Wenn am nächsten Morgen die Ohren noch nicht wieder volle Hörleistung bringen, dann hat man vermutlich ein amtliches Rockkonzert besucht. Ja, Mama, das ist gar nicht gesund, ich weiß, und doch oftmals so gut. Wie in diesem Fall. Am verregneten Abend des 23. November 2017 standen die Belgier von Triggerfinger auf dem Spielplan im Gebäude 9 in Köln, und als Vorband hatten sie The Weyers dabei – eine sehr reizvolle Kombination. Wer schonmal im Gebäude 9 war, der weiß, dass der karge ehemalige Fabrikraum nicht die beste Akustik bietet, und doch kann man hier einen Sound hinbekommen, der völlig okay ist.
Kurz vor 20 Uhr betraten The Weyers die Bühne, und es wurde schnell klar, dass ihr Mann am Tonpult die richtige Abmischung gefunden hatte – wenn auch hier bereits etwas zu laut für die limitierte Größe des Raums. Am Montag erst hatten The Weyers in Köln den Abend für The Rasmus eröffnet, in der weit größeren Live Music Hall vor weit mehr Besuchern. Dass sie hier nun vor vielleicht 200 Menschen auftraten, tat ihrer Spielfreude keinen Abbruch. Wer The Weyers nicht kannte, der war überrascht, dass hier lediglich zwei Musiker auf der Bühne standen, die Brüder Adrian “Adi” und Lukas “Luke” Weyermann. Auch wenn die Jungs aus dem schweizerischen Zürich erst zwei Alben und eine EP zu verzeichnen haben, so reiste hier doch weit mehr Erfahrung an. Schließlich war Adrian in den 90ern als Sänger der Band Crank aktiv, veröffentlichte im neuen Jahrtausend dann vier Solo-Alben und einige Singles, hierunter das durchaus gut beachtete “Echo”.
Damals hingen Adi noch die Haare stylisch ins Gesicht, inzwischen trägt er Glatze mit schwarzem Hut und musste Luke zu Beginn erst einmal bestätigen, dass dessen Frisur sitzt – so ändern sich die Zeiten. Nun sind Frisuren ja völlig zweitrangig, die Musik zählt, und in dieser Hinsicht verstehen die Brüder ihr Handwerk. Nach einem Kirmes-artigen Intro erklangen die fetten Gitarrenriffs von “Big Mouth”, und es wurde schnell klar, dass hier zwei Mann ausreichen, um den Saal zu rocken. Ein paar Klänge wurden vom Band beigesteuert, das meiste wurde aber live gespielt und so überzeugten die Weyers vom Start weg und hatten die wenn auch kleine Menge rasch im Griff. Mit “Julia” ließen sie den besten Song ihres Debüts folgen als melodische, getragene Nummer mit viel Esprit. Dann kamen sie zum neuen, gut gelungenen Album “Out Of Our Heads”, von dem sie erst den knackig flotten Titelsong spielten, dann die sich bluesig voran schleppende, hierbei aber packende Single “Bout Love”. Mit dem gemütlichen “Think Of You” untermauerten sie ihren Abwechslungsreichtum, beendeten ihr starkes Set dann mit “Wires” und dem zum Mitfeiern prädestinierten “Beep Beep Beep”. Ein starker Luke an den Drums, ein starker Adi an der Gitarre und am Mikro – eine starke Band, die Spaß bereitet und hier 35 Minuten lang bestens die Stimmung anheizte.
Um 21 Uhr dann, der Saal war inzwischen mit etwa 300 Zuschauern gut gefüllt und es wurde immer wärmer, betraten Triggerfinger die Bühne. Mit “Upstairs Box” wurde das Set eröffnet – was allerdings kaum erkennbar war. Im Vergleich zu den Weyers wurde hier nun leider deutlich schlechterer Sound verabreicht, der den einzelnen Instrumenten und auch der Stimme kaum Klarheit verschaffte und der noch lauter war – deutlich an der Grenze zu “zu laut”, und ich bin hier wahrlich nicht übersensibel. Was blieb, was ein breiiger, dieser tollen Band eigentlich unwürdiger Sound. Schade, denn nach großen Erfolgen in ihrer belgischen Heimat und in den Niederlanden, wo sie mit ihrem vierten Studioalbum “By Absence Of The Sun” (allerdings auch begünstigt von der Coverversion “I Follow Rivers”) jeweils die Spitzenposition der Charts erreichen konnten, unternehmen Triggerfinger schließlich mit neuem Label Mascot Records im Rücken und dem aktuellen, starken Album “Colossus” gerade einen neuen Anlauf, auch weitere Länder zu erobern – und hierbei wäre ein guter Livesound natürlich hilfreich.
Blendet man den miesen Klang mal aus, wurde ein tolles Konzert geboten. Triggerfinger haben auf der Bühne eine immense Präsenz – was vor allem am starken, charismatischen Sänger und Gitarristen Ruben Block und am animalisch daher kommenden Schlagzeuger Mario Goossens liegt, während Bassist Paul Van Bruystegem und der das Live-Line-Up momentan ergänzende, zweite Gitarrist Geoffrey Burton (Hong Kong Dong, Sophie Hunger, Iggy Pop) im Vergleich eher unauffällig agieren. Block, der für einen Frontmann ungewohnt am vom Zuschauer aus gesehen linken Rand der Bühne agierte, ist eine echte Rock-Rampensau, und Goossens trommelt wie ein Verrückter, und agiert dabei teilweise auch entsprechend, etwa wenn er den Fokus dadurch auf sich zieht, dass er mit dem Drumstick popelt und diesen danach in dem Mund steckt – na lecker, glücklicherweise habe ich den Stick später nicht gefangen. Im schicken Zwirn kamen Triggerfinger daher, wirkten in ihren Anzügen so, als würden sie einem vormittags in der Bank eine Kontoberatung verpassen – während abends dann abgerockt wird, was im Jackett eine ziemlich schwitzige Angelegenheit war, trotzdem behielten Goosens und Van Bruystegem ihre Jacken bis zum Ende an.
Mal ging es etwas melodischer zu wie bei “Flesh Tight”, mal straight rockig wie bei “Bring Me Back A Live Wild One” – hier übrigens stieg dann der vergleichsweise schüchtern wirkende, aber stark spielende Burton sogar mal mit auf das Drumset-Podest, brachte dann aber auch rasch mit dem Gitarrenhals einen Mikrofonständer zu Fall – das Rampenlicht ist wohl eher nicht seine Welt. Triggerfinger spielten neben Stücken vom aktuellen Album natürlich auch einige Klassiker, zumeist flott, rau und knarzig wie “First Taste” oder das auch gut bluesige “And There She Was Lying In Wait”, mal aber auch psychedelisch und experimenteller wie beim epischen “My Baby’s Got A Gun”. Auch ein Drumsolo wurde geboten, bei dem Goossens sich erst alleine die Seele aus dem Leib trommelte, dann kamen Block und Van Bruystegem noch hinzu und schlugen seitlich auf das Drum-Kit ein. Mit “Colossus” verließen Triggerfinger nach 75 Minuten die Bühne, kehrten dann nochmal für drei Songs zurück. Hier spielten sie dann auch das tolle, in seiner mit ruhiger Schönheit wie auch rockigen Momenten an Radiohead erinnernde “Afterglow”. Zum Abschluss gab es die laut Block selten gespielte Coverversion “Funtime”, im Original von Iggy Pop und David Bowie. Eigentlich 90 tolle Minuten, wäre da der miese Sound nicht gewesen.
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Links:
Website von Triggerfinger
Website von The Weyers
Website des Gebäude 9 Köln