Home MusikKonzertberichte Rock am Ring – Bericht zum Festival am Nürburgring, 2.-4. Juni 2006

Rock am Ring – Bericht zum Festival am Nürburgring, 2.-4. Juni 2006

Autor: Tobi

Nachdem Rock am Ring 2006 wieder mal wie früher an Pfingsten angesetzt war und ein umwerfendes Line-Up bieten konnte, von dem leider die großartigen Muse terminbedingt im Vorfeld und Richard Ashcroft krankheitsbedingt kurzfristiger gestrichen wurden, war klar, dass es voll werden würde am Nürburgring, voller noch als in den Jahren zuvor. Wie immer schwebte eigentlich nur noch meteorologische Unsicherheit über dem Wochenende – schaute man eine Woche vorher in die Wetter-Vorhersagen, so wurde Dauerregen bei ungemütlichen Temperaturen prognostiziert. Irgendwie scheint Petrus aber ab und an dann doch ein Rocker zu sein – pünktlich zum Start des Festivals am Freitag, dem 2. Juni, war es trocken und blieb es größtenteils auch, von einigen wenigen Tropfen am Samstag vormittag mal abgesehen, die aber niemanden schocken konnten. Durch die Tage zuvor war es allerdings auf den Campingplätzen trotzdem noch schlammig, und so richtig warm wurde es auch nur bei Sonnenschein – die Stimmung vor allem auf den Konzerten war aber prima, und so mancher Rocker unterschätzte die Kraft der frühen Juni-Sonne und wurde ungeplant zur Rothaut.

Widmen wir uns der Musik. Am Freitag ging es kurz nach 13 Uhr los, mit Napoleon auf der Alternastage, der zweitgrößten von drei Bühnen, zu denen sich dieses Jahr erstmals auch noch das “Coke DJ-Culture Zelt” mit DJ-Sets gesellte. Eigentlich waren Napoleon etwas früher angesetzt, aber dass die Babyshambles um ihren Skandal-Frontmann Pete Doherty eher nicht um 16.05 Uhr aufkreuzen würden, überraschte eigentlich niemanden so richtig, und so wurde der Zeitplan leicht umgestellt. Später um 2 Uhr nachts erschien Doherty mit seiner Band dann übrigens doch noch – im Drogenrausch hatte er aber vielleicht übersehen, dass er dann gleichzeitig mit Guns ‘n’ Roses aufspielen würde, und die wollte sich niemand entgehen lassen – Pech gehabt!

Für uns begann Rock am Ring 2006 mit den Dresden Dolls um 15 Uhr auf der Alternastage. Das Kanadische Duo hat sich mit zwei Alben und einigen Clubkonzerten schon einen Ruf als Szene-Tipp erspielt, und dies völlig zu recht, sind ihre avantgardistischen Songs samt energetischer, aber auch darstellerisch interessanter Show doch etwas Ungewöhnliches. Amanda Palmer (Gesang, Klavier) und Brian Viglione (Drums, Gitarre, Bass und Backgound-Gesang) leben ihre Musik und zeigten dies auch bei Rock am Ring – wobei ihre Show in kleinerem und vor allem dunklerem Rahmen doch noch weit besser zur Geltung kommt.

Auf der Alternastage ging es mit Kaizers Orchestra, Corinne Bailey Rae und Tomte weiter, mit solider Musik ohne große Aufregung, bevor mit Paul Weller einer der besten Songwriter die Bühne betrat. Unter Wert wurde er von viel zu wenigen Fans gefeiert, trotzdem aber präsentierte er sich professionell mit elf Songs vom Opener “From The Floorboards Up” über “Peacock Suit” und “Above The Clouds” bis zum abschließenden “A Town Called Malice” voll überzeugend mitsamt seiner drei Mitmusiker.

