Wenn eine Band, deren letztes Album vor sechs Jahren erschien, sich zu zwei Deutschland-Konzerten in nicht gerade kleinen Hallen ansagt und diese dann auch im Handumdrehen ausverkauft vermelden, dann muss es sich wohl um bekannte Stars handeln. Wenn man dann aber jemandem erzählt, man gehe zu Thievery Corporation, und das auch noch am Abend des Fußball-EM-Achtelfinalspiels Deutschland gegen Dänemark, dann blickt man zumeist in überraschte Augen und hört ein “kenne ich nicht”. Im Gegensatz zu anderen Acts bekommt man dann allerdings keine Beschreibung der gebotenen Musik in ein paar Worten hin – und genau darum geht es, genau deshalb waren die Konzerte im Kölner Carlswerk Victoria und im Berliner Huxleys direkt ausverkauft – denn was hier geboten wird, spannt sich über verschiedene Stile und auch Kulturen.
Nachdem das New Yorker Trio City Of The Sun in 45 Minuten mit Songs wie “Everything” oder “Another Time” untermauerte, dass Musik von zwei Gitarren und einem Schlagzeuger – hier durch einen Bassisten zum Quartett aufgestockt – auch ohne Gesang, also rein instrumental, mitzureißen weiß, kamen Thievery Corporation um 21.15 Uhr auf die Bühne.
Auch wenn man auf Pressefotos und Album-Covern der 1996 gegründeten, US-amerikanischen Formation stets nur die Bandköpfe Rob Garza und Eric Hilton sieht, sind die Shows von viel mehr MusikerInnen geprägt und aus einem Elektro-lastigen Duo wird ein großes Kollektiv an KünstlerInnen. Dies wurde vom Start weg deutlich, als zum atmosphärisch fließenden “Heaven’s Gonna Burn Your Eyes” aus dem 2002er-Album “The Richest Man in Babylon” direkt eine Band-Struktur zu erkennen war, mit Rob Garza am Keyboard, dazu Jeff Franca – der auch als Musical Director der Tour fungiert – am Schlagzeug, Robbie Myers an der Gitarre, Dan Africano am Bass und Frank Orrall als zusätzlichem Percussionisten. Hinzu kamen wechselnde Stimmen, was gepaart mit der musikalischen Vielfalt des Projekts ein Konzert von Thievery Corporation so wirken lässt, als schaue man sich gerade mehrere Acts an. Falls jemand den Namen Eric Hilton vermisst – er war live nicht mit zugegen, was einem tollen Konzerterlebnis aber keinen Abbruch tat.
Jeder, der hier zum Mikrofon griff, wusste zu überzeugen. Laura Vell war es vergönnt, mit besagtem “Heaven’s Gonna Burn Your Eyes” zu eröffnen und schon recht bald mit “Lebanese Blonde” den größten Hit der Band zu singen. Racquel Jones war beim treibenden, bestens abgroovenden Elektro-Rap-Song “Letter To The Editor” zu hören oder beim Reggae-Song “Originality”. Rapper Mr. Lif war auch wieder am Start und wusste mit seinem starken Flow mitzureißen, bei Stücken wie “Culture Of Fear” oder “Fight To Survive”. Und Puma Ptah bot mit seiner für Reggae und Soul bestens passenden Stimme starken Gesang bei “Amerimacka” oder auch “The Richest Man in Babylon” als Teil einer späteren, vier Songs umfassenden Akustiksession, die den diversen VokalistInnen noch einmal Raum gab, stimmlich noch mehr in den Fokus zu treten. Auch Frank Orrall war es vergönnt, mit “The Heart’s A Lonely Hunter” eine Nummer zu singen.
Musikalisch bewegten sich Thievery Corporation wie immer zwischen diversen Genres, von Downbeat über NuJazz, Lounge-Chillout, Latino, Reggae und Dub bis zu orientalischen Klängen, dauerte es doch nicht lange, bis Robbie Myers sich in die Mitte der Bühne vor das Schlagzeug setzte und zur Sitar griff, mit deren ganz besonderem Klang die kulturelle Vielfalt noch erweiterte. Das mit entsprechenden Percussions wunderbar ins Ohr fließende, aber auch bestens tanzbare “Facing East” war hierbei ein weiteres Highlight des Abends und bei weitem nicht das einzige Stück mit Sitar. Zwischendurch gab es auch immer mal instrumentale Songs wie “Encounter In Bahia” oder “Air Batucada”, bei denen genauso mitgetanzt wurde wie eigentlich abgesehen von den akustischen Stücken sonst immer.
Gegen Ende wurde mit “Warning Shots” noch einmal mächtig Energie in den Saal geblasen, von Racquel Jones, Mr. Lif und Puma Ptah stimmlich zusammen dargeboten, bevor dann Laura Vell mit “Sweet Tides” als einziger Zugabe ein mehr als zwei Stunden langes, absolut spektakuläres und mitreißendes Live-Erlebnis abschloss und das voll zufriedene Publikum in die schwüle Nacht entließ, zu einer dank heftiger Gewitter auch nicht ereignislosen, blitzreichen Heimfahrt.
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Links:
Website von Thievery Corporation
Website des Carlswerk Victoria Köln