bevor sich die Tore zum Hauptgelände um 15.30 Uhr öffneten und eine Stunde später die Stuttgarter Punkrocker Schmutzki auf der größten Bühne – der Green Stage – die wirkliche Eröffnung des Events vollziehen durfte. Indie-Pop-Songwriterin Antje Schomaker war es 30 Miniten später vorbehalten, mit ihren feinen Songs die etwas kleinere, aber auch noch sehr amtliche Blue Stage einzuweihen, wo dann der in weißem, langärmeligem Einteiler viel zu warm eingepackte Betterov mit seiner Band einen ordentlichen Indie-Rock-Auftritt hinlegte, gefolgt vom Berliner HipHopper Makko.
Auf der Green Stage untermauerten nach den Punkrockern von Akne Kid Joe und Montreal die Donots, dass sie auch nach 30 Jahren noch mächtig abrocken – und bildeten so hier als erster Act mit bestens bekanntem Namen auch das erste gefeierte Highlight, mit starken Songs wie “Stop The Clocks” und “So Long”. Nebenan folgte dann direkt das zweite mit dem Chemitzer Rapper Trettmann. Seine relaxten Songs passten bestens in den warmen Sommerabend und sein Set war gut, der Auftritt insgesamt weit mehr wert als der unter dürftigem Sound leidende auf der dritten Bühne des ansonsten tollen Southside Festival 2023, wo wir letztes Jahr waren und wo er uns deutlich weniger überzeugen konnte, ganz anders als hier.
Der Timetable war inzwischen da angekommen, wo man Entscheidungen treffen musste. Während Trettmann in seine letzten 15 Minuten einbog, eröffnete Rapper, Sänger, DJ und Produzent Alligatoah als erster Headliner ab 21.45 Uhr auf der Green Stage sein Set und lieferte im Bühnenbild eines Konzern-Büros, das er nach und nach zerlegte, mal wieder einen starken Auftritt ab. Mit seinem aktuellen Album “Off” schoss der 34-jährige zum dritten Mal auf Platz 1 der deutschen Charts, und hier untermauerte er seine Klasse als Entertainer, zwischen HipHop und Metal abwechslungsreich und äußerst unterhaltend überzeugend. Auf der Blue Stage spielten ab 22.30 Uhr die Senkrechtstarter von Provinz, und auch das schwäbische Indie-Pop-Rock-Quartett zog mit seinen oft mal getragenen, ruhigeren Stücken großes Publikum an.
Den absoluten Höhepunkt bot der erste Festivaltag dann um Mitternacht, als Peter Fox die Nacht zum Beben brachte. Nachdem der mittlerweile 52-jährige Seeed-Sänger 2023 stolze 15 Jahre nach seinem überragenden Solo-Debüt “Stadtaffe” mit “Love Songs” einen zweiten, wieder guten Longplayer veröffentlicht, erneut Platz 1 der Charts gestürmt und hierzu schon großartige Gigs abgeliefert hatte, ließ er hier einen weiteren folgen, der einfach nur grandios war. Nach “Toast” als neuem Song aus 2024 ging es über Stücke wie “Ein Auge blau” oder dem Klassiker “Schwarz zu blau” munter weiter, mit umwerfend viel Action auf der Bühne. Hier wurde der wieder gut aufgelegte Peter nämlich nicht nur von seiner großen, gut eingespielten Band inkl. Co-Frontmann Bensh und Background-Sängerinnen unterstützt, sondern dazu noch von etwa zehn starken TänzerInnen der M.I.K Family und einer zusätzlichen Horde von für den Gig rekrutierten Fans, die einige Moves einstudiert hatten. Das Konzert wurde zu einer riesigen, wild und gutgelaunt abgefeierten Party, bei der Fan-Lieblinge wie “Schüttel deinen Speck” ebenso wenig fehlten wie Hits a la “Zukunft Pink”, und Remixe samt Tanz-Solo-Einlagen kamen dazu. Am Ende sorgte der alte Hit “Alles neu” mal wieder für den größten Abriss, und da das chillige, hier so perfekt zum HIGHFIELD passende “Haus am See” in der Setlist fehlte, aber die Fans es noch forderten, wurde dieses dann auch noch a capella gesunden, von Peter und der beseelten Masse, die dann glücklich in die Nacht entlassen wurde. Einen besseren Headliner kann ein sommerliches Open-Air-Festival kaum haben … und wer noch Lust und Energie hatte, konnte am Strand vor der Beck’s Beach Stage noch bis 5 Uhr zu einem DJ-Set weiter tanzen, oder bis 3 Uhr an der Fritz-Kola Bühne am Hauptweg zwischen den Campingplätzen und dem Konzertgelände.