Nach dem ruhigen David Gray spielte dann ein Großer der Musikszene auf der Alternastage – Morrissey, ehemaliger Frontmann der legendären The Smiths. Wie gewohnt erschien er im schicken Anzug und legte ebenso gewohnt einen tollen Auftritt mit 14 Songs hin, eröffnet vom Smiths-Klassiker “Panic”, ansonsten vielen Songs vom grandiosen 2004er Comabck-Album “You Are The Quarry” und dem ebenfalls gelungenen aktuellen “Ringleader Of The Tormentors”, hier und da aber eben auch Smiths-Klassikern wie “Girlfriend In A Coma”. Große Klasse, abgeschlossen von dem Hammer “Irish Blood, English Heart”.

Das Alternastage-Erlebnis am ersten Tag komplettierten die vom Pop mehr zu R&B und HipHop gedriftete, aber selbst hochgeschlossen verpackt hübsch anzusehende und musikalisch auch nicht unansprechende Nelly Furtado (die neben fünf Musikern auch noch einen Tänzer mitgebracht hatte) mit zwölf Songs und Jamiroquai. Vor vier Jahren standen Frontmann Jay Kay und seine Mitmusiker (fünf an der Zahl plus drei Background-Sängerinnen) noch auf der Hauptbühne, und vielleicht war der exzentrische Jay Kay enttäuscht, sich nicht dort wiederzufinden, oder kurz vor 1 Uhr war ihm zu spät – jedenfalls war das Set mit nur sieben Stücken doch etwas zu kurz und dadurch für die Fans trotz guter Show leicht enttäuschend.

Einer von uns an der Alternastage, einer an der Hauptbühne – leider können wir also nichts über die Bands berichten, die auf der Club Stage aufspielten – auch wenn 10 Years, Kashmir oder The Zutons sicher einen Besuch wert gewesen wären. Sie mögen es uns verzeihen.

Kommen wir also zur Hauptbühne, wo Bloodsimple und Stone Sour bereits gespielt hatten, als ich aufschlug. Um 16 Uhr waren Alice In Chains angesetzt, und die wollte ich mir nicht entgehen lassen, auch um zu sehen, ob der neue Sänger William Duvall den verstorbenen Layne Staley annähernd ersetzen kann. Zehn Songs spielte die Band, los ging es mit “It Ain’t Like That” und “Junkhead”, und schnell wurde klar, dass Alice In Chains nach wie vor überzeugen und den Fans Spaß bereiten. Als dann beim vorletzten Stück “Would?” auch noch Metallica-Frontmann James Hetfield als Gast die Bühne betrat, befand sich der Ring in Aufruhr – chillig herumsitzende Fans rannten plötzlich wie bekloppt nach vorne, wollten sich dieses Schmankerl nicht entgehen lassen. Zum Abschluss gab es noch “Man In The Box”, und jeder war zufrieden.

Es folgten mit Dir En Grey die Aushängeschilder des J-Rock-Hype, der schwappenden neuen japanischen Welle. 15 Songs gaben die fünf Asiaten zum Besten und waren anscheinend der Meinung, auch sonst die langweiligen Europäer mal ein bisschen schocken zu müssen. So hatte sich Sänger Tooru Nishimura schon vor dem Auftritt die Brustpartie blutig gesäbelt, später kloppte er sich mit Mikro und Faust die eigene Nase blutig. Die Musik der Jungs ist doch gar nicht so schlecht, dass sie hierauf zurück greifen müssen – na ja, bekloppt, wenn man mich fragt!

Da war man doch froh, dass mit den Deftones um 18.45 Uhr dann wieder eine der altbekannten Konstanten die Bühne betrat. 17 Songs spielten die Jungs um Frontmann Chino Moreno, von “Korea” über “My Own Summer (Shove It)” und “Change (In The House Of Flies)” bis zu “Birthmark” und “7 Words”, und sie überzeugten mal wieder. Inzwischen war es auch schon recht voll vor der Hauptbühne und so nutzen viele Fans dies bei besten Sonnenschein auch zum Crowdsurfen – auch Moreno warf sich ein paar Mal auf das Volk und ließ sich auf Händen tragen. Und als dann mal eine größere Menge an Fans gleichzeitig durch eine Welle stürzte, unterbrach der aufmerksame Moreno vorbildlich für einige Minuten das Set, damit alle wieder aufstehen konnten, und forderte die Fans eindringlich auf, Hingefallenen immer sofort wieder auf die Beine zu helfen – klasse Geste einer klasse (Live-)Band!

