Nachdem letztes Jahr klar wurde, dass “Rock am Ring” 2015 nicht mehr am Nürburgring stattfinden würde, planten Wizard Promotions / DEAG hier ein Nachfolgefestival, um erstens den Liebhabern des Rings wieder gute Musik dort anzubieten, zweitens den Fokus wieder auf Rockmusik zu legen. “Grüne Hölle Rock” wurde verkündet, zeitgleich zum Geschwisterfestival “Rockavaria” in München. Als Anfang April verkündet wurde, dass das Festival auf Grund von Vertragsstreitigkeiten mit den Betreibern der Rennstrecke vom Nürburgring in die Arena auf Schalke (und darum herum) in Gelsenkirchen verlegt werden würde, war die Enttäuschung groß. Trotzdem blieb die Vorfreude auf Bands wie Metallica, Muse und Kiss…
Schon einige Tage vorab wurde klar, dass der Wettergott sich noch eher im Ring-Modus befand und kühles Wetter mit Regen bereit halten würde – alles andere als optimal für die knapp 4000 Camper, die anders als am Ring nicht einmal nah an der Veranstaltung ihre Zelte aufschlugen, sondern an der ca. 8 km entfernten Trabrennbahn, um dann mit Shuttle-Bussen zu den Konzerten zu gelangen. Diese sollten auf drei Bühnen stattfinden – der “Big Stage” im Fußballstadion, der “Boom Stage” als kleinere Open-Air-Bühne und der “Bang Stage” in der noch weit kleineren, an den Arena-Parkplätzen gelegenen Emscher-Lippe-Halle.
Am Freitag, dem 29. Mai 2015, startete das Festival mit diversen kleineren Bands. Die erste Combo, die ich mir ansah, waren “Within Temptation”, die in der Arena aufspielen durften. Die Band um Leadsängerin Sharon den Adel lieferte einen guten Gig ab und heizte der langsam wachsenden Menge in der vermutlich aus Gründen der Wettersicherheit an allen drei Tagen zur Halle umfunktionierten Arena ab 17 Uhr mit ihren Songs schon mal etwas ein.
Um 18.30 Uhr stand dann ein lang erwartetes Konzert auf dem Programm: Die seit 2009 bereits wiedervereinten Faith No More hatten Mitte Mai 2015 mit “Sol Invictus” ihren ersten Longplayer seit “Album Of The Year” aus dem Jahr 1997 veröffentlicht, und die Klasse der Scheibe hatte viel Appetit gemacht, die Band mal wieder live zu sehen. Mit ein paar Minuten Verspätung ging es dann auch los und das einstündige Konzert erfüllte (bis auf die verkürzte Spielzeit) alles, was man sich erhofft hatte. Ganz in Weiß gekleidet und von einer Blumendekoration umgeben, als würde hier eine indische Hochzeit gefeiert werden, spielten Faith No More eine gute Mischung aus neuen Stücken und Klassikern wie “Epic”, “Midlife Crisis” oder der Commodores-Coverversion “Easy” – vom genialen Frontmann Mike Patton mit “You love this shit, right?” bei den ersten Tönen stilvoll eingeleitet, dem er später ein ironisches “Sing, Metalheads!” folgen ließ. Nicht nur Patton überzeugte mit seinem Gesang und seiner facettenreichen Mimik, mit der er zwischen Charmeur und Biest tänzelte, die ganze Band lieferte bestens ab.