Auch für den Samstag waren wieder Temperaturen an die 30 Grad angesagt, und doch gestaltete sich dieser – die Camper werden es begrüßt haben – nicht ganz so drückend heiß, kam die Sonne doch erst nachmittags so richtig raus. Die Stimmung war weiter klasse, und nach zwei Bands ab 11 Uhr am Beach ging es auf der Green Stage mit Deine Cousine, Blackout Problems, Fjørt und Pantéon Rococó los, auf der Blue Stage mit Milliarden und Domiziana, bevor die Schwaben von Heisskalt untermauerten, dass sie nach längerer Pause wieder voll da sind und neuen Bock haben auf das gemeinsame Abrocken.
Hier folgte dann Ennio, der seit seiner nicht nur sprachlichen (von Englisch zu Deutsch), sondern auch stilistischen Umkrempelung immer interessantere Songs vorzuweisen hat und zudem über eine amtliche Bühnenpräsenz verfügt. Eine weit größere Masse aber zog dann doch die Antilopen Gang ab 17.45 Uhr auf der Hauptbühne an, die mit “Alles muss repariert werden” im September ein Hälfte-Rap-Hälfte-Punk-Doppelalbum veröffentlichen wird. Kein Wunder also, dass es bei Panik Panzer, Koljah und Danger Dan noch abwechslungsreicher als sonst zuging, inkl. einiger Balladen, wobei Danger Dan auch seine vielbeachtete 2021er-Single “Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt” umjubelt am Piano spielte.
Auf der Blue Stage folgte die Indie-Pop-Band Jeremias aus Hannover mit oftmals getragenen, emotionaleren Stücken, bevor auf der Green Stage die Punkrocker von Feine Sahne Fischfilet aus Mecklenburg-Vorpommern mit Songs aus ihrem letztjährigen Nummer-3-Album “Alles glänzt” ebenso für Bewegung und Jubel sorgten wie mit Klassikern wie “Komplett im Arsch” – und politische Ansagen ließ der wie immer alles gebende Frontmann Monchi natürlich auch nicht aus.
Der Abend verlief dann bekanntlich ganz anders als geplant. Ski Aggu konnte seinen Gig um 20.30 Uhr auf der Blue Stage noch normal beginnen und von einer Verletzung leicht gehandicappt ohne jegliches Live-Instrument zu stumpfen Beats eine Weile abrappen, womit er die Menge voll im Griff hatte, bis dann gegen 21 Uhr plötzlich schwarze Rauchschwaden über das Gelände zogen und ein Feuer am 38 Meter hohen Riesenrad zu sehen war – erst am Boden, dann an einer der 24 Gondeln. Die Musik stoppte, und alle, auch die vor der Green Stage auf The Kooks wartenden BesucherInnen und Bühnencrews, schauten entsetzt zu, wie die brennende Gondel rasch hochgefahren wurde und dort komplett ausbrannte, ebenso wie eine benachbarte, auf die das Feuer übergegriffen hatte. Der Schock saß tief, nur Sirenen durchbrachen die plötzlich herrschende Stille, und ganz offensichtlich kamen die Rettungsfahrzeuge schnell durch zum Ort des Unglücks. Die herbeigeeilten Teams konnten Schlimmeres verhindern, um Verletzte wurde sich rasch gesorgt – teilweise unter Applaus der Umstehenden – und allen Beteiligten kann man nur großes Lob für die umsichtige, schnelle Reaktion in diesem völlig unerwarteten Fall aussprechen, inkl. der Veranstalter. Der Moment, in dem man die brennenden Gondeln sah und nur hoffte, dass hier niemand mehr drin sitzt, ließ den Atem stocken – und die dann nach einer Weile folgende Ansage, dass es allen Verletzten den Umständen entsprechend gut gehen würde und sie nun bestens versorgt würden, war eine Erlösung.