Hochkarätig ging es mit KoRn weiter, die nach dem Ausscheiden ihres zweiten Gitarristen Head einige mit Tierköpfen maskierten Gastmusiker mitgebracht hatten. Jonathan Davis und seine Mannen spielten insgesamt 14 Songs als Querschnitt über die Karriere der Band, wobei – die Fans hat es sicher eher gefreut – vom aktuellen Album eher wenige Songs vertreten waren. Das Publikum war vom Opener “It’s On!” an sofort voll bei der Sache, hüpfte und feierte die spielfreudig agierenden Amerikaner gebührend. Besonders gut war die Stimmung natürlich wieder bei den großen Hits “Falling Away From Me”, “Freak On A Leash” und “Blind”, oder beim inzwischen ja schon fast obligatorischen Medley-Part, in dem “Shoots And Ladders”, “Need To”, “Lies”, “Make Me Bad”, “Thoughtless”, “A.D.I.D.A.S.” und “Twist” zusammengemischt wurden. Klasse Gig von KoRn, der kaum Wünsche offen gelassen haben dürfte und bei dem auch Videoprojektionen geschickt als Unterstützung eingesetzt wurden.

Bei den nachfolgenden Tool sind diese Videos legendär, die Show war auch diesmal wieder eine kunstvolle Mischung aus Livemusik und Videoclips – bei Hallenkonzerten kommt dies allerdings sicherlich besser an als bei einem großen Festival wie diesem, wo weiter hinten stehende Fans doch lieber die Band auf den großen Leinwänden sehen wollen – aber das kennt man ja von Tool. Keine Videoübertragung von der Bühne, keine Freigaben für Radio- oder Fernsehausstrahlungen, so sind sie halt. Ich stand zum Glück inzwischen weit vorne am Wellenbrecher und konnte die epischen Metal-Kompositionen der Band so samt der Videoclips optimal genießen. Und als ich mich zum Schluss dann vom Sicherheitspersonal aus der Menge über den Wellenbrecher heben ließ, machte ich auch Bekanntschaft mit deren Zärtlichkeit – danke für die schmerzhafte Rippenprellung … na gut, um 100 kg Ringrocker aus der drückenden und drängelnden masse zu hieven, muss man vielleicht etwas kräftiger zupacken, that’s life!

Inzwischen war es Nacht geworden und von nun wieder weiter hinten wartete ich zusammen mit vielen auf den angekündigten ersten Auftritt von Guns ‘n’ Roses auf deutschen Boden seit 13 Jahren. Was viele im Vorfeld nicht vermutet hätten – er fand dann sogar auch statt, und wie! Axl Rose und seine inzwischen allesamt im Vergleich zum damaligen Line-Up ausgetauschten Musiker legten um kurz vor zwei Uhr mit “Welcome To The Jungle” los und hatten die alten Fans sofort auf ihrer Seite, der Song ist im Laufe der Jahre ja auch nicht schlechter geworden. Axl selbst sieht deutlich älter aus als früher, das Rockerleben ist nicht spurlos an ihm vorbei gegangen, aber seine Stimme ist immer noch gut. Und seine Kondition hatte er anscheinend für die Festivalauftritte im Sommer 2006 auch wieder optimiert, zumindest schien er den Auftritt zu genießen und hatte gar kein Interesse daran, ihn enden zu lassen. Mehrere Gitarren-Soli wurden eingebaut, für müde Ringrocker mitten in der Nacht sicher zu viele, und dazu noch ein Klavier-Solo und eine kleine Jam Session. Dazu gab es 16 Songs aus der Schaffensphase der Band, hierunter drei neue Stücke und die Klassiker “Live And Let Die”, “Knockin’ On Heaven’s Door”, “You Could Be Mine”, “November Rain”, “Sweet Child O’ Mine” sowie abschließend “Paradise City”. Axl ackerte bis kurz vor vier Uhr über die Bühne, manchmal etwas hölzern in den Bewegungen und stellenweise etwas stimmlich neben dem Ton, aber das kennt man ja von früher – die häufigen Outfit-Wechsel eher nicht. Auch wir wechselten nun das Outfit, zogen nach einem gelungenen ersten Tag den Schlafsack über die Ohren.