Zum abschließenden Konzert von Metallica dann war die Arena gut gefüllt – Innenraum und Unterrang (der Oberrang wurde nicht geöffnet) waren nicht ganz belegt, aber doch recht voll. Außerdem wurde schnell klar, dass Metallica ca. 100 Fans ganz besonders positioniert hatte, nämlich auf der Bühne. Das gesamte Konzert durften die Glücklichen hautnah dort, hinter der Band platziert, miterleben – singend, tanzend, hier und dort Fotos erhaschend oder manchmal auch ergriffen von dem, was da gerade passierte. Die Metal-Helden von Metallica lieferten indes ein frenetisch gefeiertes, zweistündiges Konzert ab, welches ein Querschnitt durch ihre lange Karriere darstellte und bei dem auch einige Songs mit ins Line-Up genommen wurden, die man selten live gesehen hat in den letzen Jahren. James Hetfield und Co. hatten offensichtlich Spaß und übertrugen die gute Laune auf die Menge – großartiges Konzert, bei dem Klassiker wie “One”, “Master Of Puppets”, “Nothing Else Matters” oder “Enter Sandman” dann auch nicht fehlten. Hinterher wurde die Laune dann allerdings beim Verlassen der Arena durch Kälte und strömenden Regen schnell wieder eingedampft und auf Grund mangelnder Beschilderung suchte nicht nur ich nach Orientierung…
Am Samstag sah es wettertechnisch etwas besser aus, was der Festivalstimmung extrem zu Gute kam. Bands wie Triggerfinger und Paradise Lost waren nachmittags bereits zugange – ich stieg mit Babymetal um 16.35 Uhr ein, die mir empfohlen worden waren. Vor der Boom Stage hatten sich viele Interessierte versammelt und waren bald ebenso begeistert wie ich von der skurrilen Mischung aus drei völlig unschuldig aussehenden, niedlichen, japanischen Mädchen und der begleitenden Death-Metal-Band. Witzig, aber auch musikalisch ansprechend dank netter Gesangsmelodien, die auf fette Riffs und Double-Bassdums treffen – und die Choreografien der Mädels bereiten viel Spaß.
Als nächstes zog es mich wieder in die Arena, wo The Hives aufspielten. Die wie immer etwas selbstverliebten Schweden lieferten in weißen Anzügen einen guten Gig ab mit gradliniger Rockmusik, die mitreißt. Die Menge, die zum Mitgerissen-Werden verfügbar war, kristallisierte sich allerdings jetzt schon als weit geringer heraus vergleichen mit dem ersten Tag … hier hatten doch wohl viele Metallica-Fans von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, nur Tagestickets für Freitag zu erwerben.
Nach ein paar Songs von Eisbrecher, die für mich ja immer zu sehr irgendwo zwischen Rammstein und Unheilig stecken, schaute ich mir ab 19 Uhr noch 25 Minuten der tollen Incubus an, bei denen ich mich auch stark ärgerte, das Konzert wieder verlassen zu müssen. Warum? Weil Limp Bizkit um 19.45 Uhr auf der Boom Stage angesagt waren, und diese wollte ich auf keinen Fall verpassen. Diese Entscheidung wurde schnell bestätigt – Fred Durst und seine Mannen brachten die vermutlich selten so große Menge vor der Boom Stage schnell zum Hüpfen, Tanzen und Mitsingen. Ein starkes Konzert, Limp Bizkit machen immer noch extrem viel Freude, auf CD und noch weit mehr live. Zur Feier des Events spielte dann am Samstag auch weiterhin das Wetter mit.
Headliner des Abends war mit Muse eine der besten Livebands, die ich in den letzten 30 Jahren erleben durfte. Und so war es auch diesmal wieder eine Freude, zu sehen, wie das britische Trio die Fans in der Arena begeisterte. Die Gitarren-, Piano- und Gesangskünste von Matthew Bellamy hauen mich immer wieder vom Hocker, und Dominic Howard sowie Christopher Wolstenholme sind einfach eine perfekte Ergänzung. Eine überragende Liveband, die hier Songs vom neuen Album “Drones” mit Klassikern aus ihrer auch schon 20-jährigen Karriere vermischte. Einziger Wermutstropfen war, dass auch dieses Konzert nicht die auf dem Spielplan angegebene Spieldauer bestätigte und 15 Minuten vorher bereits beendet wurde – merkwürdig und für die Festival-Besucher verwirrend, da man sich ja schon nach den angegebenen Zeiten richtet, am Tag natürlich noch weit mehr als beim letzten Gig des Abends.
