Man kann es nicht verleugnen – in den letzten Jahren schrieb das Festival ROCK AM RING nicht immer nur positive Schlagzeilen und stand auch einige Zeit nicht unter einem guten Stern. Die zwei Jahre im ungeliebten Exil auf dem Flugplatz in Mendig waren von Wetterkapriolen und damit verbundenen Unglücken bis hin zum Festivalabbruch 2016 geprägt. Die Rückkehr an den Nürburgring im Jahr 2017 wurde dann von einer Terrorwarnung und dem damit verbundenen Abbruch des ersten Festivaltages samt Ausfall des Headliners Rammstein überschattet – wobei es trotzdem noch ein gelungenes Festival gab, hier unser Bericht. Da brauchte man das Jahr 2018 als Konsolidierung und Beweis, dass es auch ohne Probleme gehen kann. Zwar war dann mit nur knapp über 70.000 Besuchern ein starker Rückgang des Zuspruchs zu verzeichnen, aber das Vertrauen in das renommierte und traditionsbehaftete Festival konnte zurück gewonnen werden, das Pech war abgeschüttelt – hier unser Bericht. Nachdem noch während ROCK AM RING 2018 Die Ärzte als Headliner für 2019 verkündet wurden, war auch abzusehen, dass es wieder voller werden würde.
So war es dann auch, mit etwa 85.000 Besuchern bewegte sich ROCK AM RING 2019 nahe an ausverkauft, was vor allem am Samstag und Sonntag dann auch während der großen Bands zu sehen war, während es Freitag noch etwas luftiger zuging. Das galt nicht nur für die Zuschauerzahl – auch heftige Windböen kalter Natur hatten sich eingefunden, die im Zusammenspiel mit minütlich wechselndem Wetter von Sonne bis Regen den Spaß leicht trübten und dafür sorgten, dass die Veranstalter die Szenerie genau im Auge behalten mussten. Hier wurde gewohnt professionell reagiert. Die Banner-Planen wurden zur Sicherheit eingeklappt und einige Leinwände zeitweise eingefahren – was auf der Hauptbühne (Volcano Stage) dank neuer LED-Technik nicht mehr notwendig gewesen sei, wie André Lieberberg auf der Pressekonferenz am Sonntag mitteilte. Diese Wände werde man im nächsten Jahr auch für die zweitgrößte Bühne (Beck’s Crater Stage) übernehmen, denn gesteigerte Bildqualität und mehr Sicherheit sprechen für sich. Ein laut Lieberberg durchaus im Bereich des Möglichen befindliche Räumung des Geländes bei noch stärkerem Sturm wurde allerdings zum Glück nicht notwendig, und so konnten alle zusammen feiern. Wie schon in den Vorjahren wurden die Fans auch wieder dank bestens funktionierender Kommunikationswege über Social Media, Ansagen etc. informiert, die Organisation – auch um Bühnen und Festivalplatz herum – war auch in 2019 wieder lobenswert.
Auch wenn es am Freitag im Vergleich vielleicht noch nicht ganz so voll war, wurde ein stattliches Programm geboten. Während auf der kleinster der drei Bühnen, der Alternastage, harte Bands wie Bad Wolves, Kvelertak und Beartooth aufspielte, ging es auf der Beck’s Crater Stage äußerst abwechslungsreich zu. Against The Current waren hier zu sehen, Welshly Arms überzeugten mit ihrem von Soul getragenen Rock, der Frontmann von Cage The Elephant trotzte oberkörperfrei den Winden zu weit progressiveren Tönen, die wunderbaren Foals legten einen ihrer tollen Auftritte hin, SDP sorgten für Party-Stimmung, und mit den britischen Indie-Rockern The 1975 sowie Rap von Bonez MC & RAF Camora waren auch die späten Spielzeiten sehr konträr besetzt.