Solltet ihr euch fragen: “Mann, warum ist dieser Bericht so lang? Wer soll das alles lesen?”, so können wir euch beruhigen. Samstag und Sonntag verbrachten wir gemeinsam, daher gibt es weniger Bands zu besprechen, und außerdem fassen wir uns etwas kürzer.

Den späten Samstag Vormittag nutzten wir nicht wie viele dazu, uns mit Bier jetzt schon auf die kommenden Konzerte einzustimmen, sondern zum Sommerrodeln in Altenahr und – es muss ja nicht immer Grillwurst oder Raviolidose sein – zum Besuch des Asia-Imbisses in Adenau … beides zu empfehlen!

Wie man dann hörte, gab es auch heute wieder eine Änderung im Line-Up. Nachdem Rapper Bushido beim parallelen “Rock im Park” am Freitag schlechte Resonanz erfahren hatte, verließ ihn die Lust, am Ring Gleiches zu erleben, und so fuhr er lieber heim nach Berlin als in die Eiffel. Wir starteten unseren zweiten Tag mit Bullet For My Valentine um kurz nach 17 Uhr und hatten uns richtig entschieden. Ihre zehn Songs von “Her Voices Resides” bis “No Control” bestätigten den guten Eindruck vom Longplayer – die Jungs rocken mächtig ab!

Aus Trägheitsgründen entschieden wir uns dann, weiter vor der Hauptbühne zu verweilen – und so schlecht sind The Darkness ja auch nicht, auch wenn die hohe Stimme von Sänger Justin Hawkins nichts für jede Laune ist. Elf Songs spielten die Glam-Rocker, anfangs etwas schleppender und auch vom Publikum noch verhalten angenommen, dann aber wurde die Stimmung immer besser, und als sie ein “AC/DC-Coverversionen-Medley” mit Songs wie “Highway to Hell” oder “Thunderstruck” spielten, dann ihren Hit “I Believe In A Thing Called Love” nachschoben, da hatten sie dann doch das Publikum voll auf ihrer Seite und wurden umjubelt.

Um später bei Metallica nicht hinten zu stehen, blieben wir weiter vor der Center Stage und mussten dort Reamonn über uns ergehen lassen. Die Mannen um Frontmann Rea Garvey hatten extra ein flotteres, rockigeres Set zusammengestellt, aber vor Metallica waren sie doch merklich deplatziert und wurden auch nur geduldet, nicht bejubelt. 13 Songs gaben Reamonn zum Besten, natürlich inklusive der Hits “Promise (You And Me”, “Supergirl” und “Josephine”, bei denen dann auch mal etwas mitgeklatscht wurde … aber eigentlich wartete jeder auf Metallica.

