Seit Monaten ist das Konzert von Placebo in Hamburg, wie auch in anderen Städten, restlos ausverkauft. Ein Grund mehr, sich die Band auf dieser Tour anzuschauen, ist die Wahl der Vorband, denn mit Idlewild bekommt man hier ein weiteres Juwel geboten. Deren zweite CD “100 Broken Windows” – eingängiger als das Debüt, trotzdem aber noch knackig progressiv – gehört zu den besten Veröffentlichungen des Jahres 2000. So ist der Andrang vor der Großen Freiheit auch dementsprechend groß. Um 21 Uhr soll es laut Eintrittskarte losgehen, und die Menschentraube aus Einlassbegehrenden und Kartesuchenden ist groß. So groß, dass viele trotz früherem Erscheinen erst wirklich um 21 Uhr in den Saal gelangen. Sie haben Pech, großes Pech, Idlewild nämlich fangen nicht erst jetzt an, sie sind so gut wie fertig. Bereits um etwa 20.30 Uhr (was durchaus unerfreulich ist, wenn 21 Uhr auf der Karte steht und die Halle sich erst um kurz vor 20 Uhr öffnet) beginnen Idlewild mit ihrem Set. Mit vor allem den Stücken der aktuellen Scheibe, aber auch einigen älteren wissen die Jungs wieder einmal voll zu überzeugen. Sie rackern, springen herum, heizen die Stimmung prächtig an und sind somit ein würdiger Support für die großen Placebo. Immer wieder prima, Idlewild zu sehen.
Über Placebo hatte man vom Vortag in Berlin eher Negatives gehört. Das Konzert sei kurz gewesen, und die Berliner Morgenpost sollte am Mittwoch dann schreiben: “Diese Musiker verfügen nicht über die nötige Ausstrahlung, den Zuschauer abseits der Akkorde zu fesseln.” Meinungen können sehr verschieden sein. Als Placebo in Hamburg nun die Bühne betreten, haben sie das Publikum sofort fest im Griff, und dies auch zu Recht. Der folgende Querschnitt durch die Alben der drei Jungs, wobei natürlich das aktuelle “Black Market Music” den größten Anteil hat, ist gut gewählt und überzeugend präsentiert. Sänger und Gitarrist Brian Molko präsentiert sich ebenso wie der mit Irokesenhaarschnitt auflaufende Bassist Stefan Olsdal und Drummer Steve Hewitt am Instrument sicher und – ja – mit viel Ausstrahlung. Komplettiert werden sie durch einen zusätzlichen Keyboarder, der stellenweise auch Gitarrenarbeit übernimmt – und im Hintergrund neben dem Schlagzeug wird versteckt sogar manchmal noch Percussion von einem Crewmitglied beigesteuert.
Die meisten Songs wie der Hit “Every You Every Me” werden um einiges rockiger präsentiert, als man sie von CD kennt, im Tempo nach oben geschraubt – die Stimmung ist bestens. Lediglich die Stücke, bei denen elektronische Loops vom Band mitlaufen, bleiben gewungenermaßen im gewohnten Tempo, “Taste In Men” ist einer dieser drei Songs. Zweimal wird die durchgerockte Show von Balladenblöcken mit je drei Tracks unterbrochen, die Brians hohe stimmliche Qualitäten noch mehr zur Geltung bringen und ganz besondere Stimmung schaffen, bei “My Sweet Prince” oder “Teenage Angst” in der Piano-Version kann durchaus Gänsehaut entstehen. Die Kritik, das Konzert sei kurz, kann bei diesem starken Gig in Hamburg ebenfalls nicht angebracht werden, gibt es doch noch sechs Zugaben, bevor jedermann zufrieden nach Hause geschickt wird. Prima Konzert!