Auf der Volcano Stage eröffneten Badflower, Deadland Ritual und Halestorm vor noch kleineren Besuchermengen Festivaltag 1, bevor es zu Alice In Chains dann schon merklich voller wurde. Auch Gitarrist Slash zieht immernoch größere Mengen an, wie hier mit Frontmann Myles Kennedy zu sehen. Die wahren Highlights des ersten Tages aber waren die tollen The Smashing Pumpkins um den charismatischen Frontmann Billy Corgan, die mit Klassikern wie “Bullet With Butterfly Wings”, “Ava Adore” oder “Tonight, Tonight” Erinnerungen aufkommen ließen und zu überzeugen wussten, und als Headliner von Tag 1 Tool. Diese untersagten wie immer jegliche Übertragungen der Musiker auf Leinwände und blendeten dort stattdessen psychedelische Videos ein – was für die hinten stehenden Besucher stets etwas fragwürdig ist. Aber so ist er nun einmal, der äußerst eigenwillige Sänger Maynard James Keenan, den man nicht als Frontmann bezeichnen kann, weil er ja immer versteckt und auch nicht groß von Scheinwerfern erfasst hinten auf der Bühne platziert ist, wie auch hier. Mit auffallendem Iro, schwarzer Schminke und Lederjacke wäre er durchaus auch ein Mann für den Fokus, aber während vor einem Jahr Jared Leto beim Freitags-Headliner Thrirty Seconds To Mars vor allem sich selbst feierte, geht es Keenan eben um die Musik. Das ist ehrlich gesagt weit angenehmer trotz der besagten Einbußen, denn musikalisch wussten Tool voll zu überzeugen mit Stücken wie “Schism”, “Ænema” und “Stinkfist”.
Am Samstag gingen die Temperaturen zwar leider noch einmal deutlich herunter und auch der kühle Wind hielt sich energisch, das Festival steuerte aber trotzdem auf den Siedepunkt zu, waren mit Die Ärzte und Slayer doch gleich zwei Headliner angesetzt – leider zeitgleich, was durchaus schade war und auch viel kritisiert wurde. André Lieberberg erklärte hierzu in der Pressekonferenz, dass man dies auch gerne vermieden hätte, auf Grund eines nur sehr kleinen Zeitfensters seitens Slayer sei es aber leider nicht anders machbar gewesen.
Tagsüber verpflegten sich die Fans im zur Institution gewordenen, großen Lidl Rock Store und hatten trotz des kühlen Wetters Spaß auf den Campingplätzen, nachmittags begann dann wieder die Musik zu regieren. Auf der Alternastage spielten am zweiten Tag Bands wie Ryan Sheridan und Kovacs, abends hatte hier der starke Left Boy die imaginäre Arschkarte, als er parallel zu den Ärzten und Slayer angesetzt war – die vermutlich undankbarste Zeit des Festivals, aber was soll man machen, einen muss es treffen. Da hatten es Alle Farben als elektronischer Farbtupfer der Nacht dann ab 0.45 Uhr schon besser, denn sie konnten um diese Zeit durchaus einige Fans absorbieren.
Auf der Beck’s Crater Stage rockten harte Bands wie The Fever 333, I Prevail, Trivium und Three Days Grace die Fans warm, später spielten mit Architects und Sabaton weitere namhafte Kracher, bevor Slayer auf ihrer Abschiedstournee 70 Minuten lang bewiesen, dass trotz voller Auslastung vor der Hauptbühne auch hier noch sehr viele Fans verfügbar waren, die den Metal-Legenden ein würdiges Konzert bescherten. Nachts legten Die Antwoord dann noch einen sehr speziellen, aber unterhaltsamen Auftritt hin.
Volcano Stage, Samstag, Die Ärtze. Ihre Rückkehr mit in Deutschland für 2019 exklusiven Konzerten bei ROCK AM RING und ROCK IM PARK war Grund genug für viele, schon frühzeitig in Zone A vor der Hauptbühne zu flanieren und dort dann mit den Tag zu verbringen – denn am späten Nachmittag kam man hier schon nicht mehr herein. Nicht nur deshalb freuten sich Seiler und Speer bereits um kurz nach 16 Uhr über regen Zuspruch, die abwechslungsreiche Musik des österreichischen Duos und seiner Band wusste auch sonst zu gefallen und die sympathischen Jungs legten einen guten Auftritt hin, auch wenn es ihnen nicht gelang, “Gitti” als Ersatz zum “Helga”-Ruf zu etablieren.
Mächtig voll wurde es dann bereits bei Feine Sahne Fischfilet. Die Band um Sänger Monchi rockte gewohnt gut ab und man sah ihnen die Freude, hier auf der Hauptbühne vor so einer Masse spielen zu dürfen, nicht nur an, Monchi drückte seine Begeisterung auch regelmäßig aus und versorgte die Fans vor der Bühne ordentlich mit Bier und Schnaps. Natürlich kamen auch politische Botschaften nicht zu kurz, gegen Rechts, für Flüchtlinge und ihnen helfende Organisationen samt gezeigtem Banner für die Iuventa, und generell für Akzeptanz und gegen jegliche Diskriminierung. Feine Botschaften, feiner Punk-Rock – ein Sahne-Konzert auf der Hauptbühne. “Komplett im Arsch” war hier dann trotz dieses Abschiedssongs niemand, alle waren bestens gelaunt. Fröhlicher im Grundton wurde es dann mit den Dropkick Murphys, die mit ihrer Mischung aus Irish Folk und Punkrock die Stimmung im oberen Bereich halten konnten, bevor Bring Me The Horizon um den nicht nur mit seinen vielen Tattoos auffallen Frontmann Oli Sykes bewiesen, dass auch ihre von einigen als zu poppig eingestuften, neuen Stücke sich auf einem Rockfestival bestens machen, gepaart mit älteren Songs wie “Drown” oder “Can You Feel My Heart” und einer aufwändigen Bühnenshow.