Um 22 Uhr war es dann soweit, die Metal-Helden von Metallica kamen auf die Bühne und eröffneten mit “Creeping Death” ihr Set. Vor der Hauptbühne war es natürlich proppevoll und die Fans waren von der ersten Sekunde an ausgelassen und in bester Stimmung. Mit “Fuel”, “Wherever I May Roam”, “For Whom The Bell Tolls” und “Fade To Black” ging es weiter – James Hetfield und seine Mannen zeigten sich in Bestform, das Publikum rastete komplett aus. Als ein kleines Video “Battery” einleitete, da vermuteten die wenigsten, dass nun das komplette “Master Of Puppets”-Album in Originalreihenfolge kommen würde. Hetfield machte dies dann aber mit “20 Years – Happy Birthday, Master Of Puppets – now the entire album” klar, und in der folgenden Zeit wurde noch einmal klar, wie großartig dieses Album war und ist – super Songs, auch heute noch live der Hammer. Natürlich war dies noch nicht alles. “Sad But True”, “Nothing Else Matters”, “One”, “Enter Sandman”, “Last Caress” und “Seek & Destroy” komplettierten den überragenden und über alle Maße umjubelten Auftritt von Metallica, teilweise wurde durch Pyrotechnik zusätzlich eingeheizt. Viele Klassiker und kein Song vom enttäuschenden “St. Anger”-Album, welches beim letzten Auftritt am Ring noch aktuell war und dessen Songs zumeist nicht gut ankamen – Metallica machten alles richtig. Da es sowieso nicht mehr besser werden konnte, sollte es das dann auch gewesen sein für den Samstag und wir zogen nicht mehr weiter zu einer anderen Bühne. Soulfly, Bloodhound Gang und Turbonegro hatten wir so zwar nicht gesehen, aber waren doch voll zufrieden.

Wie immer herrschte am Sonntag schon chilligere Atmosphäre, auf den Campingplätzen packten alle, die nicht bis Montag bleiben wollten, schon die Zelte ein und schafften diese ins Auto, mancher fuhr auch schon heim – es liefen nicht mehr so viele Alkoholleichen durch die gegend, und die Sonne schien wieder und sorgte für zusätzlichen Entspannungseffekt. Wir entschlossen uns, die Umgebung zu erkunden, besuchten die Nürburg und stiegen dann hinauf zum höchsten Punkt der Eifel, dem Kaiser-Wilhelm-Turm auf der Hohen Acht.

Um kurz vor 16 Uhr waren wir zurück am Festivalgelände und sahen uns die Kaiser Chiefs auf der Center Stage an – ihre elf Songs wussten durchaus zu gefallen, sind cooler, eingängiger Brit-Rock, und dafür, dass die Jungs erst ein Album am Start haben, welches wir nicht zu Hause haben, kannten wir mehr Songs als gedacht. Stücke wie “Everyday I Love You Less And Less”, “I Predict A Riot” oder “Oh My God” bleiben aber auch einfach im Ohr hängen. Gelungener Einstieg in den letzten Festivaltag für uns.

Es folgten die Sportfreunde Stiller, die sichtlich dankbar waren, auf der Hauptbühne spielen zu dürfen, auch mehrfach erwähnten, wie viel Spaß sie hieran hätten. Im WM-Jahr kamen die Fußball-Songs ihres aktuellen Albums natürlich gut an in Mischung mit bekannten Songs wie “Ich, Roque”, “Ein Kleiner Schritt”, “Wunderbaren Jahren” oder “Ein Kompliment”. Die Hymne “’54, ’74, ’90, 2006” spielten sie gleich zu Beginn und stimmten diese dann noch zwei oder drei Male mehr an, stets feierten die fußballverrückten Fans mit. zwischen den Songs gab es witzige Ansagen der drei sympathischen Jungs – durchaus ein gelungener Auftritt.

Kein Grund, die Hauptbühne zu verlassen – es folgten die Rocker von Franz Ferdinand. 15 Songs spielten sie, und nicht nur bei den Hits wie “Do You Want To?”, “Matinee” oder “Darts Of Pleasure”war die Stimmung bestens, die Jungs verstanden es auch sonst, mit ihrer Show die Masse zu fesseln.