Am dritten und letzten Tag von “Rock im Revier” schien nur vormittags noch die Sonne – so konnten die am Abend noch abreisenden Camper zumindest ihre Zelte noch im Trockenen verstauen. Nachmittags aber regnete es sich so richtig ein und es war wieder sehr ungemütlich – vor allem natürlich ein Manko für alle Bands und Zuschauer der Boom Stage, auf der heute Bands wie The Darkness und Turbonegro auf dem Programm standen. Ich entschied mich heute für die Arena als Heimat und eröffenete meinen Tag mit den Solinger Metallern von Accept, die einen soliden Gig spielten und vor noch eher spärlichem Publikum ab 16.30 Uhr abrockten.
Mein erstes Highlight des Tages waren dann Five Finger Death Punch, die ich endlich mal live sehen konnte und die mich vollends überzeugten. Frontmann Ivan Moody hat von Shouten über progressive, druckvolle Phasen bis hin zu melodischem Singen ein großes Stimmrepertoire, und die Musik der Jungs ist ebenso abwechslungsreich und überzeugend. Starkes Konzert einer Band, die nicht umsonst vom Geheimtipp immer mehr zu einem größeren Namen im Rockbusiness wird.
Es folgten die Altrocker (was heute für viele galt) von Judas Priest, deren Musik mich noch nie begeistern konnte und zu denen ich auch jetzt keinen weiteren Zugang finden konnte. Sicherlich ein solider Gig, der den Fans offensichtlich auch gut gefiel, für mich aber nur eine Überbrückung zum Hauptacts des Abends.
Der Abschluss des Festivals in der Arena war den Legenden von Kiss gegönnt, die sich gerade auf ihrer Welttournee zum 40-jährigen Bandjubiläum befinden. Leider waren Innenraum wie auch Ränge, wie schon am Vortag, nicht annhähernd so dicht besetzt wie noch am Freitag bei Metallica, aber die alten Herren lieferten dennoch eine professionelle und wirklich immer noch voll überzeugende Show ab. Natürlich helfen die geschminkten Gesichter Paul Stanley, Gene Simmons, Tommy Thayer und Eric Singer, das Alter nicht so durchblicken zu lassen wie bei vielen anderen Bands, aber obwohl man die Jahre in den Stimmen von Paul und Gene doch so langsam raushört liefern sie doch immer noch eine Show ab, an der sich viele messen können. Hierbei hilft natürlich die Technik extrem. Die Mischung aus Lightshow und einheizenden Pyroeffekten zieht einen in seinen Bann, und wenn Gene dann plötzlich zehn Meter über den Köpfen des Publikums auf einem kleinen Steg aufspielt oder er zusammen mit Paul am Ende mittels einer Art Krantechnik weit über die Menge gehoben wird, dann ist das einfach toll. Bei den letzten Songs wie dem Klassiker “I Was Made For Lovin’ You” wurden dann zudem minutenlang noch Tonnen von Papierschnipseln in die Luft geblasen, zusammen mit Trockennebel. Großes Kino einer der größten Bands und ein würdiges Finale … bevor es wieder raus in den nervigen Regen ging.
Alles in allem ein gelungenes Festival, dem man aber schon hier und dort anmerkte, dass es nicht dort stattfand, wo es eigentlich geplant war – hier lernten die Veranstalter aber sicher auch noch für die Zukunft dazu. Das Konzept ging laut Wizard Promotions auf, die am Ende insgesamt 43.500 Besucher verkündeten. Vermutlich allerdings hatten mehr als 10.000 hiervon nur Tageskarten für den Metallica-Freitag, so dass die Arena an den beiden anderen Tagen doch deutlich überdimensioniert wirkte – was am Ring wohl noch eklatanter auf die Optik geschlagen hätte.
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