Um 22.35 Uhr war es dann soweit, Die Ärzte kehrten nach sechs Jahren Abstinenz zurück auf deutsche Bühnen – wobei, nein, das hatten sie tags zuvor bei Rock im Park gemacht, hier aber gab es die umso größere Rückkehr der drei spaßigen Punkrocker aus Berlin. Mit dem vom “Country Roads”-Refrain eingeleiteten “Unrockbar” legten Farin, Bela und Rod los und boten bis kurz nach 1 Uhr ein völlig überzeugendes Set. “2000 Mädchen”, “Lasse redn”, “Angeber”, “Rebell” – wie es halt ist, wenn man nur ein paar neue Songs am Start hat, wurden Klassiker über Klassiker verabreicht, zusammen mit den üblichen Scherzen zwischendurch, so wie man die Jungs liebt. Jeder der Drei hatte hierbei natürlich seine Zeit am Mikro, Rod und Farin tauschten auch mal die Instrumente für einige Nummern, und dass der im Glitzeranzug daher gekommene Bela nicht nur hinter seinem Steh-Schlagzeug bleibt, das kennt man ja. Das Konzert war eine einzige große Feier, Songs wie “Manchmal haben Frauen…”, “Schunder-Song” und “Junge” wurden lauthals mitgesungen, beim zunächst als Reggae-Version angelegten “Westerland” sollten dann auch erst einmal nur die über 70.000 Fans vor der bis hinten am Riesenrad prall gefüllten Volcano Stage singen. Bei “Schrei nach Liebe” setzten sich alle hin, um dann beim ersten “Arschloch” aufzuspringen, La Ola wurde zelebriert, Handy-Taschenlampen-Hochhalten mit Drehung – da brauchte es keine zu aufwändige Bühnengestaltung, ein großes Leucht-A mit drei sich drehenden Punkten darüber, Licht und hin und wieder mal etwas Funken reichten völlig aus – hier hatte jeder massig Spaß. Ein bisschen improvisierte Cover zwischendurch wie das Anreißen einiger Queen-Titel, immer wieder Sprüche und Quatsch-Gelaber – das gehört dazu, das wollen alle auch sehen. Gut, dass die Veranstalter der ausdrücklichen Bitte der Ärzte entsprochen hatten, 30 Minuten länger spielen zu dürfen. Zu einem vorher diskutierten, möglichen Abschied äußerten sich die Punkrocker nicht, spielten “Abschied” in einer Version mit “Rapper’s Delight”-Sprachgesang von Farin dazu, zelebrierten vielmehr eine massive “Rückkehr” – auch dieses Stück blieb nicht aus.
Der Sonntag begann freundlich mit wieder gestiegenen Temperaturen und Sonne – für das Finale des Festivals war also stimmungstechnisch schon einmal der Teppich ausgelegt. Auf der Alternastage waren Bands wie Lie A Storm, Kadavar, Graveyard, Black Rebel Motorcycle Club, Eagles Of Death Metal und Hot Water Music angesetzt – also auch keine Unbekannten. Auf der Beck’s Crater Stage ging es hingegen am Sonntag hiphoppig zu, hier traten Acts wie BHZ, KC Rebell, Kontra K und Alligatoah auf, bevor später mit Bastille eine Indie-Rockband für etwas Nicht-Sprechgesang sorgte.
Das Wetter brachte gute Laune mit sich, und so nutzten auch Sonntag wieder viele den Bereich des Luna Park mit Riesenrad, aus dem man eine wunderbare Aussicht auf das Gelände, die Nürburg und die herum liegende Eifel hat, und dem durchwirbelden Commander. Neu war hier die Installation einer Karaoke-Bühne mit anschließender Sitz-Tribüne, übernommen aus dem Berliner Mauerpark, wo das Ganze jeden Sonntag für sehr gute Stimmung sorgt. So war es auch hier, über drei Tage schmetterten die Besucher in verschiedenen Promillezuständen, aber zumindest körperlich nie zu peinlich, Songs wie Robbie Williams “Angels” oder Westernhagens “Sexy”, brachten damit die Zuschauer zum Mitsingen bzw. -grölen. Das Konzept ging auf, die Ränge waren stets gut gefüllt, diese spaßige Abwechslung wurde angenommen – Karaoke darf in 2020 gerne wieder kommen.