Dass das Konzert der Kooks ausfiel, die man versuchen würde für nächstes Jahr zu engagieren, wurde zur Nebensache, es herrschte ein Stimmungsmix, in dem der Schock langsam der Erleichterung wich, und ein Gefühl, dass die Gemeinschaft hier gut funktioniert hatte – und mit Verstand, holten doch auch nur ganz wenige ihr Smartphone heraus, um die Tragödie zu filmen. Mit der Ansage, dass Cro um 22.30 Uhr ebenso wie geplant auf der Blue Stage auftreten werde wie Rise Against dann um Mitternacht auf der Green Stage, ging es langsam zurück in eine Art Normalität.
Wie Cro auf den Vorfall eingehen würde, war eine spannende Frage, und als sein Konzert mit ca. 20 Minuten Verspätung dann startete, war es schon verwunderlich, dass er es eigentlich gar nicht tat. Gut, nach seinem ersten Song sagte er, dass The Kooks wegen des Vorfalls leider ja nicht hätten spielen können und dass er sie daher hier nun auf die Bühne bitten würde, wo die Jungs um Luke Pritchard dann zwei Stücke inkl. der Hit-Single “Naïve” aus 2006 umjubelt brachten, aber ansonsten spulte Cro sein sommerlich leichtes HipHop-Set so herunter, als habe es kein Unglück gegeben. Vermutlich wollte er die Laune wieder anheben, was auch gelang, aber dass es auch mit mehr Feingefühl geht, zeigten die Rocker von Rise Against aus Chicago dann als abschließender Act des Tages auf der Green Stage. In deren starkem Set widmete Frontmann Tim McIlrath den Song “Savior” allen, die so schnell und engagiert geholfen hatten, und wünschte allen Verletzten gute Besserung – mit dem Zusatz, dass er in 25 Jahren Karriere noch nie so “scary shit” gesehen habe. So macht man das, und nicht nur dies machte Rise Against zum würdigen Hauptact dieses Tages.
Für Sonntag – wo alle sich noch mit den Berichten zum Vorabend belesen hatten und wussten, dass es zwar zwei Schwerverletzte, aber zum Glück niemanden in Lebensgefahr gegeben hat – war keine Sonne mehr angesagt, und bei angenehmen Temperaturen um die 25 Grad hofften alle, dass zumindest die Regenmengen gering bleiben würden – was auch einigermaßen hinhaute, wirklich starke Schauer blieben aus. Erneut ging es mit zwei Acts am Strand los, bevor Shitney Beers, Dilla und Rogers den Nachmittag auf den großen Bühnen eröffneten und dann der sympathische Pop-Barde Nico Santos neben den Ska-Punkern Less Than Jake aus Florida die Vielseitigkeit des HIGHFIELD FESTIVALS unterstrich, wofür auch der Berliner Rapper $oho Bani stand.
Ab 17 Uhr wurde es dann witzig auf der Green Stage, als Olli Schulz mit seiner Band aufspielte und untermauerte, dass er neben Humor in seinen Songs und Ansagen noch einiges mehr zu sagen hat, spielte die Liebe zur Musik doch eine ebenso wichtige Rolle wie Aufrufe zum Zusammenhalt und zu Toleranz, gegen Spaltung in der Gesellschaft. Das machte Spaß, ebenso wie der nebenan folgende Gig von Bukahara, die nicht nur mit Stücken aus ihrem bestens gelungenen 2023er-Album “Tales Of The Tides” für stimmungsvolle, schöne Momente zwischen Folk, Bluegrass, Singer/Songwriter-Pop und Weltmusik sorgten, als Multiinstrumentalisten überzeugten und das Publikum bestens unterhielten.