Etwas enttäuschend gestaltete sich die erste halbe Stunde von Placebo, die wir schon in weit besserer Form live gesehen hatten. “Infra-Red”, “Meds”, “Because I Want You” … die ersten Songs waren ja nicht übel, doch die Placebo-Magie wurde irgendwie nicht versprüht. Für uns nicht so schlimm, mussten wir doch sowieso weg, um…

…Keane auf der Alternastage nicht zu verpassen. Nach dem überragenden 2004er Debütalbum “Hopes And Fears” waren wir nicht nur auf die Songs vom neuen Album “Under The Iron Sea” gespannt, sondern auch darauf, wie sich Keane live präsentieren würden, profitieren ihre Songs doch auch von großartiger Produktion. Dies taten sie voll überzeugend. Die Stimme von Tom Chaplin kam live ebenso klar, sauber und stark wie bei den Studioaufnahmen, und musikalisch war es interessant, mitanzusehen, wie Timothy James Rice-Oxley an den Tasten ackerte, um das volle Klangbild zu erzeugen – selbst die nach E-Gitarre klingenden Töne zwirbelte er aus den Geräten. Richard David Hughes spielte dazu die Drums, und zu dritt brachten sie schon megamäßig starke Musik auf die Bühne. 13 Songs spielten Keane, vom neuen Album das tolle “Put It Behind You”, “Atlantic”, “Nothing In My Way”, “Try Again”, die Single “Is It Any Wonder?”, “A Bad Dream” und “Crystal Ball”, dazu vom Erstling die Ohrwürmer “Everybody’s Changing”, “Bend And Break”, “Somewhere Only We Know”, “We Might As Well Be Strangers”, “This Is The Last Time” und zum Abschluss “Bedshaped”. Ein tolles Konzert mit wundervollen Songs!

Abschließend ging es dann natürlich zu Depeche Mode, dem Hauptact des Sonntags. Hier standen wir Keane-bedingt etwas weiter hinten und wurden so Zeuge, dass die Stimmung nicht überall so gut war, wie sie in der Fernsehübertragung aussah. Marek Lieberberg redete ja schon seit Jahren von seinem Wunsch, die Engländer mal zu Rock am Ring zu holen, nach der Rückbesinnung auf die Rockwurzeln des Festivals aber ist fraglich, ob sie denn hier überhaupt gut aufgehoben sind vor Fans von Metallica, KoRn und Tool. Von den Fans werden Depeche Mode geliebt, fast vergöttert, und obwohl ich einer der größten Fans bin, brachte der Festivalauftritt nur bedingt Freude. Es war nicht so extrem wie bei Tool, aber die für die Hallentouren durchgestaltete Videowand-Choreografie von Depeche Mode brachte den hinten stehenden auch nicht gerade einen optimalen Eindruck vom Konzert, zu hektisch und stressig sind die Bilder arrangiert. Und um uns herum herrschte bei weitem nicht die ausgelassene Stimmung der vorderen Reihen, etwa ab der Mitte ebbte sie stark ab – es wurde etwas mitgewippt und bei dem einen oder anderen Song auch mitgesungen, Depeche Mode wurden aber eher zur Kenntnis genommen als gefeiert. So machten wir unsere eigene Party, tanzten soweit ob der Enge möglich und verzichteten größtenteils auf optischen Genuss, hierfür sah man sowieso zu wenig. Depeche Mode selbst ist nichts vorzuwerfen, sie spielten ein gutes Set, eben das der aktuellen Tour, wichen zum Schluss aber noch etwas ab, indem sie den Klassiker “Photographic” einbauten. Dave gab sich rockiger als bei den eigenen Konzerten, schrie hier und da mehr, wollte somit dem Motto gerecht werden – nur werden sie nie eine Rockband sein, und das ist auch gut so.

Für uns bedeutete dies auch den Abschied von Rock am Ring 2006, wir fuhren heim – insgesamt sehr zufrieden mit den drei Tagen. Wenn Muse nicht abgesagt hätten, wäre sicherlich ein Highlight mehr noch zu feiern gewesen, und wenn man vielleicht noch System Of A Down und die Red Hot Chili Peppers hätte verpflichten können, wäre das Line-Up nahezu perfekt gewesen. Aber man kann ja nicht alles haben – die Besetzung war auch so großartig und Rock am Ring bleibt die erste Festivaladresse in Deutschland.

Wir danken Apple, mit iTunes einer der Hauptsponsoren von Rock am Ring 2006, für die freundliche Unterstützung bei der Ermöglichung unseres diesjährigen Berichts.

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