Auf der Volcano Stage standen abends mit Tenacious D und Slipknot auch wieder zwei große Bands auf dem Programm, und so wurde es auch am Sonntag wieder früher voll. Nachdem Atreyu, Godsmack und Amon Amarth hier allerdings eine laut rockige Grundlage gelegt hatten, war die Ansetzung von The Bosshoss nicht zu verstehen und neben der Parallel-Veranstaltung von Die Ärzte und Slayer der einzige richtig große Kritikpunkt am Spielplan. Die TV-Show-affinen Country-Rocker wollten hier auf Hauptbühne die wenigsten sehen, aber wer sich für die folgenden Konzerte in den Zonen A und B einen Platz ergattert hatte, der musste The Bosshoss nun über sich ergehen lassen, die mit Armwedel oder Mitklatsch-Animationen die Lage zu retten versuchten, und ja, die Leute machten hier auch einigermaßen gut mit, ohne dass Begeisterung aufkommen konnte.
Ganz anders war es dann bei Tenacious D. Jack Black und Kyle Gass spielten mit ihrer Band einen hervorragenden Gig. Ihre witzigen, erzählerischen Stücke wie “Rize Of The Fenix”, “The Metal” oder “Tribute” wurden von der Masse gefeiert, die Laune war bestens, und nicht nur das abschließende “Fuck Her Gently” wurde laut mitgesungen. Ein perfektes Konzert zur untergehenden Sonne an einem sehr angenehmen, endlich windfreien Sonntag, an dem der große Fanzuspruch auch wieder bestens erkennbar war – vor der Hauptbühne war es voll bis ganz nach hinten.
Um 22.45 Uhr dann betraten die Maskenmänner von Slipknot als Letzte für 2019 die Volcano Stage und schmetterten 90 Minuten Metal in die Eifel. Wie man sie kennt wurde mächtig Tempo gemacht, es ging brachial zu, so dass natürlich Mosh Pits, Circle Pits etc. nicht fehlten. Mit “People = Shit” und “(sic)” legten die Mannen aus Iowa los und ihre aufwändige Show mit verschiedenen Bühnenebenen, zwei heraus stehenden Percussion-Kanzeln zusätzlich zum Drummer, starken Lichteffekten und Pyrotechnik wusste selbst die zu überzeugen, denen das Ganze eigentlich etwas zu hart war. Zur ersten Zugabe “Spit It Out” hockten sich die Fans kurz hin, um dann gemeinsam auszurasten, und mit “Surfacing” wurde auf der Hauptbühne das Licht ausgeschaltet, wie immer gefolgt von einem schönen Feuerwerk, das von der Nürburg für einige Minuten in die Luft geschossen wurde.
Die einen gingen zurück zum Zeltplatz oder rüber zu Hot Water Music, viele aber zur Beck’s Crater Stage, auf der zum Abschluss Marteria & Casper ab 0.30 Uhr angesetzt waren. Die beiden, die zusammen ja ihr Album “1982” veröffentlicht hatten, boten vor einer großen Masse an Fans ein wunderbares Finale. Gemeinsame Hits wie “Champion Sound” und “Supernova” wurden natürlich gespielt, und dazu gab es Highlights der beiden als Einzelkünstler, wie “Endboss”, “Scotty beam mich hoch” oder “Kids (2 Finger an den Kopf)” von Marteria und “Auf und davon”, “Im Ascheregen” oder “Lang lebe der Tod” von Casper. Bei jedem Song wurden die Fans animiert, die Hände nach oben zu bringen, und das klappte nach drei langen Tagen noch erstaunlich gut, was natürlich an ihrer packenden Musik lag. Einige Songs spielten Marteria & Casper nicht auf der Bühne, sondern auf einem im hinteren Bereich des Zuschauerraums geparkten “1982”-Pickups, auf dem sie gut abgingen und mit Feuereffekten für tolle Abwechslung inmitten der Menge sorgten. Ein würdiger Abschluss von eines bestens gelungenen ROCK AM RING 2019 – sicher werden viele der Musik-Begeisterten und Festival-Gänger nächstes Jahr vom 5. bis 7. Juni 2020 gerne wieder in die Eifel kommen und feiern.
Mehr Informationen vom Veranstalter wie Fotos und News, vor allem dann auch zu Rock am Ring 2020, findet man auf www.rock-am-ring.com.