Für ausgelassene Stimmung stehen seit fast 25 Jahren auch die irisch-amerikanischen Folk-Punkrocker von Flogging Molly aus L.A., die mit ihrem mitreißenden Musik-Mix auch hier für beste Laune sorgten. Mit dem Sympathen Bosse und seinen bestens zum Mitsingen geeigneten Songs wie “Der letzte Tanz” oder “So oder so” ging es Richtung Abend. Dieser wurde eingeleitet von Mando Diao, und die schwedischen Rocker lieferten einen soliden Gig ab, bei dem Sänger/Gitarrist Björn Dixgård vielleicht etwas viel Zeit zwischen den Songs mit ausgiebigen Ansagen verschwendete, und auch sein etwa zehn Minuten langer Battle mit dem neuen Gitarristen Håkan Sörle wirkte leicht überproportioniert. Da freute sich das Publikum doch weit mehr über die griffigen Hits wie “Down In The Past” oder am Ende “Dance With Somebody”.
Gefreut haben sich auch die Fans von Marsimoto, dass das grüne, Weed-affine, außerirdische Alter Ego von Marteria, das nach 17 Jahren in seinen musikalischen Ruhestand geht, seine allerletzte Festival-Show beim HIGHFIELD bestritt. Völlig zu Recht zählte Marsi zu den Headlinern, hüllte die Bühne in grünen Rauch und bot ein packendes, mitreißendes und schwer abgefeiertes Konzert, mit Songs von seinem wieder guten, letzten Album “Keine Intelligenz” und Klassikern wie “Eine kleine Bühne”, “Grünes Haus” oder “Illegalize It”. Nach “Green Granada” mit Gast Kid Simius schloss Marsi dann seine Festival-Karriere Gänsehaut erzeugend mit dem schönen “Solang die Vögel zwitschern gibt’s Musik” ab.
Das Finale des Festivals war dann Macklemore vorbehalten, und jeder, der vorher unsicher war, ob der US-Rapper aus Seattle denn eine Masse ausreichend zum Feiern bringen könnte, wurde eines Besseren belehrt. Okay, live wurde hier an Instrumenten neben Bläser-Klängen und etwas Rhythmen nichts beigetragen, aber mit seinen schnellen Flows, TänzerInnen, optimaler Videounterstützung im Hintergrund und immenser Bühnenpräsenz hatte Macklemore die Menge schnell im Griff. Da störte es auch nicht, dass der Regen noch einmal zurück kam, zu den alten Hits wie zu Beginn “Thrift Shop” und im Finale “Can’t Hold Us” aus Zeiten mit Ryan Lewis oder Solo-Erfolgen wie “Glorious” oder “Good Old Days” – allesamt gut durchgetaktet, nie ausschweifend und mitreißend choreografiert. Zwischendurch bezog Macklemore klar Stellung für die Freiheit Palästinas mit seinem Song “Hind’s Hall” und seinen begleitenden Worten. Er interagierte zudem stark mit dem Publikum, als er erklärte, dass europäische Festivals immer sein Highlight seien, da hier alle unabhängig von Hautfarbe, Religion oder was auch immer zusammen feiern würden, als er ein Mädel zum Singen mit auf die Bühne holte oder zwei für einen kleinen Dance-Battle.
Um Mitternacht war dann Schluss und ein ereignisreiches, gut organisiertes HIGHFIELD FESTIVAL 2024, bei dem auch das wichtige Thema Nachhaltigkeit sich in Bemühungen zur Müllvermeidung, Nutzung von Trockentoiletten oder anderen Details widerspiegelte, fand seinen Abschluss – inklusive der Verkündigung von K.I.Z als erste Headliner für 2025, wo das Großevent vom 15. bis 17. August stattfinden wird. Der Ticketverkauf wurde inzwischen gestartet.
Tickets für 2025:
Der Vorverkauf für das HIGHFIELD FESTIVAL 2025 vom 15. bis 17. August ist gestartet. Tickets ab 169 Euro in der ersten Preisstufe kannst du hier kaufen.
Mehr Infos / Website:
Mehr Informationen zum HIGHFIELD FESTIVAL und zum Line-Up findet man auf highfield.de.